Hausbesitzerin Hedwig Röhl will 600.000 Euro investieren. Die Bauprüfabteilung: Der Rotklinker muss erhalten bleiben.
Hamburg. Eigentlich wollte Hedwig Röhl nur einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, wollte ihr Mietshaus (Baujahr 1957) energetisch sanieren lassen - nun muss sie juristisch gegen die Stadt kämpfen, um diesen Wunsch durchzusetzen. Gegen eine Stadt, die im Jahr 2011 den Titel Europäische Umwelthauptstadt tragen darf. Eine Stadt, deren Senat die Bürger immer wieder dazu auffordert, den Wohnungs- und Häuser-Altbestand zu sanieren.
Und das kam so: Hedwig Röhl ist Eigentümerin eines Wohnblocks mit 24 Wohneinheiten in der Carl-Petersen-Straße in Hamburg-Hamm. Aus Umweltgründen wollte sie das Haus sanieren lassen. Dies würde - so ergab es ein Gutachten - rund 600.000 Euro kosten. Der Primärenergiebedarf und die CO2-Emission könnten um rund 55 Prozent gesenkt werden. Grund genug für Hedwig Röhl, einen Architekten mit ersten Entwürfen zu beauftragen. Auch die Wohnungsbaukreditanstalt (WK) befürwortete das Vorhaben und genehmigte einen Kredit von 520.000 Euro und einen Zuschuss in Höhe von 80.000 Euro. Jetzt hätte die Sanierung eigentlich beginnen können. Eigentlich. Wäre da nicht das Bezirksamt Hamburg-Mitte gewesen. Die Bauprüfabteilung des Bezirks lehnte das Sanierungsvorhaben mit Verweis auf den Paragrafen 72 der Hamburgischen Bauordnung ab, "weil es öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht".
Das Problem des Bezirks ist die Rotklinker-Fassade des Gebäudes. Im Ablehnungsbescheid heißt es: "Sowohl der Straßenzug der Bethesdastraße als auch der Carl-Petersen-Straße werden durch Wohngebäude mit Fassaden in Rotklinker definiert. In seiner einheitlichen Farbigkeit und Materialwahl ist das Quartier rund um die Bethesdastraße typisch für die schlichte Bauweise der Nachkriegszeit. Es ist Teil eines größeren städtebaulichen Ensembles in der für Hamburg stadtbildprägenden Backsteinbauweise, weshalb der Erhalt der äußeren Gestalt des Viertels von großer Bedeutung ist."
Merkwürdig daran ist, dass es in unmittelbarer Nähe zum Mietshaus der Röhls eine ganze Reihe von Gebäuden gibt, die nicht mehr in Rotklinker gehalten sind. Tatsächlich sind in weniger als 50 Meter Abstand mehrere Häuser nach Energiesanierungen mit Fassadenplatten verkleidet. Trotzdem bleibt der Bezirk bei seiner Entscheidung. Selbst ein Widerspruch der Röhls bei Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD) hat daran nichts geändert. Als "größtmöglichen Kompromiss" bietet er an, die Fassade als "Wärmeverbundsystem mit Klinkerriemchen" zu sanieren. Das würde zum einen aber 130.000 Euro mehr kosten - Geld, das nicht über die Mietkosten refinanzierbar wäre und somit von Hedwig Röhl nicht zu leisten ist. Zum anderen gibt es Stimmen aus der Branche, die besagen, dass ein Verputz mit Klinkerriemchen bis zu maximal acht Jahren hält und erneut verputzt werden muss.
Theoretisch hätte die Bauprüfabteilung auch anders entscheiden können. Denn der Paragraf 12 der Hamburgischen Bauordnung hat einen Auslegungsspielraum. Von der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) heißt es dazu: "An optisch besonders hervortretenden baulichen Anlagen können besondere Anforderungen an die Gestaltung gestellt werden." Bleibt die Frage, warum ausgerechnet das Haus der Röhls als eine solche Anlage gelten soll, die Häuser in der Nachbarschaft aber nicht? Aus der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt heißt es im Übrigen, es sei in der Behörde "kein Fall bekannt, bei dem der Paragraf 12 einer energetischen Sanierung entgegenstand". Die Röhls haben nun Widerspruch gegen den Bescheid des Bezirks eingelegt, um die Fristen zu wahren. Das Problem dabei: Die zugesagten Mittel der Wohnungsbaukreditanstalt müssen bis zum Ende des Sommers verbraucht sein, andernfalls verfällt der Kredit. Eine juristische und fachliche Stellungnahme an den Bezirk ist in Arbeit. Ausgang ungewiss.