Die Stadtentwicklungssenatorin über Mieten-Entwicklung, Gewerbe-Leerstand, Investoren und Projekte im Grünen.
Hamburg. Hamburger Abendblatt: Frau Hajduk, in der Stadt wächst der Unmut über steigende Mieten und zunehmend weniger preiswerten Wohnraum. Gibt es in Hamburg eine Wohnungsnot?
Anja Hajduk: Von einer Wohnungsnot würde ich nicht sprechen. Es ist aber nicht zu übersehen, dass die Lage bei preiswerten Wohnungen angespannt ist. Gerade bei kleinen oder sehr großen Wohnungen oder auch in besonders nachgefragten Stadtteilen stehen die Bewerber oft Schlange. Gerade hier versuchen wir gegenzusteuern.
Abendblatt: Wie groß ist der jährliche Bedarf an neuen Wohnungen?
Hajduk: Wir gehen davon aus, dass wir jährlich 5000 bis 6000 neue Wohnungen brauchen, um den Mehrbedarf durch den vorhergesagten Bevölkerungszuwachs zu decken.
Abendblatt: Und wie viele neue Wohnungen entstehen jährlich in Hamburg?
Hajduk: Momentan noch zu wenige. Immerhin gehen die Zahlen seit 2007 wieder hoch. 2008 lagen wir bei 3758 Wohnungen. Auch in den ersten drei Quartalen dieses Jahres sind die Baugenehmigungszahlen gestiegen. Das sind Signale, die in die richtige Richtung deuten. Die Stadt kann die benötigten Wohnungen aber nicht selbst bauen. Das müssen vor allem Investoren, Privatpersonen und Baugemeinschaften tun. Wir als Stadt wollen die Rahmenbedingungen verbessern.
Abendblatt: Wie wichtig ist dabei die Saga/GWG für die Stadt? Und welche Folgen hätte ein Verkauf der städtischen Wohnungsgesellschaft, deren Wert Experten auf sieben Milliarden Euro schätzen?
Hajduk: Mit 131 000 Wohnungen hat das Wohnungsunternehmen einen führenden Anteil am Wohnungsmarkt in Hamburg. Dieses Angebot an zumeist preiswerten Wohnungen brauchen wir dringend. Bei einem Verkauf würde die Stadt ihr Rückgrat der Wohnraumversorgung opfern. Der Wohnungsmarkt würde sich zum Nachteil der Mieterinnen und Mieter verändern. Auch bei der Quartiersentwicklung entstünde eine kaum zu schließende Lücke. Deshalb wird Saga/GWG definitiv nicht verkauft.
Abendblatt: Ein großes Problem sind geeignete Grundstücke. Welche Möglichkeiten hat die Stadt, um mehr Flächen für den Wohnungsbau zur Verfügung stellen zu können?
Hajduk: Wir versuchen, zusammen mit den Bezirken deutlich mehr und schneller Flächen für den Bau neuer Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Wir wollen aber weg von der klassischen Zersiedelung auf der grünen Wiese und mehr Flächen für den Wohnungsbau dort anbieten, wo auch der größte Bedarf besteht, nämlich innenstadtnah. Daher sind auch Projekte wie der Deckel über die A 7 und die Verlagerung des Fernbahnhofs Altona nach Diebsteich oder die Weiterentwicklung der östlichen HafenCity so wichtig. Hier werden in erheblichem Umfang neue Wohnungen entstehen.
Abendblatt : Was muss sich im Zusammenspiel mit den Bezirken ändern?
Hajduk: Um den Bau neuer Wohnungen schneller zu verwirklichen, müssen die Vorhaben vor Ort zügiger umgesetzt werden können. Daher wollen wir demnächst unter anderem einen Wohnungsbaukoordinator neu bestellen, der die Abläufe und die Zusammenarbeit mit den Bezirken beschleunigen soll. Wohnungsbau ist ein zentrales Thema für ganz Hamburg. Daher würde ich mir auch wünschen, dass gelegentlich im Interesse der gesamten Stadt regionale Sichtweisen hintenan gestellt werden.
Abendblatt: Einst gab es 400 000 Sozialwohnungen in der Stadt, zurzeit sind es noch 103 000, im Jahr 2016 werden es noch 71 000 sein - eine falsche Entwicklung?
Hajduk: Dies liegt daran, dass in den 60er- und 70er-Jahren sehr viele Sozialwohnungen gebaut wurden, die jetzt automatisch aus der sozialen Bindung rausfallen. Ehemalige Sozialwohnungen verschwinden aber ja nicht vom Markt. Sie stehen in der Regel mit günstigen Mieten weiter zur Verfügung. Dennoch wollen wir auch hier gegensteuern. So haben wir zum Beispiel die Förderung für den Bau neuer Sozialwohnungen von 600 auf 1000 geförderte Neubauten aufgestockt und haben dieses Jahr ein Programm zum Ankauf von Belegungsbindungen neu aufgelegt.
Abendblatt: Saga/GWG führt pro Jahr 100 Millionen Euro an die Stadt ab und erstellt jährlich rund 250 neue Wohnungen. Denken Sie daran, mehr Mittel für städtische Neubauten aufzubringen?
Hajduk : Wir wollen, dass Saga/GWG seine Neubauzahlen steigert, und sind darüber mit dem städtischen Konzern im Gespräch.
Abendblatt: In Hamburg sind die Mieten laut jüngster Umfrage seit 2006 um 15 Prozent auf durchschnittlich 10,10 Euro pro Quadratmeter gestiegen - und damit bundesweit mit am kräftigsten. In der Stadt wächst auch der Unmut über zahlreiche leer stehende Gewerbeimmobilien und die Verdrängung von Mietern aus ihren Vierteln durch eine zahlungskräftigere Klientel - welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?
Hajduk: Nach dem im November erschienenen Mietspiegel beträgt die durchschnittliche Nettokaltmiete in Hamburg 6,76 Euro pro Quadratmeter. Das ist eine durchschnittliche Erhöhung von 3,6 Prozent gegenüber 2007. Damit sind die Mieten im Durchschnitt langsamer gestiegen als noch von 2005 auf 2007. Der Mietspiegel erfasst sowohl Veränderungen der Bestandsmieten als auch Neuvertragsmieten. Ich will das aber nicht gutreden, denn es ist nicht zu verkennen, dass das Angebot an sehr günstigen Mieten sinkt und die günstigen Mieten überdurchschnittlich anziehen. Um dies zu ändern, haben wir mit dem Wohnungsbauentwicklungsplan im Frühjahr 2009 wichtige Weichen gestellt. Wir wollen auch in geeigneten Fällen Gewerbeflächen für den Wohnungsbau ausweisen.
Abendblatt: Wie sieht die Wohnraumversorgung für benachteiligte Gruppen in Hamburg aus?
Hajduk: Gerade im November haben wir zunächst als Pilotprojekt den Ankauf von 100 neuen Belegungsbindungen über die Wohnungsbaukreditanstalt gestartet, um gezielt Menschen zu helfen, die besondere Schwierigkeiten auf dem Wohnungsmarkt haben. Hierfür stehen 1,5 Millionen Euro zur Verfügung. Das Programm läuft gut an, und wir wollen 2010 nachlegen. Außerdem fördern wir integrative Ansätze im Neubau und wollen mit verschiedenen Genossenschaften und Saga/GWG den bestehenden Kooperationsvertrag zur besseren Integration von wohnungslosen Menschen weiterentwickeln.