Die Stadt werde nicht umhinkommen, Leistungen zu kürzen. Die Bürgerschaft beschloss zudem am Abend die Änderung des Schulgesetzes.

Hamburg. Mittwoch war es soweit: Hamburgs neuer Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) gab seine mit Spannung erwartete erste Regierungserklärung ab. Er schwor die Menschen der Stadt angesichts der desolaten Haushaltslage auf schmerzhafte Einschnitte ein. „Effizienzsteigerungen und Einsparungen in der Verwaltung werden nicht ausreichen, ein Sparvolumen von einer halber Milliarde Euro zu erzielen“, sagte Ahlhaus in der Bürgerschaft in seiner ersten Regierungserklärung. „Deshalb werden wir nicht umhinkommen, auch Leistungen zu kürzen.“ Hamburg könne nicht weiter über seine Verhältnisse leben. „Ja, das ist hart, aber es muss sein“, sagte er in seiner gut 50-minütigen Antrittsrede.

Von den Einsparungen, welche kommende Woche in einer Senatsklausur beschlossen werden sollen, seien auch die Bezirke betroffen. „Da gibt es Einsparpotenziale und da gibt es Doppelarbeit, die wir uns nicht mehr leisten können.“ Ahlhaus betonte, ohne eine dynamische Wirtschafts- und eine solide Finanzpolitik sei nichts auszurichten. In vielen Wirtschaftszweigen sei zwar fast wieder das Vor-Krisen-Niveau erreicht worden. Ahlhaus warnte aber davor, sich auf Erfolgen etwa im Hafen auszuruhen.

„Gerade jetzt, wo der Aufschwung an Fahrt gewinnt, müssen wir für Handel und Gewerbe, für die Industrie genauso wie für das Handwerk und den Mittelstand attraktive Rahmenbedingungen für ein nachhaltiges, eben ein weitsichtiges Wachstum schaffen.“ Hamburg müsse deutlich mehr zeigen, dass sie eine wirtschaftsfreundliche Stadt sei. Der Bürgermeister zählte dazu etwa die umstrittene Elbvertiefung, zu der der Senat weiter stehe. Ahlhaus kündigte an, noch in diesem Jahr einen Hafenentwicklungsplan vorzulegen und sich intensiv in Berlin für den Bau der Hafenquerspange einzusetzen.

Handelskammer-Präses Frank Horch zur Regierungserklärung

Ihm sei bewusst, dass das Konsolidierungsprogramm den Menschen einiges abverlangen werde, sagte Ahlhaus. So könne nicht auf die jüngste Erhöhung der Kita-Gebühren verzichtet werden. Unter anderem müsse die Betreuung der unter Dreijährigen ausgebaut und eine verlässliche Nachmittagsbetreuung an allen Grundschulen werde umgesetzt werden. „Solange wir den bedarfsgerechten und qualitativ hochwertigen Ausbau für alle Kinder wollen, besteht kein Spielraum, die Elternbeiträge abzusenken“, sagte Ahlhaus.

„Die Absage an die Einführung der sechsjährigen Primarschule ist selbstverständlich uneingeschränkt zu respektieren. Hier wird nicht getrickst oder abgelehnte Teile durch die Hintertür eingeführt“, betonte der Bürgermeister. Gleichzeitig appellierte er an alle Beteiligten, aufeinanderzuzugehen. „Hamburg braucht den Schulfrieden. Das sind wir unseren Kindern schuldig.“

Mit Blick auf die Universitäten kündigte Ahlhaus an, die gesamte Hochschullandschaft unter die Lupe zu nehmen. „Ich bezweifle, dass eine maximal breite Aufstellung künftig der richtige Weg ist, um in Hamburg wissenschaftliche Exzellenz zu entwickeln, die international wettbewerbsfähig ist.“ Der Wissenschaftsstandort Hamburg werde sich zunehmend auf Schwerpunkte konzentrieren müssen, „um nicht weitgehend Mittelmaß zu bleiben“.

Mit Unverständnis regierte Ahlhaus auf den Rücktritt des Intendanten des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg, Friedrich Schirmer. „Ehrlich gesagt, ich finde schon, dass es in diesen Zeiten möglich sein muss, mit einem Jahresetat von knapp 18 Millionen Euro ein Schauspielhaus zu führen.“ Gleichwohl müsse auch die Kultur verstärkt auf Schwerpunkte setzen. Ahlhaus zählte dazu auch die wegen ihrer Kosten höchst umstrittene Elbphilharmonie. Gleichzeitig begrüßte er den Rückkauf des vor gut einem Jahr von Künstlern besetzten Gängeviertels von einem Investor. „Eine Stadt braucht Räume für Kreative und sie muss in eigenem Interesse deren Potenzial für ihre Entwicklung nutzen.“

Ahlhaus versprach deutlich mehr Wohnungsbau. Für viele junge Familien sei selbst eine einfache Wohnung kaum noch zu bezahlen. „Dies muss sofort geändert werden.“ Deshalb werde er den Rahmen für den Bau von 5000 bis 6000 Wohnungen jährlich schaffen. Außerdem werde geprüft, ob nicht in Anspruch genommene Gewerbeflächen für den Wohnungsbau aktiviert werden könnten.

Ahlhaus räumte aber auch Versäumnisse ein. „Ja, Schwarz-Grün hat zu Beginn der Zusammenarbeit zu viel Energie in visionäre Projekte geleitet und dabei an einigen Stellen den Blick auf das sogenannte „Tagesgeschäft“ vernachlässigt.“ An einigen Stellen habe auch die Sensibilität im Umgang mit den Sorgen der Menschen gefehlt.

SPD-Fraktionschef Michael Neumann ging mit Ahlhaus hart ins Gericht, sprach von einer bemüht vorgetragenen, beliebigen Regierungserklärung. Als Bürgermeister habe er bislang kaum Ergebnisse produziert. „Es geht Ihnen darum, sich und ihr schwarz- grünes Bündnis über die Runden zu retten.“ Laut Neumann ist die von Schwarz-Grün propagierte Versöhnung von Ökologie und Ökonomie „in Wahrheit reine Scheckbuchpolitik nach dem Motto „gibst Du mir, gebe ich Dir.““ Neumann forderte Ahlhaus auf, Taten folgen zu lassen. „Da hilft nicht Händeschütteln. Da hilft Entscheiden“, sagte Neumann.

Die Linken-Fraktionsvorsitzende Dora Heyenn sprach von „nebulösen Formulierungen“ des Bürgermeisters. „Regierungsverantwortung sieht anders aus.“ Armut und Bildungsgerechtigkeit hätten kaum eine Rolle gespielt und auch bei der Integration von Migranten sei er im Ungefähren geblieben. Ahlhaus' Sparkurs kritisierte Heyenn scharf: „Was Sie hier betreiben, ist die Zerstörung der sozialen Strukturen.“ Auch die Umweltorganisation BUND reagierte enttäuscht. „Die energie- und klimapolitische Ausrichtung Hamburgs bleibt vage – zu City-Maut, Flächenverbrauch und Naturschutz findet der Erste Bürgermeister kein einziges Wort“, sagte Geschäftsführer Manfred Braasch.

Später änderte die Bürgerschaft wie erwartet das Schulgesetz. Nach dem Sieg der Reformgegner um die Initiative „Wir wollen lernen“ beim Volksentscheid strichen die Abgeordneten am Mittwoch unter anderem einstimmig die sechsjährige Primarschule wieder aus dem Regelwerk und fügten das Elternwahlrecht bereits nach Klasse vier wieder ein. Kurz vor der Entscheidung hatte das Hamburgische Verfassungsgericht den Antrag dreier Hamburger auf eine einstweilige Anordnung gegen eine Verabschiedung des Gesetzes als offensichtlich unzulässig zurückgewiesen