Hauptursache sind laut Finanzsenator Frigge Steuerrechtsänderungen im Bund. Frigge kündigt nun Einschnitte für die Bürger an.
Hamburg. Die Hamburger müssen sich auf weitere dürre Jahre einstellen. Angesichts der aktuellen Steuerschätzung stellt Finanzsenator Carsten Frigge (CDU) nicht nur geplante Großinvestitionen und alle Unternehmensbeteiligungen der Stadt auf den Prüfstand, sondern will auch die den Bürgern besonders nahestehenden Bezirksämter weiterhin zur Konsolidierung des Haushalts heranziehen. "Jeder wehrt sich, wenn er sparen soll", sagte Frigge, dennoch würden die Bezirke "wie alle anderen Behörden" behandelt. Verhandlungen, inwiefern die sieben Hamburger Bezirke bis 2014 rund 65 Millionen Euro einsparen können, befinden sich auf der Zielgeraden. Im Gespräch sind Schließungen von Kundenzentren, höhere Gebühren etwa für Bauberatungen und die intensivere Verfolgung von Falschparkern - Stichwort Knöllchen.
Ausgelöst wurde die Diskussion vergangenes Jahr durch die dramatisch schlechte finanzielle Lage Hamburgs. Damals war bekannt geworden, dass der Stadt bis 2013 sechs Milliarden Euro an Steuereinnahmen fehlen. Der aktuellen Schätzung zufolge, die Frigge gestern vorstellte, werden es noch einmal 143 Millionen Euro weniger sein.
Wie sich das konkret auf die Haushaltsberatungen Mitte Juni auswirkt, wollte der Finanzsenator nicht sagen. Es gehe um eine "Anpassung von Einnahmen und Ausgaben", eine Sparklausur wie im vergangenen Herbst sei nicht geplant. Grundsätzlich gelte: "Wir werden die Einschnitte für die Bürger so gering wie möglich halten." Welche Großinvestitionen dem Rotstift zum Opfer fallen könnten, sagte Frigge ebenfalls nicht. Es gebe im Senat eine Liste mit 94 Projekten, die "auf dem Prüfstand" stehen. Dass die geplante Stadtbahn und der Teilumzug der Uni in den Hafen dabei sind, bestätigte er nicht.
Die zunächst dramatisch anmutenden 143 Millionen relativieren sich bei Betrachtung der Gesamtzahlen: Für die Jahre 2010 bis 2013 hatte die Stadt mit Steuereinnahmen von 31,482 Milliarden Euro gerechnet. Nach der neuen Schätzung werden es 31,339 Milliarden sein. Wie schnell diese Lücke wachsen oder sich auch schließen kann, zeigte 2009. Damals lagen die Einnahmen am Jahresende überraschend um 140 Millionen Euro höher als erwartet, was im Wesentlichen an wenigen großen Eingängen bei der Erbschaftssteuer lag. Auch für 2010 erwartet die Finanzbehörde Mehreinnahmen von 119 Millionen Euro gegenüber der Planung. Mit 7,51 Milliarden Euro stehen der Stadt dennoch 293 Millionen weniger zur Verfügung als 2009 und gar 1,25 Milliarden als 2008. Obwohl die Konjunktur wieder anziehe und Hamburg für die kommenden Jahre von zwei Prozent Wirtschaftswachstum ausgehe, fiel Frigges Ausblick eher düster aus: "Die Lage wird nicht viel besser."
Verantwortlich dafür seien die Steuerrechtsänderungen auf Bundesebene, zum Beispiel die Wiedereinführung der Entfernungspauschale oder die Abziehbarkeit von Krankenversicherungsbeiträgen. Allein die sechs neuen Gesetze mit den größten Steuerentlastungen rissen 2010 ein Loch von 547 Millionen Euro in die Stadtkasse. Weiteren Steuersenkungen, zum Beispiel der Streichung der Gewerbesteuer, werde Hamburg daher nicht zustimmen, stellte der Finanzsenator klar. "Diese dramatischen Zahlen zeigen allein für Hamburg überdeutlich, dass die Zeit für weitere Steuerentlastungen - so erfreulich und wünschenswert sie für Wirtschaft und Bürger auch sein mögen - auf Jahre hinaus vorüber ist." Ähnlich äußerte sich Marcel Schweitzer vom Bund der Steuerzahler: "Die Steuerschätzung führt vor Augen, dass die fetten Jahre buchstäblich vorbei sind. "Jetzt müssen Projekte wie die Stadtbahn gestrichen werden."
Auch SPD-Finanzexperte Peter Tschentscher warf dem Senat vor, "schwarz-grüne Wunschzettel" abgearbeitet zu haben. "Luxusinvestitionen" wie der geplante Neubau der HafenCity-Universität, die unterirdischen Schießstände der Polizei und der Uni-Umzug müssten gestrichen werden. Joachim Bischoff (Linke) kritisierte, der Senat halte "unverdrossen an seinen Leuchtturmprojekten fest" und lasse die Bürger zum Beispiel über höhere Kita-Gebühren "büßen". Katja Suding (FDP) forderte den "Verzicht auf schwarz-grüne Prestigeprojekte wie Stadtbahn, Universitätsumzug und Primarschulreform". Die "letzte Ausfahrt aus dem Schuldenhaushalt" dürfe nicht verpasst werden.