Merkel warnt vor Änderungen am Sparpaket, aber stellt sich im Fall Opel gegen die FDP
Berlin. Der Krach in der schwarz-gelben Koalition läuft immer mehr aus dem Ruder. Nach dem Kabinettsbeschluss über das 80-Milliarden-Euro-Sparpaket streiten jetzt Union und FDP darüber, ob Besserverdiener nicht doch steuerlich stärker belastet werden müssen, um so Vorwürfen einer sozialen Ungerechtigkeit begegnen zu können.
Verschärft wurde der Konflikt gestern Abend durch einen schweren Dissens in der Frage der Opel-Rettung. Kurz nachdem Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) als zuständiger Ressortminister die geforderte Milliarden-Staatshilfe für den Autokonzern abgelehnt hatte, schaltete sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ein und verkündete, das letzte Wort sei darüber noch nicht gesprochen. Inzwischen gibt es in der FDP sogar Stimmen, die damit drohen, bei der Wahl des Bundespräsidenten nicht für den CDU-Kandidaten Christian Wulff zu votieren.
Im Steuerstreit meldeten sich gestern immer mehr Unions-Politiker, die Nachbesserungen am Sparpaket verlangten. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) und der Präsident des CDU-Wirtschaftsrates Kurt Lauk sprachen sich für die Anhebung des Spitzensteuersatzes aus. Lauk sagte der "Berliner Zeitung", die Union habe sich bei den Verhandlungen "für eine soziale Balance eingesetzt, kam aber nicht richtig durch". Der CDU-Wirtschaftsrat votiert außerdem für die Abschaffung reduzierter Mehrwertsteuersätze und eine stärkere Bekämpfung der kalten Progression - dann könne auch über eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes geredet werden. Lammert monierte in der "Rheinischen Post", als Signal für die Notwendigkeit einer breiten gesellschaftlichen Anstrengung hätte er sich einen "besonderen Beitrag" der Spitzeneinkünfte gewünscht. Die Vorschläge der Koalition seien zwar "notwendig", träfen aber in erster Linie Empfänger von mittleren und kleineren Einkommen und von Hartz-IV-Leistungen.
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer machten deutlich, dass aus ihrer Sicht an den Beschlüssen nicht gerüttelt werden darf. Es gebe aber Spielraum für einzelne Nachbesserungen. Führende Liberale forderten ein Machtwort der Unions-Spitze. Kanzlerin Merkel müsse die Querschüsse beenden. Der hessische FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn drohte, wenn die Union nicht endlich mit einer Stimme spreche, könne sie nicht erwarten, dass die FDP ihren Bundespräsidenten-Kandidaten Christian Wulff "einfach bedenkenlos wählt". Doch mit Schleswig-Holsteins FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki rückte gleichzeitig erstmals ein prominenter Liberaler vom Kurs seiner Partei ab. Er nannte eine Anhebung der Reichensteuer von derzeit 45 auf 47,5 Prozent ab einem Einkommen von 250 000 Euro zumutbar. "Wir brauchen eine Erhöhung dieses Satzes auf 47,5 Prozent, damit wir den Mittelstandsbauch abflachen können", sagte er dem Abendblatt.
Merkel rief am Abend die Koalition auf, dem Sparpaket unverändert zuzustimmen. "Ich rate, das Paket erst einmal so zu nehmen, wie es ist, und in die Realität umzusetzen", sagte sie vor dem CDU-Wirtschaftsrat. Es gehe um Verlässlichkeit. Im Streit um Opel will sie heute mit den Ministerpräsidenten der betroffenen Länder über Hilfen reden.