Die Fraktionsspitze begrüßt, dass der künftige Bürgermeister den Kontakt zu einem studentischen Männerbund abbricht. Aber an der Basis rumort es.
Hamburg. Die Nähe des designierten Bürgermeisters Christoph Ahlhaus (CDU) zu einer schlagenden Studentenverbindung in Heidelberg sorgt in Hamburg weiter für Wirbel. Dass der Noch-Innensenator die "Turnerschaft Ghibellinia" gebeten hatte, ihn nicht mehr als Gastmitglied zu führen, wurde beim Koalitionspartner GAL zwar registriert. "Das ist ein deutliches Signal und entspannt die Situation ganz erheblich", sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Antje Möller dem Abendblatt.
Dennoch scheint offener denn je, ob die Grünen Ahlhaus am 25. August zum Nachfolger von Ole von Beust wählen werden, der an dem Tag aus dem Amt scheidet. Denn die Vorbehalte an Teilen der Basis, die Ahlhaus für zu konservativ hält und als Nachfolger des liberalen von Beust sehr kritisch sieht, werden durch die Nähe zu der Studentenverbindung weiter verschärft. "Das stützt meine Zweifel, ob Herr Ahlhaus geeignet ist, eine schwarz-grüne Koalition zu führen", sagt der Harburger GAL-Bezirksabgeordnete Kay Wolkau. "Mir gefallen diese Vereine nicht", sagt ein anderer Grüner. Auch die GAL-Landesvorsitzende Katharina Fegebank hatte nach Bekanntwerden der Geschichte deutlich gemacht, dass ihr Studentenverbindungen "suspekt" seien. Erst auf dem Mitgliederabend am 18. August, auf dem Ahlhaus sich der grünen Basis stellen will, und schließlich auf dem GAL-Parteitag am 22. wird sich wohl zeigen, ob sein Rückzieher noch rechtzeitig kam.
Der aus Heidelberg stammende Innensenator war nicht als Student in der Verbindung aktiv, hat also auch nie gefochten. 2000/2001 hatte er die Turnerschaft Ghibellinia jedoch als CDU-Ortsvorsitzender in dem Bestreben unterstützt, das "Mai-Singen" wieder aufleben zu lassen. Das traditionelle Absingen von Trinkliedern und der Nationalhymne hatte in den 90er-Jahren oft für Auseinandersetzungen mit der linken Szene gesorgt, die behauptete, die Männerbünde würden auch die von den Nazis missbrauchte erste Strophe des Deutschlandliedes singen. Das öffentliche Mai-Singen war daher eingestellt worden. Obwohl die Unterstützung vergebens war, wurde Ahlhaus, der die Verbindung in der Zeit einige Male besucht hatte, fortan als "Conkneipant" - eine Art Gastmitglied - geführt. Nach Abendblatt-Informationen hat er seinerzeit für den Erhalt des historischen Hauses, in dem die Ghibellinia sitzt, auch eine kleinere Summe gespendet.
Für die Hamburger SPD ein Unding. "Die Hamburger möchten mit Sicherheit keinen Bürgermeister, der mit einer schlagenden Verbindung im Zusammenhang steht. Das passt nicht zur weltoffenen, liberalen und toleranten Tradition unserer Stadt", sagte Parteivize Andreas Dressel. Auch Christiane Schneider (Linkspartei) forderte von Ahlhaus "eine eindeutige Distanzierung von dem Treiben und dem rechten Gedankengut der Turnerschaft".
Die Ghibellinia wollte dem Abendblatt keine Stellungnahme geben. Der Vorsitzende Jonas Bördner (interne Bezeichnung: "der X") legte mit der Anmerkung, er wolle sich nicht äußern, den Telefonhörer auf. Auskunftsfreudiger war der Dachverband Coburger Convent (CC), dem die Ghibellinen angehören. Auf Veranstaltungen des Coburger Convents werde das Deutschlandlied nicht mit allen drei Strophen gesungen, so CC-Sprecher Rüdiger Gerald Franz. Es könne aber sein, "dass das in einzelnen Mitgliedsbünden anders ist". In dieser Hinsicht pflege man das Toleranzprinzip. Schließlich sei das Singen der ersten Strophe strafrechtlich nicht relevant. Dennoch wehrt sich der CC entschieden dagegen, in die rechte Ecke gestellt zu werden. "Nicht alles, was man nicht versteht und unterstützt, ist ja gleich Teufelswerk", sagt Franz.
Angela Patsch von den Coburger Grünen erinnert sich allerdings noch daran, wie beim Pfingstconvent, einem großen jährlichen Treffen der Mitgliedsbünde aus Deutschland und Österreich, vor fünf, sechs Jahren ein Redner das Dritte Reich verherrlicht habe. "Dieser Fackelzug durch Coburg ist schon eine Schauerveranstaltung", sagt Patsch. Auch ihr Kollege, Kreisvorstandssprecher Roman Kollar, berichtet von einzelnen Verbindungsmitgliedern, die rechtsradikal auffielen.
Wolfgang Erichson (Grüne), als Bürgermeister ein Stellvertreter des Oberbürgermeisters von Heidelberg, wehrte vergangenes Jahr eine erneute Anfrage, die Tradition des Mai-Singens wieder zu beleben, ab. "Ich konnte die Personen überzeugen, dass das Wiederbeleben nur den üblichen Ärger hervorrufen würde." Abgesehen davon halte er selbst von schlagenden Verbindungen gar nichts, er habe "etwas gegen klassische Männerbünde, die nur trinken und fechten", so Erichson.
Noch deutlicher äußert sich der Heidelberger Juso-Vorsitzende Moritz Gentsch: "Die Turnerschaften im CC sind erzreaktionär, chauvinistisch und schwerstens zu verurteilen", sagt er. Allein das Frauenbild, das ein "Heimchen am Herd" propagiere, sei nicht zu akzeptieren. Zudem sei die Turnerschaft Ghibellinia Mitglied im Heidelberger Waffenring, der eine militärische Tradition pflege. Wer sich dafür einsetze, so Gentsch, äußere damit ein passives Einverständnis mit deren Werten.
Die spannende Frage ist nun, ob die Hamburger Grünen das ähnlich sehen. Oder ob ihnen der Koalitionsvertrag von CDU und GAL, zu dem Ahlhaus sich vorbehaltlos bekannt hat, wichtiger ist als die Vergangenheit des künftigen Bürgermeisters.