Harburg. Fischtreppe zwischen Seevekanal und Binnenhafen soll Meerforellen barrierefreies Reisen ermöglichen. Wer die Kosten dafür trägt.
Auf dem ersten Blick ist am Karnapp-Wehr, an der Schnittstelle zwischen Seevekanal und den Gewässern des Harburger Binnenhafens, nur ein klobiger Betonbau zu sehen. Doch in ihm steckt jede Menge Ökologie: Neben dem Wehr erstreckt sich auf engstem Raum eine neue Fischtreppe nach modernem Standard. Über 15 Aufstiegsbecken können nun sogar größere Fische wie Meerforellen die etwa 1,5 Meter große Höhendifferenz vom Östlichen Bahnhofskanal zum Seevekanal überwinden.
Im 16. Jahrhundert zur Versorgung von Wassermühlen angelegt und später als Kühlwasserlieferant des Phoenix-Werks genutzt, ist der Seevekanal heute nur noch ein Verbindungskanal von Elbe und Seeve. Das macht ihn ökologisch interessant. Nach EU-Recht müssen alle Fließgewässer für Fische durchgängig sein, damit sie ihre Brutgebiete in der Oberläufen erreichen können. Ein Weg zu den naturnahen Lebensräumen der Seeve führt durch die Harburger Hafenschleuse, den Binnenhafen und den Seevekanal.
Naturschutz Hamburg: Alte Fischtreppe am Hafenrand musste dringend ersetzt werden
Wenn sich an der Süderelbe das Schleusentor öffnet, können Fische, die in der Seeve aufwuchsen, ihren Heimatfluss wahrnehmen. Sie schwimmen ihm entgegen und landen zunächst im Harburger Binnenhafen. Dort finden sie den Östlichen Bahnhofskanal der „nach Seeve riecht“. Doch am Ende des Kanals, am Karnapp-Wehr, wartete bis vor einem Jahr eine sportliche Aufgabe, die nicht alle Fische bewältigten: Der alte, 2010 gebaute „Borstenfischpass“ war in die Jahre gekommen und half den Tieren kaum noch, gegen die Strömung anzukommen.
Dennoch fanden sich 2019 bei einer von der Umweltbehörde beauftragten Erhebung im Seevekanal 18 Fischarten. „Hauptsächlich Flussbarsch, Rotauge, Gründling, Bachforellen, Bachneunaugen, Aal, Meerforelle und die Wanderform des dreistachligen Stichlings“, so die Behörde. Besonders freuten sich die Biologen über den Stichling und das Flussneunauge, die erstmals nach Eröffnung des Borstenpasses nachgewiesen wurden.
1,76 Millionen Euro für Meerforellen und Co.
Die Artenvielfalt zeigte den Experten, dass der Seevekanal durchaus einen großen ökologischen Wert hat. Um ihn weiter zu steigern, griff die Umweltbehörde tief in die Tasche: Für 1,76 Millionen Euro entstand ein „Schlitzpass mit 15 Aufstiegsbecken und einem Ruhebecken sowie einer Lockströmung“, so die fachliche Bezeichnung des Betongebildes am Übergang der Straßen Karnapp und Seevestraße.
Als „Bemessungsfisch“ für die neue Anlage diente die Meerforelle. Erwachsene Tiere werden meist 70 bis 80 Zentimeter groß, können aber auch einen Meter erreichen. Auch sie sollten am Karnapp-Wehr eine Aufstiegschance erhalten. Entsprechend groß mussten die Becken dimensioniert werden. Die V-förmige Treppe passt gerade eben in das vorhandene Wehrumfeld hinein.
Harburger Transitstrecke zur Seeve wird weiter ertüchtigt
Die Fische können die Höhe langsam über mehrere Stufen überwinden. Die Becken sind durch Schlitze, die bodentief verlaufen, verbunden. Diese Schlitze sind so angeordnet, dass eine Leitströmung entsteht, an der sich die Fische bei der Wanderung orientieren können. Gleichzeitig bieten die einzelnen, mit Kieseln bestückten Becken strömungsärmere Bereiche als Ruhezonen für weniger schwimmstarke Fische an.
Was sonst noch am Seevekanal geschieht
- Brooklyn an der Elbe: Was in die Fabrikhallen im Harburger Binnenhafen kommt
- Harburg: Wandbild am Seeveplatz im zweiten Anlauf fertiggestellt
- Das Phoenix-Center hat jetzt eine Bienen-Tankstelle
Noch ist die Anlage nicht ganz fertiggestellt. Es fehlen noch einige Gitterroste, und ein Bereich zur Straße hin muss noch gepflastert werden. Das wird voraussichtlich Anfang des neuen Jahres geschehen. Und auch danach wird weiter an der Fischfreundlichkeit der Harburger Transitstrecke zur Seeve gearbeitet.
Der Östliche Bahnhofskanal ist eines von drei Harburger Gewässern, die im Naturschutzprogramm „Hamburg, deine Flussnatur“ aufgewertet werden sollen (die anderen sind der Westliche Bahnhofskanal und die Engelbek). Durchgeführt wird es von der Stiftung Lebensraum Elbe. Im Sommer 2023 ließ sie die Gewässer zur Bestandsaufnahme und Planung genauer untersuchen.
Harburger Bahnhofskanäle sollen bis 2025 naturfreundlicher werden
Im kommenden Jahr bis 2025 sollen Maßnahmen ergriffen werden, um die Gewässer naturnäher zu machen. Ein besonderer Fokus liege auf den Übergangsbereichen zwischen Wasser und Land, sagt Karsten Borggräfe von der Stiftung Lebensraum Elbe. Der ist naturgemäß in Hafenbecken und Kanälen durch Kaimauern geprägt. Also nicht vorhanden.
„In einem urbanen Gebiet wie dem Binnenhafen können wir keine Auen anlegen. Also müssen wir schauen, was sie ersetzen kann“, sagt Borggräfe. Als Beispiele nennt er senkrechte Mauerwände als Ruhezonen für Fische oder schwimmende grüne Inseln. Wichtig seien Strukturen, an denen Libellen aus dem Wasser steigen können. Eine andere Tiergruppe fühlt sich schon jetzt sehr wohl: Am Östlichen Bahnhofskanal gibt es viele Fledermäuse, die offenbar Speicher- und Fabrikgebäude nutzen..