Harburg. Denkmal im Harburger Hafen ist eine Perle der Industriegeschichte – hat aber stark an Glanz verloren. Was hier früher vor sich ging.

  • Der Harburger Binnenhafen ist ein faszinierender Ort für Menschen, die sich für Industriegeschichte interessieren
  • Die Gebäude aus dieser Zeit haben mancherorts den Sprung in die Neuzeit geschafft
  • Andere wiederum sind in einen Dornröschenschlaf gefallen und erinnern so an längst vergangene Zeiten

Wer in Harburg über die Seehafenbrücke Richtung Häfen fährt, dem fällt ein roter Backsteinklotz ins Auge. Das offenbar heruntergekommene Gebäude am Ziegelwiesenkanal gehört zu den historischen Bauten, die Harburgs Industriegeschichte erzählen. Im westlichen Teil des Harburger Binnenhafens ist dies vor allem die Pflanzenölverarbeitung. Wie im gesamten Binnenhafen gab es hier einen starken Strukturwandel. Das Gebäude gehört zu den Verlierern des Wandels.

Alter Silo im Harburger Binnenhafen: Wo aus Samen Speiseöl wurden

Erbaut zwischen 1935 und 1939, diente der Backsteinbau als Speicher namens Silo I. In seinem Inneren stehen große Betonröhren, ähnlich wie man sie vom umgebauten Silo des Pflanzenöl-Verarbeiters Thörl am Schellerdamm kennt. Auch er ist längst Geschichte, wurde aber zu neuem Leben erweckt und 2001 bis 2003 zu einem modernen Bürohaus umgebaut. Silo I am Ziegelwiesenkanal ist dagegen in einen Dornröschenschlaf gefallen.

Die ehemaligen HOBUM-Gebäude am Ziegelwiesenkanal. Hinten der Silo, dann die Lagerhallen. Im vorderen Gebäude füllt heute noch das belgische Unternehmen Vandemoortele Frittierfett ab.
Die ehemaligen HOBUM-Gebäude am Ziegelwiesenkanal. Hinten der Silo, dann die Lagerhallen. Im vorderen Gebäude füllt heute noch das belgische Unternehmen Vandemoortele Frittierfett ab. © Angelika Hillmer | Angelika Hillmer

Das war nicht immer so. Das Gebäude und die angrenzenden Hallen am westlichsten Kanal des Binnenhafens waren einst Teil der Harburger Oelwerke Brinckmann & Mergell, kurz HOBUM. Nach der Unternehmensgründung 1896 wuchs allmählich ein Fabrikkomplex heran, in dem aus Ölsamen und -früchten Speiseöle und -fette hergestellt wurden. Sogar Walöl wurde hier verarbeitet.

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Im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt, wurden die Fabrikgebäude am Ziegelwiesenkanal wieder aufgebaut. „Mein Vater setzte auf Soja als Rohstoff, in dem Silo lagerten ausschließlich Sojabohnen“, sagt Arnold G. Mergell, der in vierter Generation Pflanzenöl in Harburg verarbeitet, jedoch nicht in der Größenordnung der einstigen Pflanzenöl-Raffinierie HOBUM. „Ich bin als Kind durch den Silo gelaufen“, sagt der 54-Jährige. „Den Soja-Geruch empfand ich als angenehm.“

In der Halle herrschte emsiges Treiben, erinnert sich Mergell

Die Lage am Ziegelwiesenkanal wurde zunehmend problematisch: „Die großen Soja-Schiffe konnten nicht in den Binnenhafen einfahren“, sagt Mergell. „Die Fracht musste auf Leichter umgeladen werden, mit Ladungen von 50 oder 100 Tonnen.

Blick auf den Backsteinklotz im Binnenhafen: Die besten Tage des einstigens Silos sind lange vorüber.
Blick auf den Backsteinklotz im Binnenhafen: Die besten Tage des einstigens Silos sind lange vorüber. © Angelika Hillmer | Angelika Hillmer

Das war Anfang der 1980er Jahre nicht mehr konkurrenzfähig.“ 1985 zog sein Vater die Reißleine und schloss die Extraktion (Ölmühle). Nun veredelte HOBUM importiertes Palmöl. Es wurde im 1. Seehafen gelöscht und per Pipeline ins Werk transportiert.

Das Silo-Gebäude war funktionslos geworden. Nicht jedoch seine Nachbargebäude am Ziegelwiesenkanal. Die freitragenden Stahlhallen wurden Anfang der 1940er-Jahre gebaut und überstanden das Bombardement im Zweiten Weltkrieg im Wesentlichen. „Dort befand sich seit der Nachkriegszeit der Bereich L+T, Lagerung und Transport“, sagt Mergell. „Hier wurde abgefüllt, meist in Fässern, aber auch in Fünf-Liter-Kanister. In der Halle herrschte emsiges Treiben“, erinnert sich Mergell an das väterliche Unternehmen.

Nur ein Tochterunternehmen blieb in Familienhand – und damit in Harburg

Doch auch dieses war zu klein, um mit den großindustriellen Pflanzenölverarbeitern mithalten zu können. 1990 wurde HOBUM an das belgische Familienunternehmen Vandemoortele verkauft. Nur ein Tochterunternehmen, das Spezialprodukte herstellt, die HOBUM Oleochemicals, blieb in Familienhand. Es wird von Arnold G. Mergell und seinem Bruder John-Philip Mergell geführt und hat seinen Sitz an der Konsul-Ritter-Straße, am nördlichen Ende des Ziegelwiesenkanals.

HOBUM Oleochemicals: Arnold G. Mergell steht im Bereich, wo der Dampf Richtung Produktion verteilt wird.
HOBUM Oleochemicals: Arnold G. Mergell steht im Bereich, wo der Dampf Richtung Produktion verteilt wird. © Hillmer/HA | Angelika Hillmer

1998 verkaufte Vandemoortele die Raffinerie – und mit ihr die alten Backsteingebäude – an das US-Unternehmen Cargill. Zur Frage nach dem Silo I. antwortete Cargill kurz und knapp: „Die Silos im Gebäude wurden früher für die Lagerung und den Umschlag von Sojabohnen, Raps und Getreide genutzt. Das Silo ist jedoch seit 1996 nicht mehr in Betrieb, und die Lagerung und Verarbeitung von Ölsaaten nicht mehr Teil des Geschäftsprofils im Werk Hamburg-Harburg.“

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Richtig Betrieb herrscht dagegen weiterhin in der nördlichsten Halle der Gebäudereihe am Ziegelwiesenkanal. Sie gehört noch Vandemoortele. Hier werden vollautomatisiert Frittierfette abgefüllt, in 20-Kilo-Boxen für Imbisse. Unter der Marke HOBUM Likrema. Mergell: „Als ich neulich mit meiner HOBUM-Jacke bei einem Imbiss war, sprach mich ein Verkäufer an: ‚Ihr macht die besten Fette!‘ Ich sagte, dass wir das nicht sind, habe mich aber über das Kompliment gefreut.“