Harburg. Das Traditionsunternehmen ist noch heute im Stadtbild präsent. Vortrag zur Firmengeschichte im Helms-Museum.

Das weiße, leicht gebogene Verwaltungsgebäude an der Harburger Schloßstraße, der dahinter liegende Palmspeicher und der umgebaute Silo am Schellerdamm 16 sind die imposantesten Überbleibsel eines der bedeutendsten Harburger Traditionsunternehmen: „F. Thörl’s Vereinigte Harburger Oelfabriken Aktiengesellschaft“. Von 1883 bis 1985 wurden an insgesamt drei Standorten an der Harburger Waterkant aus Ölfrüchten, Fisch- und Walöl Ausgangsstoffe vor allem für die Margarine- und Waschmittelproduktion hergestellt. Die Historikerin Angelika Hillmer (nicht zu verwechseln mit der Autorin) hat anhand zahlreicher Befragungen von ehemaligen Mitarbeitern, den „Thörlianern“, die Geschichte des Unternehmens nachgezeichnet und hält darüber am 27. April einen Vortrag im Theatersaal des Helms-Museums.

Das Zitat eines Thörlianers, das zum Titel des Vortrags wurde, verrät die enge Bindung der Belegschaft zu ihrem Arbeitgeber: „Thörl? Also, es war schon in Ordnung, bei so einer Firma arbeiten zu dürfen!“ Tatsächlich sei das Unternehmen für seine guten Sozialstandards bekannt gewesen, sagt Hillmer: „Vor dem zweiten Weltkrieg haben 1500 Leute bei Thörl gearbeitet, oft über Generationen hinweg. Die Kinder wurden im Unternehmen untergebracht, das Werkswohnungen bauen ließ und 14 Gehälter zahlte – das tat damals kein anderes Harburger Werk.“

Harburg war einst dasÖhlmühlenzentrum Deutschlands

Vor dem Zweiten Weltkrieg war Harburg das Ölmühlenzentrum Deutschlands. Rund die Hälfte aller einheimischen und importierten Ölsaaten des Landes wurde hier verarbeitet. Auf diese Zeit geht auch das heutige Unternehmen HOBUM Oleoche­micals zurück. Als einstige Tochtergesellschaft der 1896 gegründeten „Hamburger Ölwerke Brinkman und Mergell“ (HOBUM) sollte das Unternehmen neue Absatzwege für Pflanzenöle und -fettsäuren im technischen Sektor erschließen und produziert heute „sehr spezielle Grund- und Hilfsstoffe für die chemische Indus­trie“, wie es auf der Firmen-Webseite heißt. Und auch die Firma Cargill und das Werk Noblee & Thörl der ADM Hamburg AG sind Nachfolger der Ölmühlen-Ära.

Arbeiter an der Extraktion im Werk Seehafen, wo Öl aus Pressgut gewonnen wurde
Arbeiter an der Extraktion im Werk Seehafen, wo Öl aus Pressgut gewonnen wurde © Werkszeitung "Thoerls Oelpresse" | Werkszeitung "Thoerls Oelpresse"

Der Thörl, der mit Noblee zusammenging, gehört nicht zum Firmen­ensemble von Friedrich Thörl. Dieser machte um die Jahrhundertwende aus der „Harburger Ölfabrik“ seines Vaters Johann Friedrich durch mehrere Zukäufe die Vereinigten Ölfabriken. Sie hatten drei Standorte, zwei davon im Binnenhafen: An der Schloßstraße 5-16 wurde Lein- und Palmkernöl gepresst und aufbereitet. Auf der Zitadelle/Schlossinsel wurde Palmkern- und Sojaöl produziert und mithilfe von Benzin weiteres Öl aus den Pressrückständen gewonnen. Im Seehafen, am Lauenbrucher Deich, stand das Kokosöl im Vordergrund.

Mitte der 1950er-Jahre stand die Klappbrücke zum westlichen Bahnhofskanal oft offen, weil Thörll beliefert wurde
Mitte der 1950er-Jahre stand die Klappbrücke zum westlichen Bahnhofskanal oft offen, weil Thörll beliefert wurde © Werkszeitung "Thoerls Oelpresse" | Werkszeitung "Thoerls Oelpresse"

Ein Blick im Jahr 1951 auf das Werk Citadelle. Unten das Harburger Schloss mit seinen Flügeln
Ein Blick im Jahr 1951 auf das Werk Citadelle. Unten das Harburger Schloss mit seinen Flügeln © Werkszeitung "Thoerls Oelpresse" | Werkszeitung "Thoerls Oelpresse"

1922 kaufte der holländische Margarine-Produzent Van den Bergh einen Großteil der Thörl-Aktien. Wenige Jahre später wurde das Harburger Unternehmen Teil der Margarine-Union, aus dem Unilever hervorging. 1932 bestand die Unilever-Gruppe aus 100 Firmen. Viele von ihnen, auch Thörl, konnten recht eigenständig arbeiten. Wie auch schon im Ersten kam die Produktion im Zweiten Weltkrieg zum Erliegen. Es fehlten die Rohstoffe aus tropischen Ländern, später vernichtete der Bombenhagel Großteile der Harburger Pflanzenölproduktion.

In der Nachkriegszeit ging es wieder bergauf. In den 1950er-Jahren arbeiteten rund 1000 Menschen bei Thörl, etwa 800 Arbeiter und 200 Angestellte in der Verwaltung. 1958 wurde die Produktion komplett in den Seehafen verlagert. Die aufkommenden Massengutfrachter, die die Rohstoffe lieferten, passten nicht mehr in den Binnenhafen und den Westlichen Bahnhofskanal. Der wurde damals auch „Thörl-Kanal“ genannt, obwohl dort auch andere Firmen residierten. Rohstoffe und Produkte wurden nicht mehr in Säcken oder Fässern, sondern lose transportiert. Sie wurden in Schiffe oder Tankwagen gepumpt. Damit entfiel ein Großteil der körperlichen Arbeit. Anfang der 1980er-Jahre arbeiteten nur noch rund 500 Menschen für Thörl. Gleichzeitig war die Produktion des Unternehmens vierfach höher als in den 1960er-Jahren.

1984 wurden die F. Thörls Vereinigte Harburger Oelfabriken Aktiengesellschaft an den US-Konzern ADM verkauft. Er stieß den Betrieb ein Jahr später ab, und die Ölmühlen kamen endgültig zum Stillstand.

Angelika Hillmer sieht das Schicksal des Unternehmens und seiner einstigen Firmengebäude auch als Ausdruck des Wandels im Harburger Binnenhafen. Das 1920 eingeweihte Verwaltungsgebäude an der Schloßstraße wurde 1978 zur Keimzelle der Technischen Universität, die dort 1980 ihren Betrieb aufnahm. Im Palmspeicher nutzt das Achterbahn-Restaurant Schwerelos alle drei Dimensionen des Gebäudes. Und im Erdgeschoss des umgebauten Silos am Schellerdamm 16 wird noch heute mit Fetten gearbeitet – allerdings auf dem Niveau der gehobenen Gastronomie.

Vortrag und Film zur Traditionsfirma F. Thörl: Mittwoch, 27. April, 18 Uhr, Stadtmuseum Harburg/Helms-Museum, Museumsplatz 2, Eintritt 4 Euro (erm. 3 Euro), Anmeldung unter 040/428 71 24 97