Harburg. Wenn es nachts nicht genug abkühlt, leiden die Menschen. Überraschende Ergebnisse für den Bezirk – und wie die Stadtplaner reagieren.

Kühle Nächte verschaffen hitzegeplagten Städtern nach heißen Tagen Entspannung. Doch in einigen Harburger Quartieren leiden die Menschen auch nachts, weil sich ihre Umgebung weniger stark abkühlt als anderswo. Solche Wärmeinseln sind eine Herausforderung für die Stadtplanung. Sie finden sich vor allem in stark versiegelten Gebieten wie der Harburger Innenstadt. Aber auch der Binnenhafen kühlt nachts schwer ab, wie eine neue Untersuchung deutlich zeigt.

Auf Karten der Hamburger „Stadtklimaanalyse 2023“ ist gut zu erkennen, dass stark versiegelte Gewerbegebiete am Großmoorbogen oder in Bostelbek, die Harburger City, die Seehäfen und der Binnenhafen frühmorgens um vier Uhr rund fünf Grad wärmer sind als Wohngebiete in Eißendorf, Marmstorf oder Neugraben.

Klimawandel in Harburg: Ausgerechnet am Wasser wird‘s heiß

Die Karte zum Hitzestress in der Stadt wurde aus neueren Klimadaten und -prognosen errechnet. „Sie ist mit einem Raster von zehn mal zehn Meter sehr gut aufgelöst und gibt uns wichtige Hinweise, etwa um Bebauungsplanverfahren zu steuern“, sagt Heiko Stolzenburg, Leiter des Harburger Fachamts für Stadt- und Landschaftsplanung.

Diese Karte zeigt, wo der Harburger Kernbereich in Hitzeperioden frühmorgens um vier Uhr am wärmsten ist (rot, rosa). Die blauen Pfeile zeigen Kaltluftströme an.
Diese Karte zeigt, wo der Harburger Kernbereich in Hitzeperioden frühmorgens um vier Uhr am wärmsten ist (rot, rosa). Die blauen Pfeile zeigen Kaltluftströme an.

Gerade der Harburger Binnenhafen befindet sich noch in der Entwicklung, in die nun mehr und mehr Aspekte der Klimaanpassung einfließen werden, so Stolzenburg. Aber was macht den Hafen so warm? „Es sind vor allem die Wasserflächen“, sagt Stephan Rutschewski, Leiter der Abteilung Klima und Energie im Harburger Bezirksamt.

Mehr Bäume wären gut, allein: Es fehlt an Geld für die Pflege

„Wasser ist ein guter Wärmespeicher. Es nimmt Wärme langsamer auf als zum Beispiel Beton, gibt sie aber auch langsamer wieder ab. Das macht sich in der Nacht und in den Morgenstunden bemerkbar.“

Hinzu kommen große Baukörper, die tagsüber Wärme speichern und nachts abgeben. Und die Tatsache, dass die Landflächen im Binnenhafen stark versiegelt sind. Hier wie auch bei anderen Harburger Wärmeinseln wollen die Stadtplaner auf die voraussichtlich zunehmende Belastung der Einwohner reagieren.

Heiko Stolzenburg (l.), Leiter der Stadt- und Landschaftsplanung im Bezirksamt Harburg, und Stephan Rutschewski, Leiter der Abteilung Klima und Energie.
Heiko Stolzenburg (l.), Leiter der Stadt- und Landschaftsplanung im Bezirksamt Harburg, und Stephan Rutschewski, Leiter der Abteilung Klima und Energie. © Angelika Hillmer | Angelika Hillmer

Eine der wichtigsten Antworten auf Hitzestress in bewohnten Gebieten ist mehr Grün. Bäume werfen Schatten und verdunsten Wasser – Wälder sind an Hitzetagen vergleichsweise kühle Oasen. Diese Funktion können auch (große) Straßenbäume, zusätzliche Grünflächen und Parks übernehmen. Begrünte Fassaden und Dächer wirken ebenfalls ausgleichend.

In der Stadtplanung sollte der Klimaaspekt stärker berücksichtigt werden, so Rutschewski: „Der Menschenverstand sagt, dass wir die Erwärmung zum Topthema machen müssen, aber die Rechtslage sieht das noch nicht vor.“ Er nennt zudem ein Problem bei der Finanzierung: : „Wir können zwar mehr Bäume pflanzen, aber wir brauchen auch Konzepte, um diese zu bewässern. In Hitzeperioden kommen die Kollegen aktuell mit dem Wässern kaum hinterher.“

Wohnungsbau verdichtet zusätzlich – Stadtgrün schafft Entlastung

Heiko Stolzenburg betont, dass es neben dem Schutz der Einwohner vor Hitzestress weitere wichtige Anliegen gibt, die bei der Stadtentwicklung miteinander abgewogen werden müssen. Etwa die Mobilitätswende, die Versorgung des Bezirks mit Gewerbeflächen und natürlich der Wohnungsbau.

Große Bäume beschatten den Straßenraum (hier: Großer Schippsee) und kühlen durch Verdunstung die Luft.
Große Bäume beschatten den Straßenraum (hier: Großer Schippsee) und kühlen durch Verdunstung die Luft. © Angelika Hillmer | Angelika Hillmer

Stolzenburg: „Beim Wohnungsbau können wir, mit wenigen Ausnahmen, nur noch nachverdichten, weil neue Bauflächen fehlen. Wenn wir jedoch im Bestand verdichten, brauchen wir kluge Konzepte, um unsere Ziele für mehr Grün in der Stadt und Entsiegelung hitzespeichernder Flächen ebenfalls gerecht werden zu können.“ Dennoch werde kein Weg darum herumführen, anders zu bauen und bei jedem Bauantrag einen Klimacheck durchzuführen.

Auch über Größe und Anordnung von Gebäuden nachdenken

Zum Umdenkprozess gehört, auf Kaltluftschneisen zu achten. So strömt in Harburg aus dem Göhlbachtal, vom Schwarzenberg und aus den Harburger Bergen kühlende Luft in die Wohngebiete. „Wir dürfen solche Frischluftschneisen nicht verbauen“, sagt Rutschewski. „Im Binnenhafen könnte das eine große Rolle spielen. Um das genauer abschätzen zu können, müssen wir laufende Untersuchungen abwarten.“

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Ebenfalls noch zu untersuchen ist die Frage, ob die von Stadtplanern häufig bevorzugte Blockrandbebauung den Luftaustausch nicht zu sehr hemmt. Gemeint sind Häuserreihen entlang von Straßenzügen, die als abgeschlossener Block ruhige Innenhöfe schaffen. Das hilft beim Lärmschutz.

Doch: Wo Schallwellen nicht hinkommen, bleibt womöglich auch die Belüftung aus. „Das lässt sich generell nicht sagen“, erwidert Stolzenburg. Bei einer Simulation für das Modellprojekt Schippsee-Quartier habe sich gezeigt, dass die Öffnung eines Häuserblocks wenig Effekt hatte.

Für den Binnenhafen wird gerade ein Energiekonzept erstellt

So könnte ein Entwicklungsszenario der Straße Großer Schippsee aussehen: ein kleiner Park hinter dem ehemaligen Karstadt-Gebäude.
So könnte ein Entwicklungsszenario der Straße Großer Schippsee aussehen: ein kleiner Park hinter dem ehemaligen Karstadt-Gebäude. © MÄCKLER ARCHITEKTEN | Stephan Schaefer

Es sei von Fall zu Fall zu entscheidend, wie sich durch Gebäudeformate Verbesserungen erzielen lassen, sagt Stolzenburg. Auch die Anzahl der Geschosse spiele eine Rolle.

Denkbar sei zum Beispiel, dass höhere Gebäude ihre Nachbarschaft beschatten. Für den Binnenhafen werde gerade ein Energiekonzept erstellt, ergänzt Rutschewski. „Das Konzept soll Potenziale für eine klimaschonende Wärmeversorgung aufzeigen. Dabei können auch Potenziale zur Bereitstellung von Kälte untersucht werden.“

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Helle Fassaden, Gehwege und Straßen reflektieren mehr Sonnenwärme und heizen sich dadurch weniger auf. Sonnensegel können, zum Beispiel auf Spielplätzen und Plätzen mit geringem Baumbestand, Schatten werfen.

Manche gestalterischen Maßnahmen lassen sich in der Bauleitplanung festlegen, so Stolzenburg. Das betrifft jedoch vor allem Neubauprojekte. Was das Management des öffentlichen Raumes angeht, verweist er auf die Kollegen der zuständigen Bezirksamts-Abteilung MR.

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Die Umweltbehörde arbeite gerade an einem Förderprogramm zur Flächenentsiegelung, sagt der Harburger Stadtplaner. Projekte, bei denen Parkplätze in Grünflächen umgewandelt werden, stoßen allerdings nicht selten auf den Widerstand der Anwohner. Hier zählt offensichtlich der alltägliche Komfort stärker als vorsorgende Maßnahmen gegen Hitzestress.

Ein weiteres Projekt der Stadt sind die „Zukunftsstraßen“. Hier sollen ganze Straßenzüge umgestaltet werden, damit sie „klimaresilient“, also unempfindlicher gegen Klimafolgen, werden. Dazu gehören Maßnahmen zum Umgang mit Starkregen sowie mit sommerlicher Trockenheit und Hitze. Stolzenburg: „Es geht darum, mehr Bäume zu pflanzen und Flächen zu entsiegeln. Die Straßen werden in Stadtteilen mit hoher baulicher Dichte liegen. Wir wollen in Harburg fünf, sechs Straßen umgestalten. Noch sind wir dabei, sie auszuwählen.“