Harburg. Harburger Binnenhafen bekommt attraktives Portal zum Bahnhof: Freudenberger-Areal wird urbanes Viertel mit Gewerbe und Freizeitflächen.
Grünes Licht für die Verknüpfung des Harburger Bahnhofs mit dem Binnenhafen: Nachdem die Stadt das ehemalige Fabrikareal der Harburg-Freudenberger Maschinenbau GmbH (HF Group) per Vorkaufsrecht erworben hat (wir berichteten), steht der bereits angedachten Entwicklung der 57.000 Quadratmeter großen Fläche zwischen Seevestraße und der Bahntrasse/B73 nichts mehr im Weg. Hier und auch auf der anderen Seite der Seevestraße soll eine bunte Mischung aus Gewerbe sowie Dienstleistungs- und Freizeitangeboten entstehen. Und die Straße selbst bekommt einen neuen Verlauf.
Bereits im Januar 2021 wurde die Strategie vorgestellt, den Bahnhof mit dem sich entwickelnden Harburger Binnenhafen attraktiv zu verknüpfen. Damals hatte das Frankfurter Planungsbüro Raumwerk ein Konzept für den „Rahmenplan Innenstadt Harburg 2040“ vorgelegt. Danach soll auf dem gerade frei gewordenen Freudenberger-Areal und weiter nördlich davon ein neues Viertel entstehen, das Quartier Seevekanal. Wegen der Nähe zum Schienenverkehr und zu den beiden pulsierenden Verkehrsadern Hannoversche und Buxtehuder Straße sahen die Planer weiterhin vornehmlich Gewerbe vor.
Harburger Hafen soll vom Seevekanalquartier ergänzt werden
„Die Fläche eignet sich, um ein urbanes Stadtquartier unter anderem mit Gewerbe, Dienstleistungsangeboten und Freizeitnutzungen zu entwickeln, das einerseits an das Forschungs- und Innovationsquartier Binnenhafen anknüpft und andererseits von der guten Erreichbarkeit und Innenstadtrandlage profitiert“, kommentierte Harburgs Bezirksamtsleiterin Sophie Fredenhagen am vergangenen Donnerstag den Erwerb des Areals seitens der Stadt. Gleichzeitig werde die Fläche vom Seevekanal durchflossen, der ihr eine grüne Mitte verleihe. Klassisches Wohnen spiele aufgrund der Immissionslage nach aktuellem Kenntnisstand keine Rolle, sagt auch das Bezirksamt. „Gegebenenfalls wären besondere Wohnformen möglich, dies wäre im weiteren Verfahren zu prüfen.“
„Das Seevekanalquartier übernimmt eine wichtige Scharnierfunktion zwischen Binnenhafen und Bahnhof“, hieß es schon 2021. Der Rahmenplan verfolgt zwei Ansätze: „Die grüne Einbettung des Seevekanals mit einer Gewässeraufweitung“ sowie einen sanft ansteigenden, für Rollstuhlfahrer nutzbaren Weg, der in einen Eingangsplatz an der Bahnbrücke der Hannoversche Straße mündet. Fredenhagen spricht aktuell von einer „attraktiven und barrierefreien Fuß- und Fahrradverbindung zwischen dem Bahnhofsareal und dem Binnenhafen“.
Verschobene Seevestraße bringt zusätzlichen Platz zur Entwicklung des Areals
Um dem neuen Stadtquartier mehr Raum zu geben, soll die Seevestraße ein Stück nach Norden verlegt werden. Vom Bahnhof/B73 kommend, wird sie zukünftig später von der Hannoverschen Straße nach links abbiegen. „Aus stadtentwicklungspolitischer Sicht bringt das den Vorteil, dass der Zuschnitt der Flächen östlich des Seevekanals für eine zukünftige Nutzung vergrößert und damit für verschiedene Entwicklungsszenarien mehr Optionen bieten kann“, so das Bezirksamt. „Verkehrsplanerisch bietet die neue Straßenführung die Möglichkeit, die Entwicklungsflächen im Umfeld des Freudenberger-Areals sinnvoll zu erschließen.“
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Parallel zur Erarbeitung des Rahmenplans startete die Stadtentwicklungsbehörde 2020 eine sogenannte Vorbereitende Untersuchung (VU) zu einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (SEM) für den gesamten östlichen Binnenhafen und zusätzlich für einen Innenstadtbereich westlich der Straße Großer Schippsee. Eine SEM ist das schärfste Schwert, das das Baurecht den Stadtplanern in die Hand gibt. Sie können unter Einhaltung einiger Formalien in einem für die Entwicklung wichtigen Gebiet im Rahmen einer SEM mit den Grundeigentümern über die Ziele der Stadt verhandeln. Zum Instrumentarium zählen das Vorkaufsrecht der Stadt und sogar eine potenzielle Enteignung von Flächen.
Mit Julius Koebers Eisenhütte fing die Industriegeschichte an
Das Areal Harburg-Freudenberger liegt in dem Gebiet der VU-Harburg, und die Stadt hat ihr Vorkaufsrecht wahrgenommen. Das Unternehmen hatte das Gelände im September 2020 endgültig verlassen, als es nur einige hundert Meter entfernt seinen neuen Standort an der Schlachthofstraße in Betrieb nahm. Die Unternehmensgeschichte spielt zwischen der Seevestraße und der Bahntrasse: Im Jahr 1855 gründete dort German Julius Koeber „Koeber’s Hütte. Eisengießerei und Hammerwerk“. Die älteste, heute noch erhaltene Fabrikhalle datiert aus dem Jahr 1906.
Eine Ölpresse des Werks gewann bei der Weltausstellung 1908 in Paris die Erfinder-Goldmedaille. 1910 fusionierte man mit der Harburger Eisenwerke AG und der Maschinenfabrik Eddelbüttel zu den Harburger Eisen- und Bronzewerken (HEB) und erweiterte die Produktionsstätte an der Seevestraße. Der Betrieb spezialisierte sich bald auf die Herstellung von Maschinen zur Produktion von Autoreifen. Nach und nach kaufte die Fried. Krupp AG das Werk, das 1943/44 weitgehend im Krieg zerstört wurde.
1947 wurde die Demontage der übrig gebliebenen Fabrikhallen abgewendet – sie stehen heute unter Denkmalschutz. Seit 1959 befand sich das Werk zu 100 Prozent im Eigentum der Fried. Krupp AG. 1988 wurde aus dem Unternehmen die Krupp Kunststofftechnik GmbH. 2005 übernahm die Lübecker Possehl-Gruppe das Unternehmen und gab ihm einen neuen Namen: Wegen eines 1996 von Krupp erworbenen Betriebs im sauerländischen Freudenberg heißt das Unternehmen von nun an Harburg-Freudenberger.
Harburg-Freudenberger: Nachnutzung der Denkmäler noch offen
Die denkmalgeschützten Hallen an der Seevestraße erzählen ein Stück Harburger Industriegeschichte. Was aus ihnen werden wird, ist unklar. Zumal der Verdacht naheliegt, dass Gebäude oder Böden nach einer mehr als 100-jährigen industriellen Nutzung mit Schadstoffen belastet sind – so, wie es einige hundert Meter nördlich beim ehemaligen Fabrikensemble der New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie der Fall ist.
Der Denkmalschutz werde berücksichtigt, versichert das Bezirksamt. Und: „Im Rahmen der VU-Harburg wird die Öffentlichkeit durch die federführende Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen zu den Planungen beteiligt. Im Rahmen der daran anschließenden Planungen (...) wird das Bezirksamt, sofern zuständig, eine Beteiligung der Öffentlichkeit herstellen. Dies ist im formellen Verfahren der Bauleitplanung gesetzlich verankert.“ Einige Ideen für die Nutzung der Hallen, etwa für künstlerische Zwecke wie Ateliers und Werkstätten, wurden vor Jahren schon geäußert.