Harsefeld. „Schwammstadt“: Rundherum steht das Wasser, doch in einer Ökosiedlung bei Stade bleiben die Füße trocken – dank einer Innovation.
Während der Dauerregen in Niedersachsen ganze Ortschaften unter Wasser setzt, trotzt eine kleine Neubausiedlung in der Nähe von Hamburg den Wassermassen: Die „SmartCity“ in Harsefeld hat mit ihrer intelligenten, neuartigen Oberflächenentwässerung den ersten großen Härtetest bestanden.
Campingplatz und Freibad in dem Ort im Landkreis Stade wurden bereits überflutet, die überregional bekannte Eissporthalle konnte nur durch den tatkräftigen Einsatz der Feuerwehr vor der Zerstörung durch die Wassermassen gerettet werden – doch in der Neubausiedlung der Viebrockhaus AG blieb es ruhig. Und im Gegensatz zur Nachbarschaft ist es dort verhältnismäßig trocken. Offenbar funktioniert die „Schwamm-Lösung“ in der „SmartCity“, bei der das Regenwasser wie durch einen Schwamm aufgefangen werden soll. Diese neue Form der Oberflächenentwässerung könnte beispielhaft für ganz Europa sein – besonders in Zeiten zunehmender Extremwetterperioden, wie sie viele Bewohner Niedersachsens gerade erleben.
„SmartCity“ in Harsefeld: Modellprojekt einer nachhaltigen Ökosiedlung
Bei der im vergangenen September eröffneten „SmartCity“ in Harsefeld handelt es sich um das Modellprojekt einer nachhaltigen Ökosiedlung, das aus 18 Einfamilien- und Doppelhäusern besteht. Die Viebrockhaus AG will dort CO2-Neutralität erreichen und hat deshalb alle möglichen Innovationen aus dem klimafreundlichen Bauen mit nachhaltiger Energieerzeugung und -speicherung verbunden. Von recycelten Baustoffen, die umfangreich in Fassade, Fenstern, Wänden oder Carport eingesetzt wurden, bis hin zu begrünten Schrägdächern: In der Siedlung wurde so ziemlich alles ausprobiert, was nachhaltiges und klimaneutrales Bauen heute leisten kann.
Dabei war es für den Massivhaushersteller eine besondere Herausforderung, die Siedlung mit ihren 18 Häusern gegen den zunehmenden Stark- und Dauerregen zu wappnen. Die Experten setzten dabei auf ein neues System, das eigens für die SmartCity entwickelt wurde und verzichteten auf eine „klassische“ Regenwasser-Entwässerungsleitung. Kein Wasser sollte in den Vorfluter – den Harsefelder Rellerbach - laufen.
Exklusive Entwässerung ist auf die Folgen des Klimawandels ausgerichtet
„Diese Art der Entwässerung gehört zu den wichtigsten Innovationen, die wir in der SmartCity entwickelt haben, die auf die Folgen des Klimawandels ausgerichtet ist “, sagt Dirk Viebrock, Vorstand der Viebrockhaus AG. Die Siedlungsoberflächen und der Boden wurden so konzipiert und gebaut, dass auch bei einem Stark- oder Dauerregen kein Wasser die Siedlung verlässt und dabei dennoch die Siedlung uneingeschränkt genutzt werden kann und die Häuser keine Schäden erleiden. „Ein schwieriges Thema, weil der Geestboden in Harsefeld nur eine geringe Wasserdurchlässigkeit hat“, sagt Dr. Bernhard Fischer, einer der zuständigen Entwickler vom Hochwasser-Kompetenzcentrum in Köln.
Vier Maßnahmen seien die Module der Harsefelder Innovation: Da wären die Gründächer der 18 Häuser zu nennen, die das Wasser eines normalen Regens in ihrer Substratschicht zurückhalten und nur langsam versickern lassen. Doch diese Maßnahme reicht bei Starkregen bei weitem nicht aus. Deshalb wurden die Erschließungsstraßen und Wege in der „SmartCity“ mit einem neuartigen System gebaut, das aus einem Schotteraufbau mit einer speziellen dynamischen oberen Schicht besteht. Diese lässt - im Gegensatz zu den herkömmlichen Systemen - das Wasser schneller in eine 30 Zentimeter starke Rückhalteschicht versickern, die das Regenwasser auch eines Starkregens komplett aufnehmen kann.
Damit aber nicht genug: Für den Fall, dass auch diese Speicherschicht voll ist - wie nach dem aktuellen Dauerregen - führt ein Entwässerungsrohr zu einer Zisterne, in der das Regenwasser gesammelt wird und bei Trockenperioden zur Verfügung steht.
In der Harsefelder Modellsiedlung versickert das Wasser langsam und nachhaltig
Wenn die Zisterne auch voll ist, wird das Wasser in eine weitere Rigolenversickerung geleitet, wo es langsam versickern kann und zur Grundwasserneubildung beiträgt. Sind auch diese unter der Geländeoberfläche angeordnete Auffangbecken gefüllt, greift das letzte Modul des Systems: Die Entwässerungsgräben im hinteren Teil der Grundstücke, die sich bei Starkregenereignissen nacheinander füllen und in der geneigten Siedlungsfläche auch stärkste Wassermassen rückhalten und zeitverzögert versickern können, wie sich jetzt gezeigt hat.
Ob die Oberflächenentwässerung in der Praxis funktionierten würde, war bislang unklar
Denn bisher war die „Schwamm-Siedlung“ nur reine Theorie, für die es schon vorab viel Aufmerksamkeit und Lob gegeben hatte. Doch ob die Methode der Oberflächenentwässerung auch in der Praxis funktionieren würde, konnte bisher kein Mensch sicher prognostizieren. „Auch wenn niemand diesen Praxistest mit den Regenmassen der vergangenen Tage so gewollt hat, können wir jetzt feststellen, dass das System funktioniert“, sagt Dirk Viebrock.
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Die Erschließungsstraßen und Wege der SmartCity seien nach dem großen Regen wasserfrei - im Gegensatz zu den wasserumfluteten Häusern in der Nachbarschaft. Auch Hochwasserschutzplaner Fischer ist zufrieden: „Alle Module der Schwamm-Siedlung sind aktiviert, die Rückhaltegräben des Systems sind voll und geben nun langsam die Wassermassen an das Grundwasser ab, so wie wir das geplant haben, um den Folgen des Klimawandels gerecht zu werden“, sagt er.