Harburg. Was sollen bloß die Nachbarn denken? Viele Gartenbesitzer halten ihren Rasen im Sommer knackig kurz. Gut ist das aber nur bedingt.
- In Großbritannien ist er bereits eine feste Institution: Der „No Mow May“
- Die Idee: Gartenbesitzer sollen im Mai – und möglichst auch danach – ihren Rasenmäher im Schuppen lassen
- Denn: Wer seinen Rasen wachsen lässt, schützt Insekten und hat weniger Hitzestress
Viele Rasenflächen im Hamburger Süden waren im Sommer 2023 wahrlich keine Augenweide. Eine wochenlange Dürre im Frühsommer hatte die Grünflächen ausgetrocknet – so konnten sie weder zum Artenschutz noch gegen den zunehmenden Hitzestress in der Stadt einen Beitrag leisten. Dem allerdings hätte man vorbeugen können – indem man sie gar nicht erst gemäht hätte.
Weniger ist mehr: Warum häufiges Rasenmähen nicht gut fürs Klima ist
Blühwiesen statt Englischem Rasen: Das gefällt nicht allen Anwohnern, zeigte 2023 eine Umfrage bei Harburger Wohnungsbauunternehmen. „Wir lassen die Rasenflächen nach wie vor zwölf- bis 14-mal im Jahr mähen“, sagt Constanze Perl, die bei der Wohnungsbaugenossenschaft Süderelbe unter anderem die Grünflächen im Blick hat. „Wir schulden unseren Mitgliedern, dass wir eine ansehnliche Anlage haben“, sagte sie.
Zudem könne die beauftragte Gartenbaufirma den Rasenschnitt als Dünger liegen lassen (mulchen), wenn das Gras nicht zu lang gewachsen sei. Einmal mehr mähen sei ein geringerer Aufwand, als die Mahd wegräumen und entsorgen zu müssen. Auch lauern in hohem Gras eher Zecken, und der herumfliegende Müll bleibe dort eher liegen, so Perl.
Harburg: Kurzes Gras wird durch Blühwiesenflächen ergänzt
Gleichzeitig bewirtschaftet die Süderelbe eG ein Großteil ihrer Grünflächen extensiv, etwa Strauchecken oder Flächen unter Bäumen, sagt Perl. Hier werde nur ein-, höchstens zweimal im Jahr Hand angelegt. „Wir legen auch Blühflächen und -hügel an, auf denen Wiesenblumen ausgesät werden.“ An einigen Stellen sei die Saat durch die Trockenheit im Frühjahr allerdings nicht aufgegangen.
Der Eisenbahnbauverein (EBV) Harburg ist „in Absprache mit unseren Gartenpflegefirmen seit mindestens fünf Jahren dabei, diverse Flächen zu Blumenwiesen zu erklären“, sagt dessen Vorstandsmitglied Joachim Bode. Darüber werden die Mieter informiert, denn es sei wichtig, sie mitzunehmen, so Bode. Oft wachsen auf den Flächen nicht nur Blumen, sondern auch viel Gras, so dass manche Fläche im Auge des Betrachters „unschön aussieht“.
Wenn Rasen seltener gemäht wird, haben Blühpflanzen eine Chance
Die Rasenflächen des EBV werden acht- bis zwölfmal im Jahr gemäht, je nach Bedarf. Früher seien zehn bis 14 Mäheinsätze üblich gewesen, so Bode. Wenn eine Rasenfläche höher aufwachse, kommen blühende Pflanzen auf, die unter anderen Insekten auch Bienen anziehen. „Manche Eltern fordern uns dann auf, den Rasen mähen zu lassen, damit ihre Kinder gefahrlos darauf spielen können.“
Mehr Wildblumenwiesen in der Stadt ist ein Ziel der Umweltbehörde. „Im Naturschutzgroßprojekt Natürlich Hamburg! sollen mit entsprechenden Maßnahmen in den nächsten zehn Jahren sowohl Wildblumenwiesen als auch sogenannte Blumen- und Kräuterrasen (fünf- bis achtmalige Mahd im Jahr) angelegt und entsprechend gepflegt werden“, sagt Behördensprecherin Renate Pinzke.
Diese Flächen seien betret- und bespielbar, eigneten sich aber nicht für eine intensive Sportnutzung. Die Firmen, die die Pflegearbeiten durchführen, müssten sensibilisiert und geschult werden, um zwischen intensiv und extensiv gepflegten Rasenflächen unterscheiden zu können, so Pinzke. Ebenso die Bevölkerung.
Grüne Vielfalt statt kurzgehaltener Rasen spart Pflegekosten
In den städtischen Grünanlagen gebe es die Unterscheidung zwischen „intensiv gemähtem Gebrauchsrasen (ein- bis zweiwöchentliche Mahd) und den Wildblumen- oder Langgraswiesen, die nur ein- bis zweimal im Jahr gemäht werden“, sagt Pinzke.
In der Broschüre „Grüne Vielfalt im Wohnquartier“ wendet sich die Behörde gegen „Einheitsgrünen Scherrasen als Abstandsgrün im Geschosswohnungsbau“ und empfiehlt: „Mit der Anlage von Kräuterrasen oder blütenreichen Säumen halten bunte Blumen und Hummelgesumm Einzug ins Wohnquartier. Selteneres Mähen und der Verzicht auf Bewässerung und Düngung helfen der Hausverwaltung langfristig dabei, Pflegekosten zu sparen.“
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Das städtische Wohnungsbauunternehmen Saga habe eine „ökologische Grünflächenstrategie entwickelt, um den Folgen für die Stadt durch den Klimawandel zu begegnen“, sagt Unternehmenssprecher Gunnar Gläser. „Mit diesem Konzept zur grünen Quartiersentwicklung berücksichtigen wir auch die perspektivisch zu erwartenden Dürre- und Hitzeperioden, Starkregenereignisse sowie die milderen Winter.“
Mehr Natur in der Stadt hilft gegen Hitze und Starkregen
„Blüh- beziehungsweise Naturwiesen dienen nicht nur der Artenvielfalt und bieten Schutzräume für kleine Wildtiere wie beispielsweise Igel. Sie speichern Wasser und tragen damit zur Abkühlung der Stadt im Sommer bei“, sagt Gläser. „Aus diesem Grund hat die Saga damit begonnen, geeignete Rasenflächen in den Außenanlagen zu Blüh- und Naturwiesen umzugestalten. Diese werden für Mieterinnen und Mieter sichtbar markiert und mit Hinweisschildern versehen.“
Das allein reiche jedoch nicht aus: „Um für Verständnis für die Umgestaltungen zu werben, begleiten wir diese mit Mieterfesten und -aktionen sowie Kooperationen mit Organisationen wie dem NABU.“
Dabei gehe es dann auch um eine insektenfreundliche Balkon- und Gartenbepflanzung, so Gläser. Weitere Elemente seien Nistkästen für heimische Vögel und eine immer größer werdende Zahl an Hochbeeten, die gemeinsam von Hausbetreuern und Bewohnern bepflanzt und gepflegt werden. In Sachen Mähverzicht nennt Gläser ein Harburger Beispiel: „An der Lühmannstraße 26 in Eißendorf haben wir eine Naturwiese eingerichtet, die lediglich zweimal im Jahr gemäht wird.“
Engagierte Harburger machen Bauminseln zu Insekten-Eldorados
Das Straßengrün im Bezirk Harburg wird im Auftrag der bezirklichen Abteilung Stadtgrün gepflegt. Bestenfalls sorgen Anwohner mit einer Beetpatenschaft dafür, dass die grünen Bauminseln zu Insekten-Eldorados werden und durch den höheren Bewuchs ihren Beitrag gegen Erhitzung und Austrocknung liefern.
Ansonsten habe sich „die Anzahl der Schnitte auf Gebrauchsrasenflächen, im Straßenbegleitgrün sowie Langgrasflächen in den vergangenen Jahren nicht geändert“, sagt Bezirkssprecher Dennis Imhäuser.
Die Langgrasflächen dienen vor allem dem Artenschutz und kommen nur ein- bis zweimal jährlich unters Messer. Mähvorgaben bei Wiesen oder Blühmischungen seien vom Hersteller und den eingesäten Sorten abhängig, so Imhäuser: „Die derzeitige Praxis des Mähens im Straßenbegleitgrün hat sich bewährt. Gelegentlich gibt es Hinweise von Bürgerinnen und Bürger, dass das Gras zu hochgewachsen ist. Hinweise über zu kurz gemähtes Straßenbegleitgrün liegen nicht vor.“