Harburg. Experten fordern Handeln der Stadt. Wer dafür zurückstecken muss und welcher Fehler bei einem neu eröffneten Spielplatz gemacht wurde.
„Der Klimawandel beschleunigt sich. In zehn, 15 Jahren haben wir in Hamburg südländische Verhältnisse“, sagt Johannes Cox vom Frankfurter Büro HKK Landschaftsarchitekten. Was zunächst verlockend klingt, kann auf den zweiten Blick dramatisch werden: Vor allem sehr junge und alte Harburger leiden dann in der aufgeheizten City unter sommerlichem Hitzestress. Und Starkregen überfordert den Wasserhaushalt der versiegelten Stadt.
Wie Innenstädte weiterentwickelt werden müssen, um die Bevölkerung vor Klimafolgen zu schützen, stellte ein Gutachter-Team im Auftrag des Bezirksamts Harburg am Beispiel des im Umbruch befindlichen Schippsee-Quartiers vor. Wie andernorts habe man es versäumt, schon vor 20 Jahren angesichts des Wandels konsequent gegenzusteuern, so Cox: „Es muss schneller gehen. Und es muss viel mehr passieren.“ Die aus vier Planungsbüros bestehende Arbeitsgruppe stellte dem Harburger Stadtentwicklungsausschuss drei Szenarien mit unterschiedlich ehrgeizigen Maßnahmenkatalogen vor, die die zukünftige Wärmebelastung im Quartier reduzieren können.
Harburg: Modellquartier im Kampf gegen Hitze und Starkregen
Die wohl wichtigste Maßnahme lautet: viel mehr große Bäume pflanzen. Nur sie können mit ihren raumgreifenden Kronen so viel Wasser verdunsten, dass dies die Luft herunterkühlt. Und sie werfen viel Schatten, der an Hitzetagen wohltuend wirkt. Die „Stöpselbäume“, die derzeit gepflanzt werden, schaffen dagegen mit eineinhalb Meter Kronendurchmesser keine spürbare Entlastung, so Cox. Es dauert Jahrzehnte, bis sie einen Beitrag zum „Klimaresilienten Quartier“, so der Titel des Gutachtens, leisten können.
Cox nennt den neu geschaffenen Spielplatz an der Theodor-Yorck-Straße im Binnenhafen als Beispiel: Die dort gepflanzten „viel zu kleinen“ Bäume haben keinen wohltuenden Effekt, vielmehr sei der Spielplatz einer der heißesten Orte Harburgs. Zumindest dann, wenn kein Wind weht. Der pfeift dort aber auch gerne mal besonders scharf um die Ecken. Ein Anwohner habe ihm berichtet, dass ihm auf der Terrasse manchmal der Cappuccino-Schaum aus der Tasse geweht werde, so Cox. Auch den Wind können große Bäume abbremsen. Sie seien in der Pflanzung nicht viel teurer als Jungbäume.
Um Platz für mehr Bäume zu schaffen, müssen Verkehrsflächen weichen
Aufgrund der harten Konkurrenz um innerstädtischen Raum geht eine konsequente Begrünung nur auf Kosten von Verkehrs- und sonstigen Flächen oder von Gebäuden. Eine große grüne Schneise ist bereits in der Rahmenplanung Harburg 2040 angedacht: Die Buxtehuder Straße soll zu einer großzügigen Allee umgestaltet werden, mit zwei Baumreihen in der Mitte der Straße. Ziel ist es, die viel befahrene Straße so weit zurückzubauen und zu begrünen, dass sie auch von anderen Verkehrsteilnehmern als Autofahrern gern genutzt wird.
Am Großen Schippsee könnten nach Vorstellung der Planer sogar Gebäude weichen, um einen kleinen Park entstehen zu lassen. Zwischen den Straßen Küchgarten und Kleiner Schippsee könnte er entstehen. Neben Bäumen könnte der „Pocketpark“ (Taschenpark) Flächen für gemeinsames Gärtnern und Spielflächen bieten, schlagen die Gutachter vor. Dies sei zugleich ein Betrag für mehr Artenvielfalt in der Stadt.
Das Ziel: Innenstädte zu Schwämmen machen, die Wasser aufnehmen
Harburgs Baudezernent Hans Christian Lied nahm diesen und andere Vorschläge wohlwollend entgegen. Allerdings schränkte er mit Blick auf den kleinen Park ein: „Die Fläche ist in privatem Eigentum. Dort gibt es zwei Hotels und ein Parkhaus. Hier müssten wir mit den Eigentümern in Verhandlung treten und Kompensation schaffen.“ Der nördliche Teil von Contipark mit seinen zwei auffälligen Spindeln könnte nach den Vorstellungen der Gutachter bestehen bleiben und über die Tankstelle hinweg erweitert werden.
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Kampf gegen Hitze in Harburgs City: Auch Sonnensegel können helfen
Als weitere wichtige Maßnahmen wurden Vertiefungen (Mulden) vorgestellt, in denen sich Regenwasser für einige Stunden sammeln und dann relativ schnell versickern kann. Diese Maßnahme dient dem Zukunftsziel einer „Schwammstadt“, die Wasser in sich aufnimmt und allmählich verdunstet, anstatt es mit aufwendiger Infrastruktur wegzuleiten. Auch begrünte Dächer sind Teil des Schwamms, während Fassadenbegrünungen vor allem Schatten werfen. Ebenso große Sonnensegel, die über Straßen oder Plätze gespannt werden. Helle Fassaden und Straßenpflaster nehmen weniger Wärme auf.
In der anschließenden Diskussion mit den Ausschussmitgliedern kam unter anderem die Frage nach den Kosten der oft aufwendigen Maßnahmen. Christoph Mäckler, der mit seinem Architekturbüro Teil des Gutachter-Teams ist, meldete sich zu Wort: „Was wir hier tun müssen, ist für die nächsten Generationen. Wir werden es nicht mehr erleben, aber die kommenden Generationen werden den Schutz dringend brauchen. Schauen Sie nach Barcelona, Madrid oder Südfrankreich: Dort sind Straßen und Plätze mit Bäumen überdacht.“