Harburg. Hafenmeisterin verlässt nach 12 Jahren ihren umgebauten Frachtsegler am Lotsekai. Nun sucht sie nach potenziellen Interessenten.
- Für den Harburger Museumshafen ist der Weggang von Katharina Pscheidt ein herber Verlust
- Die 54-Jährige hat über zwölf Jahre das Leben der „Schiffspeole“ geprägt
- Doch ihr Weggang wird nun zur Chance für alle, die sich ein Leben auf dem Wasser vorstellen können
Mehr als ein Jahrzehnt lang waren sie unzertrennlich: Katharina Pscheidt und ihre „White Angel“ (weißer Engel), ein Elbewer Baujahr 1907. 2012 kamen die beiden im Harburger Binnenhafen zusammen. Seit seiner Gründung im Jahr 2015 engagiert sich die heute 54-Jährige im Museumshafens Harburg (MuHaHar), wurde die erste Hafenmeisterin und ist dies bis heute. Inzwischen als Mitglied einer siebenköpfigen Hafenmeistergruppe. „Mit dem Schiff habe ich mir einen Kindheitstraum erfüllt“, sagt sie. „Aber Träume ändern sich.“
Sie habe sich immer um die „Schiffspeople“ gekümmert, also um Leute, die, wie sie, auf einigen historischen Schiffen am Lotsekai wohnen, die im Museumshafen einen festen Liegeplatz haben oder als Gäste anlanden. Die ersten Jahre seien schwierig gewesen, da es an den Kais keine Infrastruktur gab: „Wir haben uns über das Brückenwärterhaus der Lotseklappbrücke mit Strom versorgt. An einem Hydranten hatten wir einen Wassertank angeschlossen, der die Schiffe mit Trinkwasser versorgte.“
Von Leipzig mit zwei Kindern in den Harburger Hafen
2018 bekam der Museumshafen seine Infrastruktur. Inklusive Hafenmeisterbüro, Toiletten und Duschen in der im Mai 2017 eröffneten Fischhalle Harburg am Kanalplatz. In dieser Zeit war die Skipperin auch im Vorstand des MuHaHar. Und ging einmal jährlich mit ihrer „Angel“, wie sie ihren Zweimaster nennt, auf Fahrt. „Ich suchte mir eine Crew zusammen, und wir sind ein bis zwei Wochen auf See gewesen.“ Die ersten Jahre war die Wahlhamburgerin, die 2011 aus Leipzig nach Harburg kam, nicht allein an Bord: 2012 zog sie mit ihren Zwillingen Maxi und Nick aufs Schiff; sie sind heute 25 Jahre alt.
Als die gelernte Landmaschinentechnikerin, Erzieherin und Altenpflegerin zusammen mit ihrem damaligen Freund das Schiff erwarb, war die „Angel“ in keinem guten Zustand. Erst zu zweit, dann weitgehend im Alleingang, ab und an unterstützt von Freunden, hat sie den in Groningen (Niederlande) gebauten Ewer her- und eingerichtet. Allmählich fallen ihr die Unterhaltungsarbeiten an dem 20 Meter langen, gut fünf Meter breiten Frachtsegler jedoch zunehmend schwer. „Das Schiff ist viel zu groß für mich allein“, sagt die Eignerin.
Neue Pläne: Lange Segelreisen statt Gemütlichkeit im Wohnschiff
„Meine Liebe zu diesem Schiff hat sich überhaupt nicht verändert. Aber mein Lebensplan“, sagt die vierfache Mutter, deren ältere Söhne (34 und 37 Jahre) in Leipzig leben. Während der gesamten Zeit im Harburger Binnenhafen habe sie die „Angel“ nie länger als zwei Wochen am Stück allein gelassen. Ihre Kinder seien groß, sie sei frei. Und doch nicht frei.
„Ich möchte jetzt mal aus Harburg raus, für drei Monate oder länger Segeln gehen. Drei Monate kann man das Schiff aber nicht sich selbst überlassen. So toll das hier ist: Es muss jetzt etwas anderes kommen“, sagt die passionierte Seglerin. Oft sei sie gefragt worden, etwa vom Verein Clipper im Binnenhafen, ob sie nicht mal wieder mitsegeln wolle. Sie habe immer ablehnen müssen.
„Alle Jahreszeiten sind im Harburger Binnenhafen schön“
Vor einem Jahr fiel die Entscheidung für ein neues Leben
Gleichzeitig ist Katharina Pscheidt die Verbundenheit zu diesem Ort und ihrem Schiff anzumerken: „Alle Jahreszeiten sind im Binnenhafen schön: Im Frühjahr und Sommer freut man sich, dass man am Schiff etwas machen kann. Und genießt zum Feierabend den Sonnenuntergang. Man trifft sich mit Bootsmenschen, sitzt mal hier, mal dort.“ Im Herbst und Winter habe sie sich Feuer im Kaminofen gemacht, Kerzen angezündet und mit Freunden in der warmen Kombüse gesessen oder zu Spieleabenden eingeladen. Den Winter möchte sie zukünftig lieber in wärmeren Gefilden verbringen, das täte ihrem Körper gut.
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Katharina Pscheidt ist so etwas für die Seele des Binnenhafens
Nach einem längeren Entscheidungsprozess wurde vor einem Jahr klar, dass Pscheidt ihr Schiff verkaufen wird. Sie schaltete einen Makler ein und begann, über ihren Entschluss zu sprechen. Die häufigste Reaktion im Hafen habe Entsetzen ausgedrückt, sagt Pscheidt: „Was, Du willst fort? Das geht nicht!“ Schließlich ist Katharina Pscheidt mit ihrer warmherzigen Art so etwas wie die Seele des Binnenhafens – „ich habe hier alle zusammengehalten“.
Noch ist kein Käufer gefunden. „Ich wünsche mir für die ‚Angel‘ frisches Blut. Dass es wieder lebendiger wird an Bord“, sagt die Hafenmeisterin. Eine Familie oder ein junges Paar mit Kinderwunsch seien ideal. Sie hoffe, „dass die ‚Angel‘ die passenden Menschen findet oder dass jemand sie findet – man sagt ja: Schiffe finden Menschen“.
Beim Binnenhafenfest wird Katharina Pscheidt noch dabei sein
Vielleicht lasse sich der Verkauf noch in diesem Sommer abwickeln, sagt Pscheidt – sie werde Harburg erst verlassen, wenn alles abgewickelt sei, alles in trockenen Tüchern ist. Beim Binnenhafenfest (31. Mai bis 2. Juni) wird die Bootsfrau auf jeden Fall noch dabei sein und, wie jedes Jahr, an den Wochenendtagen ihre „White Angel“ für das Publikum öffnen.
Und selbst wenn Katharina Pscheidt danach zu neuen Ufern aufbricht, wird doch ein Stück von ihr im Binnenhafen bleiben: Tochter Maxi gehört schon lange zum Stammteam des maritimen Kulturzentrums Fischhalle Harburg, die Teil des Museumshafens ist. Dort bedient die Lehramts-Studentin sehr charmant die Gäste des Bistros. „Maxi ist wie ich in jüngeren Jahren, sehr offen zu den Leuten“, sagt die stolze Mutter.