Harburg. Im Binnenhafen empfängt Marcel Klovert seit fünf Jahren auf seiner „Lydios“ Übernachtungsgäste. Und erlebt dabei viele Glücksmomente.

„Hallo, hier ist Marcel, Slafen im Hafen“. Schon die Begrüßung am Telefon zeigt, dass es sich hier um eine ungewöhnliche Hotelrezeption handelt. Der gebürtige Niederländer Marcel Klovert nimm mit seiner freundschaftlichen Art und dem niederländischen Akzent viele potenzielle Gäste sofort für sich ein. Seit fünf Jahren betreibt er im Harburger Binnenhafen das Hotelschiff Kanal 77. Und ist fast immer ausgebucht.

„Wir haben wahnsinnig viele nette Gäste“, sagt Klovert, der mit seiner Frau Heike und Sohn Tom (10) im Heck des umgebauten Schüttgutfrachters „Lydios“ wohnt. „Es ist ein Glück, dass man hier so leben kann.“ Der 55-Jährige hat sich mit dem Hotelprojekt einen Traum erfüllt. 2016 hatte er seinen Job als Programmierer an den Nagel gehängt, das alte Binnenschiff gekauft und größtenteils in Eigenarbeit zu einem kleinen Hotel mit vier Doppel- und einem Familienzimmer umgebaut. Nach fünf Jahren sagt er: „Es ist nach wie vor spannend. Ich genieße die Freiheit, was man hier alles machen und gestalten kann.“ Nur dass die Wochenenden immer mit Arbeit gefüllt sind, sei ein wenig schade, „aber das gehört dazu“.

Hotelschiff im Harburger Hafen: Der Start war verhalten, doch im Sommer 2019 war es ausgebucht

Heike und Marcel Klovert posieren vor der Eröffnung im Oktober 2018 auf einem fabrikneuen Bett in einem der Doppelzimmer.
Heike und Marcel Klovert posieren vor der Eröffnung im Oktober 2018 auf einem fabrikneuen Bett in einem der Doppelzimmer. © HA | Angelika Hillmer

Als im Oktober 2018 der Hotelbetrieb startete, war die Jahreszeit zum „Schlafen im Hafen“, so das Motto der schwimmenden Herberge, nicht gerade günstig. „ Bis Februar 2019 war es sehr ruhig, aber dann zogen die Buchungen an. Ab Mai waren wir ausgebucht. Bis November“, erinnert sich Klovert. Er habe sich total gefreut, Pläne für 2020 geschmiedet. Eine Idee sei gewesen, auf dem Deck des Schiffs eine Terrasse entstehen zu lassen.

Es kam ganz anders. „Als wir im April 2020 wegen Corona schließen mussten, dachten wir, dass nach einem Monat alles überstanden ist. Aber es dauerte immer länger.“ Mitte Juni durften wieder Gäste an Bord, zwei Wochen später war das maritime Hotel erneut ausgebucht. Schlimmer traf der zweite Lockdown von Dezember 2020 bis Mai 2021 die Kloverts. „Ich bin dankbar, dass uns der Staat damals geholfen hatte“, sagt Marcel, dessen Frau als Redakteurin bei Spiegel online arbeitet. „Ohne die Corona-Hilfe wäre es schwer geworden. Da hätten wir bei jeder Anschaffung genau überlegen müssen.“

Die Pandemie-Delle ist längst überwunden. „Es läuft gigantisch gut“, so der Schiffseigner. Seine Gäste seien bunt gemischt: junge und alte Paare, Familien, Geschäftsleute. Die hätten es allerdings inzwischen schwer, ein Zimmer zu bekommen, weil die Touristen frühzeitiger buchen, berichtet der Hotelier. Seine Kundschaft komme aus allen sozialen Schichten, sagt Klovert, der sich abends gern mal zu seinen Gästen setzt. Ganz im Sinne des Kanals 77, des Funkkanals der Schifffahrt, auf dem die Schiffer keine kurzen Ansagen austauschen, sondern miteinander plaudern können.

Werft- statt Hotelbetrieb mit unabsehbaren Folgen

Aktuell sind allerdings keine Hotelgäste an Bord: Die „Lydios“ musste in die Werft zum Sieben-Jahres-Check, durchgeführt von der niederländischen Versicherung. Die Schwimmfähigkeit wurde neu attestiert, und da das Museumsschiff Baujahr 1914 noch eine eigene Maschine hat (sie ist derzeit defekt), wurde es als fahrendes Schiff geprüft. Klovert: „Ich habe für den gesamten November keine Buchungen angenommen, weil nicht klar war, wann genau die Werftzeit sein wird.“

Sie kam früher als zunächst geplant. Am 25. Oktober liefen die Zertifikate ab, und bis zu diesem Datum mussten sie spätestens verlängert sein. Also ging es Mitte Oktober per Schlepperhilfe zur Werft an der Norderelbe. Am Dienstag, 24. Oktober, lag das Hotelschiff wieder an seinem Platz im Harburger Lotsekanal. Ganz leise bahnte sich ein Drama an. Während der Zeit im Trockendock, wo die „Lydios“ unter anderem auch einen neuen Anstrich bekam, war eine Schweißnaht undicht geworden. Nun lief zunächst unbemerkt Wasser in den Maschinenraum. Als das Leck zwei Tage nach dem Festmachen entdeckt wurde, stand das Hafenwasser bereits knietief im Schiff.

Die „Lydios“ wurde zurück zur Werft geschleppt, verbrachte dort das Wochenende, den Brücken- und den Reformationstag. Inzwischen waren Heike und Tom Klovert aus dem Herbsturlaub zurückgekommen. Auf dem Hotelschiff konnten sie nicht wohnen, denn sein Heck lag erhöht – mit der Folge, dass das Schiff eine andere Neigung hatte und das Abwasser aus der Küche nicht ablief. Also mietete sich die Hoteliersfamilie eine Ferienwohnung in Seevetal.

Hotelschiff in Harburg ist im Dezember gut belegt. Doch zu Weihnachten gehört es der Familie

Seit dem 2. November liegt die „Lydios“ wieder an ihrem Stammplatz am Lotsekai des Museumshafens Harburg. Erst Anfang Dezember kommen neue Gäste. Dem „Hausherrn“ ist es ganz recht so; nach dem Stress mit den Wertf-Aufenthalten genießt er die Ruhetage und schmiedet neue Pläne. Die Dezember-Wochenenden sind ausgebucht und auch dazwischen sei sein Hotelschiff gut belegt, sagt Klovert. Weihnachten wird dann ganz privat im erweiterten Familienkreis auf der „Lydios“ gefeiert.

Marcel Klovert steht am Bug seines Segelschiffs „Jonathan“. Dahinter ist die „Lydios“ zu sehen.
Marcel Klovert steht am Bug seines Segelschiffs „Jonathan“. Dahinter ist die „Lydios“ zu sehen. © Angelika Hillmer | Angelika Hillmer

Der Januar ist als Urlaubsmonat im Buchungssystem komplett geblockt. Aber der passionierte Handwerker Klovert überlegt, vielleicht doch ein bis zwei Januarwochen zu öffnen. Ein verkürzter Urlaub ließe ihm mehr Zeit für seine neue Passion namens „Jonathan“: ein Plattboden-Segelschiff, das im März 2021 vor dem Bug der „Lydios“ festmachte. Seitdem restauriert Marcel Klovert auch dieses Schiff, baut es wohnlich um. Als Freizeitboot für die Familie. Und als Mini-Dependance des Hotelschiffs. „Unser Hotel ist ziemlich klein und deshalb schnell ausgebucht“, sagt Marcel Klovert. Wenn es danach ginge, könnte er noch ein zweites Binnenschiff gebrauchen. Er begnügt sich vorerst mit der „Jonathan“.