Harburg. Geschichtswerkstatt rettete Luftschutzbunker vor dem Verfall. Wie ein Zeitzeuge die Eröffnung erlebte – und was dort geplant ist.
Die Geschichtswerkstatt Harburg hat am Freitagnachmittag „ihren“ Röhrenbunker auf dem Kanalplatz eröffnet. Der 1940 als ziviler Luftschutzraum erbaute Bunker im Binnenhafen wird nun zum Lern- und Erinnerungsort, an dem die Zeit des Zweiten Weltkriegs als Teil der Geschichte Harburgs anschaulich vermittelt wird. „Er erzählt von der Angst und Not der Menschen, die damals in den Bunker flohen“, sagte Klaus Barnick vom Vorstand der Geschichtswerkstatt bei der Eröffnung. „Und der Krieg in der Ukraine macht uns deutlich, dass auch heute Frieden nicht selbstverständlich ist.“
Nachdem der Bunker über Jahrzehnte von Gestrüpp überwuchert und vom „Wilden Wäldchen“ auf dem Kanalplatz verschluckt worden war, wurde er beim Bau der Veloroute 10 wieder sichtbar. Die Bunker-Arbeitsgruppe der Geschichtswerkstatt räumte – unterstützt von weiteren Helfern – den Schutt aus dem Betonbau und ließ ihn soweit herrichten, dass er gefahrlos betreten werden kann. Zahlreiche Akteure, die das Vorhaben mit guten Ratschlägen, Expertenwissen, Sachleistungen oder Nachbarschaftshilfe unterstützten, kamen zur Eröffnung. Projektleiterin Birgit Caumanns dankte auch Politikern und Verwaltung des Bezirks Harburg, ohne dessen „finanzielle Förderung wir den Schritt nicht hätten wagen können“.
Als Dreieinhalbjähriger war Ehlers an der Hand seiner Mutter in den Bunker geflohen
Eine besondere Rolle spielte Karl-Heinz Ehlers, ehemaliger Chef der städtischen Sprinkenhof AG. Der gebürtige Harburger, aufgewachsen an der Neuen Straße, musste als Dreieinhalbjähriger an der Hand seiner Mutter selbst in diesen oder andere Röhrenbunker in der Umgebung fliehen. Als er hörte, dass der Bunker noch existiert und die Geschichtswerkstatt ihn für die Öffentlichkeit zugänglich machen wollte, war er begeistert. Und half ein bisschen nach, als die Sprinkenhof AG als Eigentümerin des Bunkers zunächst Sicherheitsbedenken hatte.
Im Herbst 2022 kam grünes Licht – die Arbeiten konnten beginnen. Der Bunker wurde gesäubert, Beleuchtung installiert, Wände restauriert, ein Handlauf an der Treppe montiert. Als Karl-Heinz Ehlers die Röhre das erste Mal nach rund 80 Jahren wieder betrat, sei ihm ein kalter Schauer den Rücken heruntergelaufen, sagt er. „Vom Röhrenbunker am Unterelbe-Bahnhof habe ich noch ein Bild vor Augen. Bei diesem Bunker erinnere ich mich nur noch an den Gestank, der hier herrschte.“
Die zwei parallel verlaufenden Röhren boten etwa 100 Menschen Schutz
Die zwei parallel verlaufenden Betonröhren auf dem städtischen Lagerplatz boten etwa 100 Menschen Schutz. Die gewölbten Decken haben in der Mitte gerade noch Stehhöhe. Hafenarbeiter, aber auch Anwohner hatten hier während der Bombenangriffe ausgeharrt, meist eineinhalb bis zwei Stunden. Röhrenbunker boten Schutz vor Trümmern und Splittern, einem Volltreffer hielten sie nicht stand. Der Binnenhafenbunker blieb verschont.
Die Besucher betreten zunächst einen kleinen Vorraum, vermutlich eine Gasschleuse. Dann folgen die Röhren. An einem Ende gab es Notausgänge, am anderen befanden sich jeweils zwei Trockentoiletten. Strom war vorhanden, doch oft fiel er aus, und die Menschen saßen, aufgereiht auf schmalen Bänken, im Dunkeln.
Die nächste Gelegenheit, die Röhren zu besichtigen, bietet sich am 23. April
Nach dem Krieg diente der Röhrenbunker im zerstörten Harburg einer Familie als Wohnraum. 1954 wurde er für unbewohnbar erklärt. Gewerbliche Nutzungen schlossen sich an – als letztes war dort ein Getränkelager untergebracht. Jetzt wird er als stummer Zeitzeuge „die Erinnerung an die nationalsozialistische Gewaltherrschaft und ihre Folgen wach halten“, sagte Caumanns. Er sei „der einzig zugängliche Röhrenbunker im Bereich Süderelbe“, so Barnick. Allein in Harburg habe es rund 30 Stück gegeben, sagte Regine Wörmer vom Bunkerteam. „Dieser wurde nur zufällig nicht zum Massengrab, wie so viele andere.“
Um ihn auch zu einem Lernort für Schüler zu machen, sollen in Teilbereichen Bilder vom zerstörten Harburg aufgehängt und Gegenstände, die das Kriegsgeschehen dokumentieren, ausgestellt werden. Ebenso werden Lesungen in kleinem Rahmen möglich sein. Die erste Führung am heutigen Sonnabend ist längst ausgebucht.
Die nächste Gelegenheit, die Röhren zu besichtigen, bietet sich am 23. April, dem Tag der Geschichtswerkstätten. Dann wird das Bauwerk von 14 und 18 Uhr geöffnet. Auch am 3. Juni, zum Binnenhafenfest, ist eine Führung geplant. Sie ist kostenfrei, doch die Teilnehmerzahl ist begrenzt. Deshalb sollten sich Interessierte möglichst frühzeitig anmelden unter Telefon 040/76 75 73 07 oder per E-Mail an: info@geschichtswerkstatt-harburg.de