Hamburg. In unserer Serie zu den Bezirkswahlen sollen die Spitzenkandidaten fünf Gründe nennen, ihre Partei zu wählen. Heute: Christin Feiler.
Bundespolitisch war es zuletzt nicht leicht für Die Linken: Nach dem Austritt von Sahra Wagenknecht und ihren Getreuen musste sich die zu klein gewordene Berliner Fraktion Ende 2023 auflösen. Und auch die Umfragewerte sind seitdem eher im Sinkflug. Bergedorfs Linke jedoch lässt sich von Bundestrends nicht bange machen und drückt den Neustartknopf: Zur Bezirkswahl am 9. Juni hat sich die Partei in Bergedorf neu aufgestellt, schickt frisches und junges Personal ins Rennen, ergänzt durch erfahrene Bezirkspolitiker wie Lutz Jobs oder Maria Westberg.
Christin Feiler heißt die 26 Jahre alte Spitzenkandidatin, deren Ideen für Bergedorf wir hier vor der Wahl vorstellen – wie auch die aller anderen antretenden Bergedorfer Spitzenkandidaten. Die Erzieherin soll ihre fünf Gründe nennen, warum die Menschen ihre Partei wählen sollten – was sie also für den Bezirk bewirken möchte.
Christin Feiler ist die Spitzenkandidatin der Bergedorfer Linken
Sicher ist: Christin Feiler fehlt es nicht an Selbstbewusstsein. „Ich würde sagen, ich bin eher extrovertiert. Ich rede gern, und ich stehe für meine Überzeugungen ein“, sagt die in Schleswig-Holstein aufgewachsene Bergedorferin. Dass sie die Bezirkspolitik bisher „nur“ als zugewählte Bürgerin in zwei Ausschüssen verfolgt, schüchtert sie nicht ein: „Ich bin im Hintergrund schon länger aktiv, nehme an Fraktionssitzungen teil und verfolge die Bezirksversammlungen als Zuschauerin.“ Mitglied der Linken ist sie seit der Corona-Zeit, als sie sich über Verschwörungstheoretiker in ihrem Umfeld ärgerte, „etwas bewegen wollte“ und kurzerhand auf einer langen Autofahrt „per Handy“ in die Partei eintrat.
1. Soziale Themen sind es, die die 26-Jährige bewegen. Und so möchte sie sich in Bergedorf für „mehr bezahlbaren Wohnraum“ einsetzen. „Es gibt viele Menschen in Bergedorf, die einfach nicht mehr wissen, wie sie ihre Miete bezahlen können. Oder die sie vielleicht noch zahlen können, aber dann kein Geld mehr für Lebensmittel haben.“ Die Stadt müsse also mehr bauen, und zwar „sozial und städtisch“. Der in Hamburg praktizierte Drittelmix (ab 30 Wohneinheiten ein Drittel öffentlich geförderter Mietwohnungsbau, ein Drittel frei finanzierter Mietwohnungsbau, ein Drittel Eigentumswohnungsbau) reiche nicht, es müssten „mindestens 50 Prozent Sozialwohnungen sein“, und die in längerer Bindungsfrist.
Engere S-Bahn-Taktung, zudem eine Straßenbahn und mehr Busse
2. Fast ebenso wichtig sei das Thema Verkehr. „Wir brauchen eine Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer.“ Das bedeute neben guten Geh- und Radwegen, dass der Öffentliche Personennahverkehr weiter ausgebaut werden müsse. Konkret: „Die S2 muss ganztägig alle fünf Minuten fahren.“ Da die S2 aber überlastet sei, vor allem, wenn auch noch Oberbillwerder entstehe, „brauchen wir eine zweite Schienenverbindung von Bergedorf in die Hamburger Innenstadt“. Christin Feiler plädiert für eine zweite Strecke über Lohbrügge, am besten eine Straßenbahn. Das wäre eine ziemlich komplexe Aufgabe, weiß die junge Frau und ergänzt: Details sollten „die Verkehrsexperten planen“.
Auch das Landgebiet müsse besser angebunden sein und brauche eine deutlich engere Taktung der Buslinien. Es sei nicht akzeptabel, dass die Menschen dort teilweise eine halbe Stunde auf den Bus warten müssen. Wie aber soll das alles finanziert werden? Für Christin Feiler die falsche Frage. „Natürlich sind das erst mal Investitionen. Aber wir denken viel zu wenig in die Zukunft. Wir müssen ja auch daran denken, was uns der Klimawandel kosten würde.“
3. Eine „soziale Politik für alle“: Das bedeutet für die 26-Jährige, dass „wir auf alle Menschen gucken, unabhängig von Alter, Geschlecht oder dem Zufall des Geburtsortes“. Dafür brauche es eine gute Infrastruktur im Bezirk: Einrichtungen für Jugendliche oder Senioren „mit einer guten personellen Ausstattung“. Christin Feiler möchte herausfinden, wo vielleicht Angebote fehlen, und gegebenenfalls neue Einrichtungen schaffen. Angesichts der seit Jahren angespannten Finanzlage der vorhandenen Bürgerhäuser eine mutige Forderung, doch Christin Feiler sieht das als Frage der Prioritäten: „Es wird ja viel Geld für Dinge ausgegeben, die wir als nicht so sinnvoll erachten“, Dienstwagenprivilegien zum Beispiel. Geld gebe es also durchaus. „Natürlich können wir nicht alles im Bezirk beeinflussen, aber wir arbeiten ja auch mit der Fraktion in der Bürgerschaft zusammen.“ Die Linke würde sich auch für eine Tagesaufenthaltsstätte für Wohnungslose im Bezirk einsetzen.
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4. „Klima und Natur vor Ort schützen“: Für Feiler schließt sich da der Kreis zum notwendigen Ausbau des Nahverkehrs, denn so würden Emissionen eingespart. Es bedeute aber auch, dass in Bergedorf nicht weiter Flächen versiegelt werden: „Darum unter anderem auch unser Nein zu Oberbillwerder.“ Klimaschutz bedeutet für sie zudem, sich in Bergedorf auf den Klimawandel und heißere Sommer vorzubereiten, unter anderem mit öffentlichen Trinkbrunnen. Wichtig sei auch, beispielsweise die Deiche weiter zu pflegen, Taubenschläge aufzustellen und dergleichen.
5. „Bergedorf muss bunt bleiben, dafür treten wir ein.“ Hier lebten Menschen sehr verschiedener Herkunft gut beieinander, und das solle auch weiter so bleiben. „Dafür müssen wir weiterhin kämpfen“, denn dass das nicht jeder so sehe, sei leider an den Umfragehochs der AfD zu erkennen. Auch Geflüchtete müssten unterstützt werden: „Sie sollten nicht monate- und jahrelang in Massenunterkünften leben müssen, sondern so schnell wie möglich in eigenen Wohnraum kommen.“
Aber spricht nicht diese Forderung eher für Oberbillwerder und den mehrfach genannten, dringend benötigten Wohnraum im Bezirk? Für Christin Feiler nicht: Das Nein der Bergedorfer Linken zu Oberbillwerder stehe auch in einer eventuellen Koalition.