Hamburg. Eigentlich sollten die Bauarbeiten diesen Sommer beginnen. Doch daraus wird nun nichts. Welcher Fehler der Verwaltung unterlaufen ist.
Neuer Zündstoff für die Auseinandersetzung um Sinn und Unsinn von Oberbillwerder. Kurz vor dem Abschluss des Bebauungsplans stoppt ein Verfahrensfehler den eigentlich für diesen Sommer geplanten Baustart des 105. Hamburger Stadtteils: Wie das Bezirksamt Bergedorf am Donnerstag im Hauptausschuss mitteilte, sind bei der öffentlichen Auslegung Anfang dieses Jahres die Anhänge zweier Gutachten zum Großprojekt nicht einsehbar gewesen.
„Zur Vermeidung rechtlicher Risiken“ sei entschieden worden, die neunwöchige öffentliche Auslegung zu wiederholen, sagte Bezirksamtsleiterin Cornelia Schmidt-Hoffmann. „Eigentlich wollten wir noch vor den Bezirkswahlen am 9. Juni fertig sein.“ Nun aber dürfte sich das Bebauungsplanverfahren noch mindestens bis zum Jahresende hinziehen und damit auch in den Wahlkampf zur Hamburgischen Bürgerschaft reichen, die am 2. März 2025 gewählt wird.
Oberbillwerder: Es ist fraglich, ob die Bauarbeiten noch dieses Jahr starten können
Als neues Datum für die öffentliche Auslegung der Bebauungsplan-Unterlagen wurde der Zeitraum vom 1. Juli bis 2. September festgelegt. Dann sollen die Unterlagen wieder im Bergedorfer Rathaus und online unter dem Link bauleitplanung.hamburg.de öffentlich einsehbar sein. Anschließend muss das Bezirksamt alle Eingaben sichten, bewerten und dazu Stellung beziehen. Die Freigabe des Bebauungsplans erfolgt dann durch Bergedorfs Stadtentwicklungsausschuss und die Bezirksversammlung. Fraglich ist, ob es die Zustimmung noch in diesem Jahr geben wird.
Zu den Gründen des Versäumnisses sagt Rathaussprecher Lennart Hellmessen: „Wir sind durch eine der 195 eingegangenen Stellungnahmen während der ersten Auslegung darauf aufmerksam gemacht worden, dass bei zweien der 87 seinerzeit ausgelegten Gutachten und 162 umweltbezogenen Stellungnahmen die Anhänge nicht zu finden sind.“ Nach eingehender Prüfung habe sich das Bezirksamt deshalb jetzt zur Wiederholung entschieden.
Inhalt der jetzt fehlenden Unterlagen hatte vor zwei Jahren für heftige Diskussionen gesorgt
Konkret geht es um zwei Gutachten, die sich mit den Auswirkungen beschäftigen, die die 15.000 Einwohner Oberbillwerders auf das benachbarte Naturschutzgebiet Boberger Niederung haben werden. Hier fehlten in der Auslegung jene Karten, die einerseits die räumliche Verteilung der Lebensräume von Tieren und Pflanzen im Naturschutzgebiet zeigen sowie andererseits das Netz öffentlicher Wege und wilder Trampelpfade, auf denen sich die menschlichen Besucher bewegen.
Pikanterweise hatte genau diese Thematik vor zwei Jahren zu heftigen Diskussionen im Stadtentwicklungsausschuss und darüber hinaus geführt: Die Gutachterin hatte empfohlen, direkte Wegeverbindungen von Oberbillwerder in die Boberger Niederung zu unterbinden. Andernfalls sei ein so hoher Besucherdruck in den ohnehin schon überlaufenen Boberger Dünen zu befürchten, dass verantwortungsvoller Naturschutz unmöglich werde.
Zu viele Behörden am Verfahren beteiligt – so passieren Fehler
Nach Informationen unserer Zeitung liegt die Ursache des Verfahrensfehlers in der Beteiligung zu vieler Behörden beim Zusammenstellen der extrem umfangreichen Auslegungsunterlagen: 17 Aktenordner, dazu unzählige Karten und nicht zuletzt eine mit 21 Seiten voller Paragrafen rekordverdächtig lange Ankündigung im Amtlichen Anzeiger hatte selbst die Fachanwälte mancher Kritiker den Schweiß auf die Stirn getrieben. So soll es der IBA Hamburg, als städtischem Projektentwickler von Oberbillwerder passiert sein, die nun fehlenden Karten in die öffentliche Auslegung zu geben.
Aufgefallen ist das vermutlich den Kritikern der Dorfgemeinschaft Billwärder an der Bille. Aber ob sie sich tatsächlich diesen Etappensieg auf die Fahnen schreiben können, mochte Sprecherin Katja Haack auf Nachfrage unserer Zeitung nicht bestätigen: „Wir hatten seinerzeit 170 Seiten an Einwänden abgegeben. Ob da irgendwo die fehlenden Karten von der Boberger drinstehen, weiß ich nicht.“ In jedem Fall werde die Dorfgemeinschaft, die seit Ende April jetzt auch eine anerkannte Umweltvereinigung ist, das ganze Verfahren weiter engagiert und kritisch begleiten: „Bestimmt schlummern da noch weitere Verfahrensfehler.“
Bau von Hamburgs neuem Stadtteil: Überraschende „Lösung“ für bedrohte Feldlerche
Tatsächlich kommen ständig neue Themen und Gutachten hinzu, bestätigte auch Bezirksamtsleiterin Cornelia Schmidt-Hoffmann am Donnerstag im Stadtentwicklungsausschuss: „Wir nehmen die erneute öffentliche Auslegung zum Anlass, die Unterlagen um drei weitere Themen zu ergänzen.“ Dabei gehe es um die Genehmigung von fünf statt vier Geschossen für Gewerbebauten entlang des Bahndamms im westlichen Teil Oberbillwerders. Zudem mache die Fortschreibung des Hamburgischen Klimaschutzgesetzes ein Aufweichen des Anschlusszwanges an örtliche Fernwärmenetze erforderlich.
Das dritte Thema befasst sich mit den Feldlerchen und könnte für viele zusätzliche Eingaben sorgen: Weil die exakt 34 Pärchen dieser mittlerweile als gefährdet geltenden Vögel auf den Wiesen brüten, die künftig von Oberbillwerder beansprucht werden, suchen Bezirk und Umweltbehörde händeringend nach Ausweichflächen. Doch es gibt in direkter Umgebung nicht genug Platz für alle, weshalb ein Teil auf die 20 Kilometer entfernte Elbinsel Hahnöfersand umgesiedelt werden soll.
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Plan für Oberbillwerder wird für neun Wochen ausgelegt
Zu weit weg urteilte das Oberverwaltungsgericht nach einer Klage Dorfgemeinschaft Billwerder, das würden die Vögel nicht finden. Zur Lösung dieses Problems wollen die Hamburger Behörden nun einfach auf ein anderes Genehmigungsverfahren umstellen: Statt den heimischen Feldlerchen, wie bisher versucht, schon vor Oberbillwerders Baustart den Umzug in die Nachbarschaft zu ermöglichen, wird es künftig erlaubt sein, irgendwo passende Flächen nachzuweisen – nämlich genau wieder auf Hahnöfersand.
Kritik an dieser „Lösung“ und auch allen anderen Details von Oberbillwerder kann nun im Juli und August bei der erneuten öffentlichen Auslegung vorgebracht werden. Dass sie zum großen Teil ausgerechnet in den Sommerferien liegt, wie Jörg Froh (CDU) im Ausschuss kritisierte, lässt die Bezirksamtsleiterin nicht gelten: „Wir legen statt der üblichen vier insgesamt neun Wochen aus. Da sollte jeder einen passenden Zeitpunkt zur Einsichtnahme finden.“