Bergedorf. In unserer Serie zu den Bezirkswahlen sollen die Spitzenkandidaten fünf Gründe nennen, ihre Partei zu wählen. Heute: Sonja Jacobsen.
Wenn Sonja Jacobsen durch Bergedorf an ihren Lieblingsorten wie den Wochenmärkten oder dem Sachsentor entlanggeht, dann erlebt sie nach eigener Aussage hautnah, warum sie sich all den Stress macht. Die verheiratete 52-Jährige hat zwei Kinder und als TV-Redakteurin einen Vollzeitjob – sie bräuchte die kommunale Politik nicht zwingend, um den Tag auszufüllen.
Doch mittlerweile ist Jacobsen zur Hoffnungsträgerin einer kriselnden FDP geworden, zur Hamburger Fraktionschefin aufgestiegen und Spitzenkandidatin ihrer Partei bei den Bezirkswahlen am 9. Juni. „In der Politik ist es so wichtig, dass wir genau wissen, wofür für unsere Entscheidungen treffen. Das sind die Menschen im Bezirk“, sagt Jacobsen. Und wie das im Falle der Liberalen aussehen soll, erklärt Jacobsen mit fünf lokalen Themen, die der FDP auf Bezirksebene wichtig sind.
Sonja Jacobsen ist Gesicht und Spitzenkandidatin der Bergedorfer FDP
1. Sonja Jacobsen hat die Entwicklung sowohl der kränkelnden Innenstadt und Wochenmärkte besonders im Blick. Bei der Bekämpfung des Leerstands im Stadtzentrum glaubt die FDP-Politikerin nicht an Selbstheilungskräfte: „Wir müssen uns vom Gedanken verabschieden, dass der Einzelhandel das von selbst regulieren wird.“ Deswegen spricht sich Jacobsen für eine Umwidmung der aktuell verwaisten Geschäfte in Wohnraum aus – so wie es geplant ist im Falle der Karstadt Häuser und dem Hotel Sachsentor. Sie ist gegen den Trend, „überall geförderte Kultur“ auf begrenzte Zeit einzurichten, wie im Fall des „Plietsch“, das finanziell aus dem Bundesfonds für Belebung der Innenstadt bis 2025 gesichert ist. Das Körberhaus inklusive der Bücherhalle Bergedorf sieht Jacobsen nicht am idealen Standpunkt – der „Frequenzbringer in Insellage“ hätte zentraler in die Innenstadt gehört
Wichtig sei auch gerade für ältere Leute das Thema der innerstädtischen Parkplätze, um möglichst komfortabel Einkaufsgelegenheiten erreichen zu können. Als Ideallösung betrachtet Sonja Jacobsen die Einrichtung der neuen Quartiersgarage für 300 Fahrzeuge an der Bergedorfer Schlossstraße, an der ihre Partei maßgeblich mitgewirkt hat. Wünschenswert wären ferner abbaubare, verschiebbare Parkpaletten, also Mobility- oder Tower-Hubs an exponierten Stellen in Bergedorf.
Ungenutzte Potenziale – vor allem bei der Wirtschaftsförderung
Die Wochenmärkte müssten unbedingt als „kommunikative Orte“ im öffentlichen Raum aufrechterhalten werden. Auf den Marktplätzen Vinhagenweg, Lohbrügger Markt, Werner-Neben-Platz und Fleetplatz müsste zudem der Verkauf von regionalen Erzeugnissen als „Alleinstellungsmerkmal“ stärker betont werden. „Nur da bekomme ich vernünftige Kartoffeln“, sagt Jacobsen. Die Märkte sollten soweit möglich zudem in die Selbstverwaltung gehen, um Gebühren zu sparen. Und: Ganz ausgeträumt hat die Jacobsen ihren Traum von einer ganzwöchig geöffneten Bergedorfer Markthalle in der Stuhlrohrhalle noch nicht
2. Ungenutzte Potenziale sieht die Bergedorfer FDP speziell in ökonomischen Fragen: „Wir brauchen für Bergedorf eine Wirtschaftsförderung in Vollzeit und auf Leitungsebene, die sich um regionale Firmen kümmert und diese beispielsweise bei Erweiterungsfragen des Betriebsgeländes unterstützt – und sich nicht noch zu 15 Prozent der Stelle um Tourismus kümmert“, fordert die 52-Jährige. Ein großes Aufgabengebiet sei es, proaktiv so viele Flächen wie möglich für Gewerbe und Unternehmen zu entwickeln und bezugsfertig anzubieten. Der Kampf um den Hauni-Verbleib in Bergedorf und dessen Neustart im Innovationspark an der A25 sei ein Positivbeispiel, wie schnell es gehen kann. Gerade im Landgebiet müssten solche Flächen auch für kleinere Firmen wie Handwerksbetriebe, die sich erweitern möchten, hergerichtet und angeboten werden.
Wie die FDP den Straßenverkehr mit 40.000 Neubürgern sieht
3. Die FDP wünscht sich für Bergedorf wieder mehr Eigenheime und möchte Auflagen und Vorschriften beim Häuserbau reduzieren: „Hier darf keine reine Mieterstadt entstehen“, sagt Sonja Jacobsen, die sich eine mehrgliederige Haus- und Wohnungsbaupolitik wünscht. Demnach müsse auch der Drittelmix bei Wohnungsneubauten mit geförderten Wohnungen als attraktives Investment zum Niedrigzins von einem Prozent verstärkt umgesetzt werden. „Weil wir im Bezirk Bergedorf schlechte Erfahrungen damit gemacht haben, wenn die soziale Durchmischung nicht stimmt“, weist Sonja Jacobsen auf das doch eher osteuropäisch geprägte Neuallermöhe hin.
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4. „Bergedorf wächst stärker als alle andere Bezirke“, kennt Sonja Jacobsen die Bevölkerungsprognose, weiß aber auch: „Wir stehen schon jetzt im Stau.“ Bis zum Jahr 2030 kommen 25.000 Neu-Bergedorfer dazu, mit Oberbillwerder schätzungsweise weitere 15.000 Bewohner. Daraus ergeben sich Anforderungen, was eine „vorausschauende Verkehrspolitik“ angeht: Jacobsen sieht es beim Thema Oberbillwerder als unerlässlich an, dass „die äußere Verkehrserschließung vor Baubeginn“ mit mindestens drei Zuwegen fertiggestellt wird – eigentlich ist auch das den Freien Demokraten immer noch zu wenig. Zudem spricht sich die FDP-Spitzenkandidatin für eine Machbarkeitsstudie für eine U-Bahnverbindung vom nördlichen Oberbillwerder bis Boberg aus, „damit Oberbillwerder eine Bereicherung und keine Belastung wird“. Wichtig sei auch, viel befahrene Knotenpunkte wie etwa den Sander Damm zur B5 „durchlässiger“ zu gestalten und auch zentrale Verbindungen wie den Weidenbaumsweg im Hinblick auf die Baugebiete der Schleusengrabenachse zu ertüchtigen.
„Die Leute einfach machen lassen“
5. Und schließlich: Bergedorfs Freie Demokraten machen sich für eine „Entbürokratisierung“, also ein Belastungsmoratorium stark. Zwar könnten die einzelnen Bezirke nichts für bestimmte Vorschriften. Doch in der Realität, beispielsweise beim Erweiterungswunsch eines Einzelhändlers im Sachsentor, muss dieser erst einen zweiten Eingang einrichten und dabei ewig auf die Genehmigung des hiesigen Bauamts warten – sinnvoll oder einfach nur lästig? Jacobsen hat eine klare Auffassung dazu: „Die Leute einfach machen lassen.“