Hamburg. Das „Handelsblatt“ feiert den Stadtteil als Hamburger Trendviertel, in dem vieles möglich sein. Ein Investor sieht das anders.
Für das „Handelsblatt“ ist Bergedorf eines der wichtigsten Hamburger Trendviertel. Fast nirgendwo sonst in der Hansestadt gebe es höhere Preissteigerungsraten bei Wohnimmobilien – und das könnte laut einer Trendviertel-Studie der Wirtschafts- und Finanzzeitung auf absehbare Zeit auch so bleiben. Drei Seiten hat das Blatt dem Phänomen gewidmet – und nimmt unter dem Titel „An den Rand gedrängt“ die Perspektive der Investoren ein. Die sollten angesichts zweistelliger Preissteigerungsraten bei Häusern und Wohnungen insbesondere in Stadtrandzentren wie Bergedorf investieren.
Das unterstreicht im Interview mit dem „Handelsblatt“ auch Rüdiger Gramkow, hiesiger Gebietsentwickler und „Vater“ der Neubauquartiere Am Güterbahnhof, Glasbläserhöfe und Am Schilfpark. Doch trotz aller Euphorie ist der überzeugte Bergedorfer frustriert, wie er im Gespräch mit unserer Redaktion verrät: „Ich hatte gehofft, dass unsere drei seit 2010 entstandenen Quartiere eine Art Initialzündung für den Bezirk wären. Doch trotz bester Chancen für Investoren einerseits und für das Bergedorf der Zukunft andererseits herrscht hier in vielen wichtigen Projekten seit Jahren Stillstand“, kritisiert der Inhaber der Firma Gustav A. Cellarius. „Bergedorf verpasst gerade seine beste Zeit.“
Wohnen Hamburg: Rüdiger Gramkow entwickelte Glasbläserhöfe in Bergedorf
Mit Sorge schaut Rüdiger Gramkow auf Großprojekte, die bislang nicht über den Planungsstatus hinausgekommen sind: Das Weidenstegviertel am Schleusengraben mit fast 750 Wohnungen und großem Nahversorgungszentrum, das Stuhlrohrquartier mit fast 1000 Wohnungen, Gewerbe und einem Herz für Start-up-Unternehmen sowie die 560 Wohnungen auf dem Aldi-Gelände am Neuen Weg in Bergedorf-Süd.
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Tatsächlich stecken alle drei noch immer im Genehmigungsverfahren, wie das Bezirksamt auf Nachfrage bestätigt: Die Bebauungspläne von Stuhlrohrquartier und Neuem Weg stecken noch immer im Entwurfsstatus, der für das Weidensteg-Viertel ist politisch immerhin schon bestätigt und befindet sich derzeit in der Rechtsprüfung. Doch auch hier muss der Bauherr noch etliche Hausaufgaben machen. Und zur hier geplanten Schleusengraben-Brücke hinüber zum Schilfpark „gibt es keinen neuen Sachstand“, schreibt Bezirksamtssprecher Lennart Hellmessen.
Sorge um Inflation, Energie- und Baukostenentwicklung
„Ich weiß nicht, woran es liegt. Vielleicht am fehlenden Mut der Investoren, vielleicht an den unendlichen Genehmigungsverfahren, vielleicht am ewigen politischen Ränkespiel der Bergedorfer Politik. Oder an allem zusammen“, sagt Gramkow. Besser werde es nicht, eher schlechter, wie die galoppierende Inflation, die rasante Baukosten- und Energiepreissteigerung befürchten ließen. „Und das alles zusammen wird auch die Mieten unbezahlbar machen.“
Ob der Zug wirklich schon abgefahren ist, müssten die kommenden Wochen und Monate zeigen. „In jedem Fall sollten alle Beteiligten im Bezirksamt und den Investorenbüros Bergedorfs Zukunft nicht mehr auf die lange Bank schieben“, sagt Gramkow. Das gelte auch für neue Projekte: „Wir wissen heute, dass mit der Hauni einer der größten Arbeitgeber im Bezirk umziehen will. Diesem Bergedorfer Traditionsunternehmen muss so schnell wie möglich ein attraktiver neuer Standort im Bezirk angeboten werden. Gleichzeitig braucht es so schnell wie möglich Konzepte, was aus dem heutigen Hauni-Gelände werden soll.“
Ideen bei Politik und Verwaltung kaum durchsetzbar
Natürlich hat Rüdiger Gramkow viele Ideen dafür, schließlich ist das sein Kerngeschäft. „Eine Kombination aus Wohnen, Arbeiten und Freizeit wäre perfekt. Das ist attraktiv“, sagt der Projektentwickler. Aber genau das sei mit Politik und Verwaltung im Bezirksamt kaum durchsetzbar. „Seit Jahren setzen alle nur noch auf Wohnen, weil Hamburg das so will. Aber das macht Bergedorf mittelfristig zur Schlafstadt“, fürchtet Gramkow.
Entsprechend aufmerksam verfolgt er auch die vielen angelaufenen Projekte zur Entwicklung der Innenstadt. „Da ist mit dem Abriss des kleinen Karstadt am Markt, der Überplanung des großen Karstadt samt Parkhaus und dem professionellen Stadtmarketing vieles angekündigt.“ Aber auf konkrete Ergebnisse werde bisher vergeblich gewartet. „Das darf keine Hängepartie werden, wie etwa der bis heute bloß projektierte Rad- und Wanderweg am Schleusengraben. Dort bringt Bergedorf das Kunststück fertig, Tausenden Neubürgern in den Wohnvierteln am Wasser den Weg in die City abzuschneiden.“