Hamburg. Es besteht die Vermutung, Spekulanten lassen historische Gebäude in Bergedorf bewusst verkommen. Was das Bezirksamt sagt.

Die Innenstadt der Zukunft soll alle Bürger im Bezirk zu echten Bergedorfern machen. Mit Kultur, Gastronomie, Shopping-Spaß sowie ihrer hamburgweit einzigartigen historischen Architektur erreicht vor allem das Sachsentor die Herzen – und wird so zum Identifikationspunkt. Das wünschen sich Stadtplaner und Marketing-Experten, die gerade alle am Bergedorfer Innenstadt-Konzept basteln.

Doch die attraktive Fassade leidet unter Lochfraß. Das fürchten jedenfalls Bergedorfs Linke, die eine Große Anfrage zum Thema Denkmalschutz in Bergedorf gestellt haben. Ihre Sorge gilt vor allem drei prägendenden Ensembles: dem ehemaligen Klier-Moden neben Kaffee Timm im Herzen des Sachsentors, das vor zwei Jahren buchstäblich in letzter Sekunde vor dem Abriss gerettet wurde. Doch bis heute lässt die versprochene Restaurierung des Fachwerkgebäudes von 1732 durch den Eigentümer auf sich warten.

"Ekelhaus" am Reetwerder in Bergedorf steht leer

Ähnlich merkwürdig verhält es sich mit dem schönen weißen Altbau an der Ecke Alte Holstenstraße/Reetwerder, der vor vier Jahren als „Ekelhaus“ Schlagzeilen machte. Damals ließ das Bezirksamt zusammen mit Gesundheits- und Umweltbehörde das Gebäude räumen, nachdem der Eigentümer es durch Überbelegung und massiven Schädlingsbefall wegen mangelnder Hygiene hatte verkommen lassen. Seither gibt es eine Zwangsverwaltung und einen kompletten Leerstand.

Das dritte und wohl am stärksten vom Abriss bedrohte Ensemble liegt kaum 50 Meter weiter jenseits der Eisenbahnbrücke in Lohbrügge: Für die beiden rund 130 Jahre alten Wohn- und Geschäftshäuser Alte Holstenstraße 45 und 47 scheint das Ende bereits besiegelt. „Eine wirtschaftliche und denkmalgerechte Sanierung ist nicht darstellbar“, schreibt das Bezirksamt in seiner Antwort auf die Anfrage der Linken. Ein Gutachten komme zu dem Schluss, dass „eine weitreichende Schädigung der Gebäude vorhanden ist, verbunden mit starker Rissbildung in den Wänden und Bodenanschlussbereichen verschiedener Bauteile“.

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„Geschichte ist das Markenzeichen jedes lebendigen Stadtkerns“

Linken-Politiker Helmuth Sturmhoebel macht das sauer: „Den Verfall konnte man über die vergangenen Jahre von der Straße aus verfolgen.“ Während unten bis heute Geschäfte mit bunten Leuchtreklamen residierten, herrsche oben seit Jahren Leerstand, stünden mittlerweile schon die Fenster offen. „Eigentlich sind Eigentümer solcher Denkmäler in der Pflicht, mit staatlicher Förderung und steuerlichen Vorteilen den Erhalt zu sichern. Doch hier scheint schon lange das Gegenteil geplant zu sein. Man könnte es Spekulation nennen.“

Für Sturmhoebel fällt mit jedem zum Abriss freigegebenen Gebäude die Authentizität und damit das Identifikationspotenzial der Innenstadt. „Geschichte ist das Markenzeichen jedes lebendigen Stadtkerns. Wer sie wegreißen lässt, macht die City gesichtslos.“

Unklarer ist die Zukunft des einstigen „Ekelhauses“ am Reetwerder

Dass die Bagger auch den beiden anderen Ensembles drohen, gilt vorerst als unwahrscheinlich. Vor allem für das einstige Klier-Moden winkt Eigentümer Heiner Marcus Roskothen ab: „Wir mussten den Umbau des Gebäudes zu unserem neuen Bergedorfer Büro zwar verschieben. Aber wir holen das nach“, verspricht der geschäftsführende Gesellschafter des Maklers Pipping. Das bestätigt auch das Bezirksamt: „Uns liegt ein entsprechender Bauantrag vor, der sich aktuell noch in der Prüfung befindet.“

Etwas unklarer ist die Zukunft des einstigen „Ekelhauses“ am Reetwerder. „Das Amtsgericht hat die Zwangsverwaltung des Gebäudes angeordnet“, so das Bezirksamt. Die eingesetzte Verwalterin habe zwar Reparaturen etwa von Durchfeuchtungsschäden veranlasst, die zur Sicherung notwendig waren.

„Sie hat das Gebäude und die darin befindlichen Wohnungen allerdings nicht saniert oder in einen bewohnbaren Zustand versetzt.“ Zudem habe die Gläubiger-Bank gegen den Eigentümer bereits ein Zwangsversteigerungsverfahren angestrengt. Einen Termin hat das Amtsgericht Bergedorf allerdings noch nicht angesetzt. Ob ein neuer Eigentümer das 1912 errichtete, vierstöckige Gebäude abreißen lassen darf, müsse das Denkmalschutzamt entscheiden.