Hamburg. Die Welle an RSV, Grippe und Corona scheint vorbei. Doch die Situation bei den Kinderärzten in Hamburg bleibt angespannt.

Nach gut vier Wochen ist Schluss: Die wegen der RSV- und Grippewelle 2022/2023 extra eingerichtete Hamburger Infektpraxis für Kinder wird zum Monatsende wieder geschlossen. Die Inanspruchnahme der Einrichtung an der Notfallpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung an der Stresemannstraße (St. Pauli) war „sehr überschaubar“, wie es bei der KV hieß. Zum Teil kamen nur vier oder fünf, manchmal zehn oder zwölf Kinder am Tag zu den Kinderärzten, die in der Infektpraxis den Ansturm auf die regulären Kinderarztpraxen der Stadt abfangen helfen sollte.

Die Welle an Atemwegsinfekten mit den für kleine Kinder besonders gefährlichen RS-Viren (Respiratorisches Synzytialvirus), Grippe und Corona hatte Hamburg früh im November „erwischt“. Das lag zum Teil an den fallenden Corona-Schutzmaßnahmen wie aufgeweichter Maskenpflicht, die eine bis dato unübliche Häufung an Infektionen begünstigte.

Wegen der absehbaren Erkrankungswelle hatten Experten bereits im Sommer gewarnt und Hilfsmittel wie einen Vierfach-Test auf Influenza A und B, RSV und Corona entwickelt. Die Hamburger Kinderärztinnen und Kinderärzte hatten im Abendblatt bereits Anfang November gewarnt, dass die Praxen überlaufen werden und extrem überlastet seien.

Kinderärzte in Hamburg: Diese Welle haben wir nicht verkraftet

Die Vizevorsitzende der KV, Caroline Roos, sagte: „Die infektbedingte Anspannung hat im Januar nachgelassen, daher wurde unsere Infektpraxis täglich meist nur von einer Handvoll Patientinnen und Patienten aufgesucht.“ Die Vorsitzende der Kinder- und Jugendärzte in Hamburg, Dr. Claudia Haupt, bestätigte das. Sie sagte dem Abendblatt: „Möglicherweise ist die Grippewelle vorbei, aber bei den fieberhaften Infekten der Atemwege und bei Mittelohrentzündungen kann ich noch keine Entwarnung geben.“

Es gelte, noch zwei Monate Infektzeit abzuwarten. Möglicherweise sei die Infektpraxis Anfang des Jahres etwas zu spät gekommen, so Haupt. „Aber da kann man der KV keinen Vorwurf machen, Eine solche Welle hatte es in der Form noch nicht gegeben. Eine Lehre könnte sein, dass wir in Zukunft noch schneller reagieren.“ Es habe sich gezeigt, dass sowohl in den Praxen als auch in den Kinderkrankenhäusern die Versorgung „auf Kante genäht“ sei. Diese Krankheitswelle habe das System nicht verkraftet.

Brandbrief an Senat und Karl Lauterbach

Ihr Brandbrief an die Sozialsenatorin (damals Melanie Leonhard), Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und die KV fand keine Resonanz. Experten sagen nun: Ein früheres Reagieren hätte eine Vielzahl von Infektionen verhindert und die Versorgung der kranken Kinder verbessert. Als Schneeballeffekt infizierten sich auch Mütter und Väter, was zu einer beispiellosen Krankheitswelle um den Jahreswechsel mit Auswirkungen auf Schulen, Unternehmen und bis in den öffentlichen Nahverkehr führte.

Die Kinderärzte hatten gefordert, mehr Praxen zuzulassen, also die „Bedarfsplanung“ anzupassen, mehr Mediziner zu einer Praxisgründung zu bewegen, die Honorare zu „entbudgetieren“ sowie Ausgleiche für gestiegene Löhne, Mieten und Energiekosten zu zahlen. Nichts davon ist bislang umgesetzt – trotz der festen Koalitionsvereinbarung der Ampel-Regierung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), die Budgets bei den Hausärzten abzuschaffen und alle erbrachten Leistungen zu bezahlen. Lauterbach hatte auch den Kinderärzten Entlastung versprochen.

In Hamburg sind Wartelisten bei Kinderärzten genauso an der Tagesordnung wie Tricks, diese zu umschiffen.

RKI: Grippewelle 2023 ist vorbei

Bei den Hamburger Hausärzten hat sich die Situation bei den Patientinnen und Patienten mit Grippe und Atemwegsinfekten ebenfalls entspannt, wie der Vizevorsitzende der Vertreterversammlung, Dr. Björn Parey, sagte. Das Robert-Koch-Institut sieht bereits das Ende der Grippesaison. „Nach Definition der Arbeitsgemeinschaft Influenza endete die Grippewelle in Deutschland mit der 1. KW 2023“, heißt es in dem aktuellen Report.

Unter den Proben von erkrankten Patienten, die die ausgewählten Praxen an das RKI schickten, zeigen nur drei Prozent das Coronavirus (Sars-CoV-2). Der Löwenanteil waren RS-Viren, humane saisonale Coronaviren und Rhinoviren.