Hamburg. Beim Empfang im Rathaus erinnerten sich viele der 800 Gäste an ihre persönlichen Erlebnisse mit Helmut Schmidt.

Wenn der große Staatsakt für den verstorbenen Altkanzler Helmut Schmidt in der Hauptkirche St. Michaelis der Moment des Innehaltens und vielleicht auch des Nachdenkens über die grundsätzlichen Fragen unserer Existenz war, so bedeutete der Empfang im Rathaus danach den ersten Schritt zurück in das Leben.

Rund 800 Gäste waren der Einladung von Bürgerschaft und Senat in den Großen Festsaal und die angrenzenden Festräume gefolgt. Die meisten Trauernden hatten sich mit dem Bus vom Michel über die zum Teil abgesperrten Straßen der Innenstadt bis an das Rathaus fahren lassen. Die Staatsgäste fuhren mit ihren gepanzerten Limousinen vor. Viele Trauergäste – wie auch Bundespräsident Joachim Gauck und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt – nutzen die Gelegenheit, um sich auf der Rathausdiele in eines der Kondolenzbücher für Helmut Schmidt einzutragen, so wie es mehrere Tausend Hamburger und Hamburgerinnen vor ihnen getan hatten.

Trauer um Helmut Schmidt

Die Mitglieder der Hamburger Bürgerschaft während einer Schweigeminute für den früheren Bundeskanzler Helmut Schmidt
Die Mitglieder der Hamburger Bürgerschaft während einer Schweigeminute für den früheren Bundeskanzler Helmut Schmidt © dpa | Daniel Bockwoldt
Ein Papier mit einer Zeichnung des früheren Bundeskanzlers Helmut Schmidt (SPD) und seiner Frau Loki in einem Herz und der Aufschrift
Ein Papier mit einer Zeichnung des früheren Bundeskanzlers Helmut Schmidt (SPD) und seiner Frau Loki in einem Herz und der Aufschrift "HH sagt Tschüß" vor Schmidts Haus © dpa | Daniel Bockwoldt
Ein letzter Gruß mit einer durchgeweichten Mentholzigarette zum Gedenken an Altkanzler Helmut Schmidt
Ein letzter Gruß mit einer durchgeweichten Mentholzigarette zum Gedenken an Altkanzler Helmut Schmidt © dpa | Christian Charisius
Bestatter mit dem Sarg des verstorbenen Alt-Bundeskanzlers Helmut Schmidt
Bestatter mit dem Sarg des verstorbenen Alt-Bundeskanzlers Helmut Schmidt © dpa | Axel Heimken
Eine Polizeieskorte wartet neben dem mit Kerzen und Blumen geschmückten Zaun am Haus des verstorbenen Alt-Bundeskanzlers Helmut Schmidt
Eine Polizeieskorte wartet neben dem mit Kerzen und Blumen geschmückten Zaun am Haus des verstorbenen Alt-Bundeskanzlers Helmut Schmidt © dpa | Axel Heimken
Letzte Ehre für Helmut Schmidt: Polizisten salutieren, als der Leichenwagen vom Wohnhaus des Altbundeskanzlers in Langenhorn abfährt.
Letzte Ehre für Helmut Schmidt: Polizisten salutieren, als der Leichenwagen vom Wohnhaus des Altbundeskanzlers in Langenhorn abfährt. © dpa / picture alliance
Polizeieskorte zu Ehren des verstorbenen Alt-Bundeskanzlers Helmut Schmidt
Polizeieskorte zu Ehren des verstorbenen Alt-Bundeskanzlers Helmut Schmidt © dpa | Axel Heimken
Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit trägt sich ins Kondolenzbuch für Helmut Schmidt ein
Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit trägt sich ins Kondolenzbuch für Helmut Schmidt ein © Roland Magunia | Roland Magunia
Kondolenzbuch für Helmut Schmidt
Kondolenzbuch für Helmut Schmidt © Roland Magunia | Roland Magunia
Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit und die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank tragen sich ins Kondolenzbuch für Helmut Schmidt ein
Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit und die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank tragen sich ins Kondolenzbuch für Helmut Schmidt ein © Roland Magunia | Roland Magunia
Kondolenzbuch für Helmut Schmidt im Hamburger Rathaus
Kondolenzbuch für Helmut Schmidt im Hamburger Rathaus © Roland Magunia | Roland Magunia
Schlangestehen für das Kondolenzbuch für Helmut Schmidt
Schlangestehen für das Kondolenzbuch für Helmut Schmidt © Roland Magunia | Roland Magunia
Die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank
Die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank © Roland Magunia | Roland Magunia
Schlangen vor dem Rathaus
Schlangen vor dem Rathaus © Roland Magunia | Roland Magunia
Kondolenzbuch für Helmut Schmidt: Hamburger warten auf Einlass ins Rathaus
Kondolenzbuch für Helmut Schmidt: Hamburger warten auf Einlass ins Rathaus © Hanna-Lotte Mikuteit
Schüler vor dem Hamburger Rathaus am Tag nach dem Tod von Altbundeskanzler Helmut Schmidt
Schüler vor dem Hamburger Rathaus am Tag nach dem Tod von Altbundeskanzler Helmut Schmidt © HA
Halbmast-Beflaggung vor dem Hamburger Rathaus am Tag nach dem Tod von Altbundeskanzler Helmut Schmidt
Halbmast-Beflaggung vor dem Hamburger Rathaus am Tag nach dem Tod von Altbundeskanzler Helmut Schmidt © HA
Eine Karte mit der Aufschrift „Danke Herr Schmidt“ liegt zwischen Blumen und Kerzen vor dem Haus des früheren Bundeskanzlers Helmut Schmidt
Eine Karte mit der Aufschrift „Danke Herr Schmidt“ liegt zwischen Blumen und Kerzen vor dem Haus des früheren Bundeskanzlers Helmut Schmidt © dpa | Christian Charisius
Beflaggung am Schloss Bellevue, dem Amtssitz des Bundespräsidenten
Beflaggung am Schloss Bellevue, dem Amtssitz des Bundespräsidenten © dpa | Bernd von Jutrczenka
Helmut Schmidts Lebensgefährtin Ruth Loah im Auto vor dem Haus in Langenhorn
Helmut Schmidts Lebensgefährtin Ruth Loah im Auto vor dem Haus in Langenhorn © REUTERS | FABIAN BIMMER
Der Schriftzug
Der Schriftzug "R.I.P. Helmut Schmidt" neben einem Foto des rauchenden Altkanzlers an die Fassade der SPD-Parteizentrale in Berlin © dpa | Gregor Fischer
Passanten entzündeten
am Dienstagabend
vor dem Hamburger Rathaus
Kerzen und stellten
Fotos von Helmut
Schmidt dazu
Passanten entzündeten am Dienstagabend vor dem Hamburger Rathaus Kerzen und stellten Fotos von Helmut Schmidt dazu © HA | Roland Magunia
Trauernde legen in Hamburg vor dem Haus des früheren Bundeskanzlers Helmut Schmidt Blumen und Kerzen ab
Trauernde legen in Hamburg vor dem Haus des früheren Bundeskanzlers Helmut Schmidt Blumen und Kerzen ab © dpa | Bodo Marks
Der 96-Jährige ist am 10.11.2015 in seinem Haus verstorben
Der 96-Jährige ist am 10.11.2015 in seinem Haus verstorben © dpa | Christian Charisius
Eine Europaflagge mit einem Trauerflor hängt zum Gedenken an Helmut Schmidt vor dem Rathaus
Eine Europaflagge mit einem Trauerflor hängt zum Gedenken an Helmut Schmidt vor dem Rathaus © dpa | Axel Heimken
Eine Mutter und ihr Sohn legen vor dem Haus von Schmidt Blumen nieder
Eine Mutter und ihr Sohn legen vor dem Haus von Schmidt Blumen nieder © dpa | Christian Charisius
Kaum eine Stunde nach dem Tod von Schmidt versammeln sich die ersten Hamburger vor seinem Haus im beschaulichen Stadtteil Langenhorn
Kaum eine Stunde nach dem Tod von Schmidt versammeln sich die ersten Hamburger vor seinem Haus im beschaulichen Stadtteil Langenhorn © dpa | Bodo Marks
Sie legen Blumen nieder, zünden Kerzen an oder stehen einfach nur beieinander, um sich an „ihren“ Hamburger Ehrenbürger zu erinnern
Sie legen Blumen nieder, zünden Kerzen an oder stehen einfach nur beieinander, um sich an „ihren“ Hamburger Ehrenbürger zu erinnern © REUTERS | FABIAN BIMMER
Schmidt ist am Dienstag in seinem Haus in Langenhorn friedlich eingeschlafen
Schmidt ist am Dienstag in seinem Haus in Langenhorn friedlich eingeschlafen © REUTERS | FABIAN BIMMER
Hamburger legen vor dem Haus am Dienstagabend Blumen nieder
Hamburger legen vor dem Haus am Dienstagabend Blumen nieder © REUTERS | FABIAN BIMMER
Hamburg trauert um Helmut Schmidt
Hamburg trauert um Helmut Schmidt © dpa | Christian Charisius
Für viele zählte Schmidt zu den bedeutendsten Politikern der Nachkriegszeit
Für viele zählte Schmidt zu den bedeutendsten Politikern der Nachkriegszeit © REUTERS | FABIAN BIMMER
Trauerbeflaggung am Hamburger Rathaus
Trauerbeflaggung am Hamburger Rathaus © Roland Magunia | Roland Magunia
Der Hamburger Flughafen setzte die Flaggen am Dienstag auf Halbmast
Der Hamburger Flughafen setzte die Flaggen am Dienstag auf Halbmast © Hamburg Airport
Ebenso die Flagge am Steigenberger Hotel auf der Fleetinsel
Ebenso die Flagge am Steigenberger Hotel auf der Fleetinsel © Jakob Drechsler
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Vielleicht hätte Helmut Schmidt die hanseatisch-unprätentiöse, beinahe lockere Art der Zusammenkunft gefallen. Bei Kanapees und Getränken entspannten sich schnell zahlreiche Gespräche, die eines belegten: Die Normalität des geschäftigen Lebens hielt wieder Einzug.

Während auch die meisten Ehrengäste den Weg ins Rathaus fanden, fuhren Bundeskanzlerin Angela Merkel und Mitglieder der Bundesregierung zur Kabinettssitzung sofort zurück nach Berlin. Susanne Schmidt-Kennedy und der engste Familienkreis hielten sich auch im Rathaus auf, blieben dem Empfang aber fern. Bürgermeister Olaf Scholz nutzte die Gelegenheit, um sich zu einem Gespräch mit Susanne Schmidt-Kennedy zurückzuziehen. Unter den Gästen im Rathaus war auch Ex-US-Außenminister Henry Kissinger. „Das ist ein sehr beeindruckender Mann“, sagte Scholz über den 92-jährigen, langjährigen Weggefährten von Helmut Schmidt.

Der verstorbene Ehrenbürger blieb in vielen Gesprächsrunden gegenwärtig. Es kennzeichnet einen über so viele Jahrzehnte öffentlich wirkenden Mann wie Schmidt, dass sehr viele Menschen ihre besonderen, in Hamburg gerade auch sehr persönlichen Erlebnisse mit ihm hatten. Manche Begebenheit hat der Tod des Altkanzlers überhaupt erst wieder ins Gedächtnis gerufen.

Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt, Sozialdemokratin und frühere Bürgerschaftspräsidentin, erinnert sich daran, wie Schmidt ihr im Rathaus einmal einen sehr praktischen Rat gab. „Dorothee, Du musst lauter reden!“, sagte Schmidt, ein bekennend Schwerhöriger, unverblümt nach einer Rede Stapelfeldts als Bürgerschaftspräsidentin im Rathaus. Da waren die beiden schon zum Genossen-Du übergegangen. Andererseits konnte Schmidt bei offiziellen Anlässen wie einem Senatsfrühstück sehr förmlich sein. „Frau Stapelfeldt, wie hoch ist der Migrantenanteil in Hamburg?“ konnte er dann quer über den Tisch Auskunft begehren. Ganz am Anfang, zu Beginn der 80er Jahre, war die Distanz der Jungsozialistin Stapelfeldt zum damaligen Kanzler so groß, dass sie seiner Einladung zu seinem Geburtstag nicht folgte. „Damals fand ich das unpassend“, sagt Stapelfeldt und ärgert sich heute vielleicht ein wenig darüber.

Ein geradezu dramatisches Erlebnis verbindet den früheren SPD-Bürgerschaftsfraktionschef Holger Christier mit Helmut Schmidt. „Es war 1975, und Schmidt sollte ins Kirchenpauer-Gymnasium in Hamm kommen“, erzählt Pädagoge Christier. 500 Menschen hatten sich in der Aula der heute nicht mehr bestehenden Schule versammelt. „Wer nicht kam, war Schmidt. Und als er schließlich da war, klappte er in meinem Büro zusammen. Er lag auf dem Fußboden“, sagt Christier. Die Rettung war Coca-Cola, doch die war nicht gleich zur Hand, sodass Christier zum nächsten Kiosk sprintete. Das Getränk, in größeren Mengen genossen, wirkte belebend auf Schmidt. „Er stand wieder auf den Beinen, und hat drei Stunden lang geredet. Die Leute waren begeistert“, sagt Christier.

Einig waren sich alle Gäste darin, dass der Staatsakt im Michel eine sehr würdevolle und angemessene Trauerfeier war. „Das war ein absolut perfekter Staatsakt“, fasste Altbürgermeister Henning Voscherau, ein Freund Schmidts und Mitglied der berühmten Freitagsgesellschaft im Langenhorner Haus, seine Eindrücke zusammen. Und wer wollte, der konnte ein leises Bedauern darüber heraushören, dass die Würdigungen Schmidts nicht noch ein wenig persönlicher ausgefallen waren.