Hamburg . News-Blog: Angela Merkel, Olaf Scholz und Henry Kissinger sprechen beim Staatsakt über Helmut Schmidt, die Weltpolitik und Hamburg.
Es waren ausgesprochen kluge und bewegende Reden, die Bundeskanzlerin Angela Merkel, der frühere US-Außenminister Henry Kissinger und Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz an diesem besonderen Tag hielten. Dieser Montag wird in die Geschichte Hamburgs eingehen. Der Staatsakt für den am 10. November gestorbenen Altkanzler und Ehrenbürger Helmut Schmidt dominiert das Geschehen in der Hansestadt.
Rund 1800 hochrangige Gäste aus dem In- und Ausland kamen im Michel zusammen, um Schmidt zu würdigen. Hauptpastor Alexander Röder erinnerte an den pflichtbewussten Bürger und Bundeskanzler Helmut Schmidt. Er sprach auch über die Wünsche Schmidts für seine eigene Trauerfeier.
Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz wurde sehr philosophisch, erinnerte an Immanuel Kant und Karl Popper als Denker, denen Schmidt gefolgt war. Und Scholz zitierte Schmidt vor dem Hintergrund von Terror und Flüchtlingskrise und der Notwendigkeit eines einigen Europas: Es sei notwendig, damit sich "die große Scheiße des Krieges" nicht wiederhole. Und: Helmut Schmidt habe sich an seiner Heimatstadt Hamburg gerieben. Nur in seinem letzten Buch habe er das Positive in der Stadtentwicklung hervorgehoben. Scholz sagte, er habe mit Schmidt Zeit im Hafen verbracht und mit ihm über Hamburg diskutiert. "Wir haben einen Giganten verloren."
Staatsakt für Helmut Schmidt: Die wichtigsten Bilder
Die letzte Reise von Helmut Schmidt ist zu Ende
13.10 Uhr: Ankunft in Ohlsdorf: Der Wagen mit dem Sarg Helmut Schmidts wird jetzt von der Öffentlichkeit abgeschirmt. Wie viele Menschen an den Straßen standen, kann man noch nicht abschätzen. Beobachter im Innenstadtbereich sprachen von Tausenden. Nach Einschätzung vieler fuhr der Wagen recht schnell. Dadurch haben ihn einige Passanten nur kurz gesehen. Eine Besucherin sagte einer Reporterin des Hamburger Abendblatts: "Heute ist Kanzlerwetter."
Trauerzug fährt durch Hamburg
12.45 Uhr: Der Wagen mit dem Sarg Helmut Schmidts fährt los, durch die Innenstadt, am Rathaus vorbei, an der Binnenalster, der Außenalster Richtung Uhlenhorst, Winterhude, Alsterdorf und Ohlsdorf. Im Rathaus fängt in Kürze der Trauerempfang an. Das ist die geplante Route zum Friedhof Ohlsdorf: Ludwig-Erhard-Straße / Willy-Brandt-Straße / Brandstwiete / Schmiedestraße / Bergstraße / Mönckebergstraße / Rathausmarkt / Plan / Ballindamm / Ferdinandstor / An der Alster / Schwanenwik / Herbert-Weichmann-Straße / Sierichstraße / Bebelallee / Rathenaustraße / Alsterdorfer Straße.
Nationalhymne vor dem Michel
12.32 Uhr: Soldaten übernehmen den Sarg vor dem Michel. Die Trauergemeinde mit Susanne Schmidt, Ruth Loah, Bundespräsident Joachim Gauck und weiteren protokollarischen Top-Gästen an der Spitze steht dahinter. Die Nationalhymne wird ein weiteres Mal gespielt. Die Ludwig-Erhard-Straße ist abgesperrt, Dutzende Staatskarossen parken auf der sonst vielbefahrenen Straße. Der Trauerzug zieht über die Straße Richtung Rödingsmarkt.
Der Sarg mit Helmut Schmidt verlässt den Michel
12.24 Uhr: Die Nationalhymne wird gesungen, es folgt das große militärische Ehrengeleit. Acht Hamburger Sargträger nehmen den Sarg auf. Ein kleiner protokollarischer Kniff. Denn eigentlich tun das Soldaten. Doch Schmidt hatte das so verfügt.
Merkel: Ein großer Deutscher
12.06 Uhr: Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach nach den Staatspräsidenten, den „Exzellenzen“, ihren Kabinettskollegen und dem Bürgermeister auch die Hinterbliebenen direkt an: „Liebe Frau Schmidt, liebe Frau Loah.“ Merkel sagte, Schmidt sei eine Instanz gewesen, über alle Partei- und Generationsgrenzen hinweg. „Er fehlt uns allen.“ Selbst Schmidts Randbemerkungen „waren eine Klasse für sich“. Die Kanzlerin wurde persönlich: Während der Sturmflut 1962 habe sie mit ihrer Familie um die Angehörigen in Hamburg gebangt. Merkel wurde 1954 im Elim-Krankenhaus in Eimsbüttel geboren. Ihr Vater nahm später eine Stelle als Pastor in der ehemaligen DDR an. „Helmut Schmidt lebte vor, in einer solchen Situation Verantwortung zu übernehmen.“
Merkel sprach über gemeinsame Begegnungen, über das Pflichtbewusstsein Schmidts und dessen Last der Verantwortung während des deutschen Herbstes und des RAF-Terrors 1977. "Was hätte Helmut Schmidt zu den Anschlägen gesagt", frage Merkel rhetorisch in Anspielung auf die Attentate in Paris am 13. November. Die Frage verbiete sich eigentlich. Die Kanzlerin erinnerte daran, dass Europa in Zeiten des Terrors zusammenstehen müsse. Sie verneige sich vor einem großen Deutschen, einem Staatsmann und Europäer, vor einem unabhängigen Geist. "Lieber Helmut Schmidt, Sie werden uns fehlen."
Henry Kissinger: Ein Pfeiler meines Lebens
11.32 Uhr: Ex-Außenminister Henry Kissinger spricht auf Deutsch über Schmidt und die Jahrzehnte währende Bekanntschaft und Freundschaft. "Er war breiter gebildet als die meisten Spitzenpolitiker der Nachkriegszeit." Am Klavier sei er so virtuos gewesen, dass er Mozart-Konzerte habe geben können. Kissinger sagte, die Freundschaft zu Schmidt sei ein Pfeiler seines Lebens gewesen. Schmidt sei ein Pragmatiker gewesen. Aber der Bundeskanzler habe Anfang der Achtziger auch seine Zweifel gehabt, ob es richtig sei, Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik zu stationieren. Sein Intellekt habe ihn dann geleitet, die Entscheidung der Nato durchzupauken. Aber: Schmidt habe große Skepsis gegenüber den USA gehabt. "Er war eine Art Weltgewissen." Kissinger sagte: "Er wird bei uns bleiben, perfektionistisch, launisch."
Staus haben sich aufgelöst
11.30 Uhr: Die Hamburger Polizei meldet: keine Auffälligkeiten, alles normal beziehungsweise wie geplant, soweit man das für diesen außergewöhnlichen Tag sagen kann. Aus der Verkehrsleitzentrale hieß es, die vielen Staus vom Morgen hätten sich abgebaut. Nur rund um den Michel sei die Lage noch angespannt.
Olaf Scholz spricht die Tochter und die Lebensgefährtin an
11.08 Uhr: Bürgermeister Olaf Scholz erinnert an die Lebensleistung Schmidts und kann sich einen Seitenhieb nicht verkneifen. Jemand habe von Helmut Schmidt als dem "Erleuchteten" geschrieben. Doch das sei wohl ein Übersetzungsfehler. Im englischen Original habe da "enlightened" gestanden, das bedeute "aufgeklärt" im philosophischen Sinne. "Seine Gradlinigkeit hat ihn zum Vorbild für viele gemacht", sagte Scholz. Der Bürgermeister sprach Tochter Susanne Schmidt-Kennedy (kam mit ihrem Mann Brian Kennedy, ebenfalls Banker) direkt an. Und er nannte auch die Familie Loah. Ruth Loah war zuletzt Schmidts Lebensgefährtin nach dem Tod seiner Frau Loki (2010).
Kent Nagano dirigiert
11.02 Uhr: Kent Nagano dirigiert das Philharmonische Staatsorchester. Der kirchliche Teil ist beendet, der eigentliche Staatsakt beginnt.
Langenhorner spielt niederdeutsches Lied
10.57 Uhr: Jochen Wiegandt aus Langenhorn spielt zu Gitarrenbegleitung das Volkslied „Mien Jehann“. Das Lied in niederdeutscher Sprache gilt als das bekannteste Gedicht des plattdeutschen Lyrikers Klaus Groth (1819-1899).
Bewegende Worte von Hauptpastor Röder
10.50 Uhr: Hauptpastor Alexander Röder spricht über Schmidts Wünsche für die Trauerfeier: dass er das Abendlied von Matthias Claudius wollte, dass ihm wichtig war, dass sein Pflichtbewusstsein erwähnt wird – aber auch sein Sensus für die Bedürftigen. "Ein langes und reiches Leben hat sich nun vollendet", so Röder. Es folgt das Lied "Der Mond ist aufgegangen".
Der Staatsakt im Michel beginnt
10.32 Uhr: Der Staatsakt beginnt mit Musik von Bach. Henry Kissinger wurde von Angela Merkel gestützt. Seine Rede wurde vorab nicht bekannt, auch nicht, ob er sie auf Deutsch hält.
Promi-Paare Wulff und Schröder
10.24 Uhr: In Trauer vereint: Die Wulffs sind da, die Schröders, Horst Köhler und die ehemalige First Lady Eva-Luise Köhler und und und. Alle tragen ernste Mienen.
Merkel, Steinmeier, Mehdorn kommen
10.12 Uhr: Bundeskanzlerin Angela Merkel ist da, vor ihr waren Außenminister Frank-Walter Steinmeier und der frühere rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck eingetroffen. Kurz vor ihnen gingen Peter Altmaier (Kanzleramtsminister) und Hartmut Mehdorn (Ex-Bahn-, Ex-Air-Berlin-Chef) in die Kirche.
Bundespräsident Gauck eingetroffen
10.06 Uhr: Bundespräsident Joachim Gauck trifft am Michel ein. Er hatte den Staatsakt angeordnet. Hunderte Hamburgerinnen und Hamburger säumen die Straßen rund um den Michel.
Kranz von der GSG 9
9.55 Uhr: Auch die GSG 9 hat einen Kranz für Helmut Schmidt abgelegt. Die Elitetruppe hatte 1977 die Lufthansa-Maschine Landshut in Mogadischu aus der Hand der Entführer befreit. Schmidt gab den Angriffsbefehl. Kein Passagier wurde getötet. Kurz danach ermordeten RAF-Terroristen den entführten Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer.
Peer Steinbrück eingetroffen
9.46 Uhr: Peer Steinbrück ist da. Der frühere Bundesfinanzminister und nordrhein-westfälische Ministerpräsident ist gebürtiger Hamburger und war ein Freund Helmut Schmidts. Im Michel hat auch Verlegerin Friede Springer Platz genommen. Der frühere französische Präsident Valery Giscard d'Estaing kam gesenkten Hauptes zum Michel. In der Nähe des Michel entfernen Feuerwehrleute ein Fahrrad, das in der Sicherheitszone angekettet ist. Die Sonne strahlt, nachdem am Sonntag das Wetter winterlich und verschneit war.
Sicherheits-Check im CCH
9.31 Uhr: Die ersten Gäste sind da, die Sicherheitslage vor dem Michel ist angespannt, aber es ist ein würdiger Rahmen, wie Beobachter berichten. Gäste und Journalisten müssen durch den Sicherheitscheck am CCH und werden von dort zum Michel gebracht.
Polizisten bei Minusgraden auf Posten
9.07 Uhr: Seit dem frühen Morgen stehen sich die Polizisten rund um Rathaus und Michel die Beine in den Bauch. "Kein Vergnügen", wie ein Beamter angesichts der Temperaturen von -0,5 Grad am Morgen sagte. Doch die Beamten geben ausgewiesen freundlich Auskunft über die Umwege, die man nehmen muss, um in Büros, zu Bäckereien und Läden zu kommen.
Livestream bei abendblatt.de ab 10.30 Uhr
8.26 Uhr: In der Innenstadt ist der Busverkehr zum Teil behindert durch die massiven Sicherheitsauflagen. Gut eine Woche nach den Terroranschlägen von Paris ist die Lage noch angespannter, als sie es angesichts der "sicherheits-sensiblen" Gäste wie Bundespräsident Joachim Gauck oder Bundeskanzlerin Angela Merkel ohnehin wäre. Der Wagen mit dem Sarg des Altkanzlers wird nach dem Staatsakt (Beginn: 10.30 Uhr, Dauer: etwa zwei Stunden) vom Michel über Innenstadt und Alster zum Ohlsdorfer Friedhof fahren. Der Livestream, den die ARD zur Verfügung stellt, startet bei abendblatt.de gegen 10.30 Uhr.
Am Sonntag wurde das Zeremoniell am Michel bereits geprobt. Die Spezialisten der Hamburger Polizei und des Bundeskriminalamtes (BKA) haben längst ihre Arbeit aufgenommen. Die Polizei hatte die Anwohner rund um den Michel mit Aushängen in Hauseingängen über die geplanten Sperrungen informiert. Die Häuser in der sensiblen Zone sind während des Staatsaktes nur zu Fuß zu erreichen. Die Polizei wird Zugangs- und Personenkontrollen durchführen. Sie rät Anwohnern, den Personalausweis dabei zu haben und auf Verlangen vorzuzeigen.
Trauer um Helmut Schmidt
Helmut Schmidts letzter Weg durch die Stadt
Auf dem Ohlsdorfer Friedhof soll Schmidt eingeäschert und unter Ausschluss der Öffentlichkeit im Familiengrab bestattet werden. Die Trauergäste werden auf Einladung von Bürgerschaft und Senat im Rathaus zu einem Trauerempfang erwartet. Dieser endet gegen 15.30 Uhr.
Helmut Schmidt war am 10. November im Alter von 96 Jahren in seinem Haus am Neubergerweg in Langenhorn gestorben. Der Sozialdemokrat war von 1974 bis 1982 Bundeskanzler. Von 1983 bis zu seinem Tod war er Herausgeber der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“.