Hamburg . Der Staatsakt im Michel geht in die Geschichte Hamburgs ein. Die wichtigsten Zitate, Bilder und Videos zu Helmut Schmidt.
Der 23. November 2015 wird in die Hamburger Geschichte eingehen. Der größte Sohn der Stadt, wie es bei der Trauerfeier und dem Staatsakt für Helmut Schmidt hieß, hat seine letzte Reise angetreten und vollendet. Der am 10. November im Alter von 96 Jahren verstorbene Altkanzler wird auf dem Friedhof Ohlsdorf beigesetzt. Der Staatsakt im Michel mit rund 1800 Gästen aus dem In- und Ausland sowie engen Weggefährten von Helmut und Loki Schmidt war ergreifend, persönlich und politisch. Die drei Redner Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bürgermeister Olaf Scholz und Ex-US-Außenminister Henry Kissinger wählten kluge, teils philosophische, aber immer an Helmut Schmidt ausgerichtete Worte.
Der Sargwagen war vom Staatsakt im Michel am Rathaus und der Alster vorbei durch die Stadt gefahren worden. Tausende Menschen verfolgten am Straßenrand den Trauerzug. Schmidt soll eingeäschert und dann im engsten Kreis im Familiengrab beigesetzt werden. Der Termin der Beisetzung wurde nicht bekannt gegeben.
Im Video: Helmut Schmidt rührt Hamburger zu Tränen
Im Rathaus hat der Trauerempfang für geladene Gäste begonnen. Bundespräsident Joachim Gauck und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt trugen sich am Montag zu Beginn ins Kondolenzbuch ein.
Hauptpastor Alexander Röder erinnerte an den pflichtbewussten Bürger und Bundeskanzler Helmut Schmidt. Er sprach auch über die Wünsche Schmidts für seine eigene Trauerfeier.
Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz wurde sehr philosophisch, erinnerte an Immanuel Kant und Karl Popper als Denker, denen Schmidt gefolgt war. Und Scholz zitierte Schmidt vor dem Hintergrund von Terror und Flüchtlingskrise und der Notwendigkeit eines einigen Europas: Es sei notwendig, damit sich "die große Scheiße des Krieges" nicht wiederhole. Und: Helmut Schmidt habe sich an seiner Heimatstadt Hamburg gerieben. Nur in seinem letzten Buch habe er das Positive in der Stadtentwicklung hervorgehoben. Scholz sagte, er habe mit Schmidt Zeit im Hafen verbracht und mit ihm über Hamburg diskutiert. "Wir haben einen Giganten verloren."
Helmut Schmidt: Die wichtigsten Zitate des Staatsaktes
Henry Kissinger: „Er war eine Art Weltgewissen.“
Angela Merkel. „Helmut Schmidt war eine Instanz. Sein hohes Ansehen hat seinen guten Grund. Mir kommt dazu ein Wort in den Sinn: Verantwortung. Helmut Schmidt war bereit und fähig, jede Situation und jede Aufgabe, die ein Amt mit sich brachte, anzunehmen und sich ihnen zustellen - und seien sie auch noch so schwierig.“
Olaf Scholz: „Wir werden die Freiheit, die Gleichheit und die Brüderlichkeit unserer offenen Gesellschaft gegen diese feigen Angriffe verteidigen. (...) Wir verteidigen sie, indem wir sie so leben und verkörpern, wie Helmut Schmidt es zeitlebens getan hat."
Angela Merkel: „Helmut Schmidts Tod ist für uns alle eine herbe Zäsur. Ich verneige mich in tiefem Respekt vor diesem großen Staatsmann, vor einem großen Deutschen und Europäer.“
Olaf Scholz: „Wir haben einen Giganten verloren.“
Henry Kissinger: „Zu Helmuts 90. Geburtstag sprach ich die Hoffnung aus, dass er mich überleben würde, weil eine Welt ohne ihn ein sehr, sehr leere wäre. Ich habe mich geirrt. Helmut wird bei uns bleiben. Perfektionistisch, launisch, stets auf der Suche, inspirierend, immer zuverlässig, so wird er uns für den Rest unseres Lebens begleiten.“
Olaf Scholz: „Es ist noch kaum vorstellbar, dass wir künftig gesellschaftliche und politische Debatten ohne ihn werden führen müssen.“
Angela Merkel: „Wer kennt sie nicht, die viel zitierte Empfehlung Helmut Schmidts: ,Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen.' Er selbst hat die Aussage später wie folgt eingeordnet, ich zitiere: ,Es war eine pampige Antwort auf eine dusselige Frage."“
Angela Merkel: „Die größte Bewährungsprobe für den Bundeskanzler Helmut Schmidt war der Terrorismus der sogenannten Rote Armee Fraktion. (...) Wir stehen an diesem Tag, an dem wir von Helmut Schmidt Abschied nehmen, wieder unter dem Eindruck grausamer Attentate. (...) Die Motive heute sind andere, die Umstände auch. Aber Terror bleibt Terror. (...) Was hätte Helmut Schmidt zu den Anschlägen gesagt? Diese Frage liegt nahe und doch verbietet sie sich. Wir müssen selbst die gebotene Antwort geben. Wir müssen selbst zeigen, dass wir verstanden haben, was es bedeutet, Verantwortung zu übernehmen.“
Hauptpastor Alexander Röder: „Er ist für sie eine Autorität, ein Vorbild an Gradlinigkeit, Pflichtbewusstsein, Redlichkeit und Mut, Klugheit und Klarheit in seiner Haltung, manchmal auch Kantigkeit und zugleich Bodenständigkeit. So bleibt er in Erinnerung, auch über seinen Tod hinaus.“
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Angela Merkel: Schmidt war eine Klasse für sich
Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach nach den Staatspräsidenten, den „Exzellenzen“, ihren Kabinettskollegen und dem Bürgermeister auch die Hinterbliebenen direkt an: „Liebe Frau Schmidt, liebe Frau Loah.“ Merkel sagte, Schmidt sei eine Instanz gewesen, über alle Partei- und Generationsgrenzen hinweg. „Er fehlt uns allen.“ Selbst Schmidts Randbemerkungen „waren eine Klasse für sich“.
Die Kanzlerin wurde persönlich: Während der Sturmflut 1962 habe sie mit ihrer Familie um die Angehörigen in Hamburg gebangt. Merkel wurde 1954 im Elim-Krankenhaus in Eimsbüttel geboren. Ihr Vater nahm später eine Stelle als Pastor in der ehemaligen DDR an. „Helmut Schmidt lebte vor, in einer solchen Situation Verantwortung zu übernehmen.“
Merkel sprach über gemeinsame Begegnungen, über das Pflichtbewusstsein Schmidts und dessen Last der Verantwortung während des deutschen Herbstes und des RAF-Terrors 1977. "Was hätte Helmut Schmidt zu den Anschlägen gesagt", frage Merkel rhetorisch in Anspielung auf die Attentate in Paris am 13. November dieses Jahres. Die Frage verbiete sich eigentlich. Die Kanzlerin erinnerte daran, dass Europa in Zeiten des Terrors zusammenstehen müsse. Sie verneige sich vor einem großen Deutschen, einem Staatsmann und Europäer, vor einem unabhängigen Geist. "Lieber Helmut Schmidt, Sie werden uns fehlen."
Henry Kissinger: Er war gebildet und virtuos
Der frühere amerikanische Außenminister Henry Kissinger sprach auf Deutsch, seiner Muttersprache, über Schmidt und die Jahrzehnte währende Bekanntschaft und Freundschaft. "Er war breiter gebildet als die meisten Spitzenpolitiker der Nachkriegszeit." Am Klavier sei er so virtuos gewesen, dass er Mozart-Konzerte habe geben können. Kissinger sagte, die Freundschaft zu Schmidt sei ein Pfeiler seines Lebens gewesen.
Schmidt sei ein Pragmatiker gewesen. Aber der Bundeskanzler habe Anfang der Achtziger auch seine Zweifel gehabt, ob es richtig sei, Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik zu stationieren. Sein Intellekt habe ihn dann geleitet, die Entscheidung der Nato durchzupauken. Aber: Schmidt habe große Skepsis gegenüber den USA gehabt. "Er war eine Art Weltgewissen." Kissinger sagte: "Er wird bei uns bleiben, perfektionistisch, launisch."
Trauer um Helmut Schmidt
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Bürgermeister Olaf Scholz erinnerte an die Lebensleistung Schmidts und konnte sich einen Seitenhieb nicht verkneifen. Jemand habe von Helmut Schmidt als dem "Erleuchteten" geschrieben. Doch das sei wohl ein Übersetzungsfehler. Im englischen Original habe da "enlightened" gestanden, das bedeute "aufgeklärt" im philosophischen Sinne. "Seine Gradlinigkeit hat ihn zum Vorbild für viele gemacht", sagte Scholz. Der Bürgermeister sprach Tochter Susanne Schmidt-Kennedy direkt an. Und er nannte auch die Familie Loah. Ruth Loah war zuletzt Schmidts Lebensgefährtin nach dem Tod seiner Frau Loki (2010).
Im Michel hatte Jochen Wiegandt aus Langenhorn zu Gitarrenbegleitung das Volkslied „Mien Jehann“ gesungen. Das Lied in niederdeutscher Sprache gilt als das bekannteste Gedicht des plattdeutschen Lyrikers Klaus Groth (1819-1899). Das Lied "Der Mond ist aufgegangen" wurde ebenfalls gesungen.
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