Hamburg. 300 Soldaten geben Schmidt das „große Ehrengeleit des Staatsakts“. Auf eine Totenwache hatte er verzichtet.
Susanne Schmidt-Kennedy stützt sich etwas auf den Arm von Bundespräsident Joachim Gauck. Er ist es, der die einzige Tochter Helmut Schmidts gestern Mittag als Erste nach dem Gottesdienst aus dem Michel führt. Portal 8, 12.26 Uhr. Man meint, an ihrem Gesicht ablesen zu können, dass sie sich bemüht, ihre Emotionen zu zügeln. Gauck drückt anteilnehmend ihre Hand. Die beiden laufen hinter dem Sarg her. Gerade sind die letzten Noten der Nationalhymne gesungen worden – draußen hört man dies nur dadurch, dass jemand die TV-Übertragung auf dem Handy laufen ließ.
Trauer um Helmut Schmidt
Jetzt ist es sehr still. Ohne musikalische Begleitung wird der Sarg, gehüllt in die schwarz-rot-goldene Fahne, von den zivilen Sargträgern getragen. Es sind Hamburger, genauso, wie es sich der Verstorbene erbeten hatte. Schmidt wollte auch, dass auf die militärische Totenwache verzichtet wird – und keine Soldaten bereits im Michel am Sarg stehen.
Der Schritt der Träger ist langsam, vorsichtig gehen sie über die leicht gefrorenen Gedenkplatten auf dem Vorplatz in Richtung Ludwig-Erhard-Straße. Zuvor wurde extra Salz gestreut, damit niemand stürzt.
Schmidt-Kennedy und Gauck stoppen hinter dem Sarg, der auf einem gläsernen Katafalk nahe dem Bordstein abgesetzt wurde – vis-à-vis der acht Soldaten des Wachbataillons, die als offizielle Sargträger ihre vorgesehenen Plätze neben dem Katafalk eingenommen haben und den Sarg nachher übernehmen werden. Die Truppenfahne wird gesenkt. Ohne Regung stehen dahinter drei Reihen von Soldaten. Die rund 300 Männer bilden die Ehrenformation des Wachbataillons des Verteidigungsministeriums, neben diesen hat sich das Stabsmusikkorps der Bundeswehr platziert.
Hier schließt sich nun der letzte, der militärische Teil der festlichen Verabschiedung an: Das große Ehrengeleit des Staatsakts, der einzig vom Bundespräsidenten angeordnet werden kann. Diese Ehre wird „Menschen des öffentlichen Lebens gewährt, die sich um das deutsche Volk hervorragend verdient gemacht haben“ – natürlich auch einem Bundeskanzler a. D. wie Helmut Schmidt. Es ist erst das zweite Mal, dass solch ein hochoffizielles Zeremoniell in Hamburg abgehalten wird: Vor 20 Jahren wurde Karl Schiller, Finanzminister a. D., so verabschiedet. Der Ablauf des Ehrengeleits dauert etwa 20 Minuten und folgt einem minutiösen Protokoll.
„Das Gewehr: über! Präsentiert das Gewehr! Augen rechts!“ ruft der Kommandeur, Oberstleutnant Thorsten Nebel. Die Hacken knallen zusammen, die Repräsentationswaffen klacken synchron. Danach wieder Stille. Währenddessen strömen wortlos die Trauergäste aus der Kirche auf den Vorplatz, ein Meer aus schweigenden Schwarzgekleideten entsteht.
Die Ehrenformation ist aus drei Kompanien zusammengesetzt, wobei jede Waffengattung eine Kompanie stellt: Heer, Marine und Luftwaffe, an den grünen, weißen und blauen Baretts auszumachen. Vor dem Michel hatten sie seit rund 40 Minuten stramm stehend gewartet. Auch, wenn Thorsten Nebel den Befehl „Bequem stehen!“ gegeben hatte, sah die Haltung doch wenig komfortabel aus.
Fast erlösend ist es für die Gäste, als das Stabsmusikkorps den Trauerchoral „Jesu meine Zuversicht“ und im Anschluss die Nationalhymne spielt. Gauck stützt Susanne Schmidt-Kennedy und drückt erneut ihren Arm. Sie hält ihre Handtasche mit beiden Händen fest. Ihre Augen hängen am Sarg, neben ihr wirkt Schmidts letzte Lebensgefährtin Ruth Loah auffällig klein, aber standhaft. Sie wird von Helmut Schmidts Schwiegersohn Brian Kennedy flankiert.
Nach der Nationalhymne klatscht lediglich ein Passant. Niemand will einstimmen. Der Moment, er verlangt nach Stille, hat er doch etwas Erhebendes, etwas Andächtig-Geschichtsträchtiges. „Augen rechts!“ erschallt das Kommando, gleichzeitig heben die Träger den Sarg an und gehen seitwärts mit sehr kleinen Schritten den Bordstein hinunter. Dann erst betten sie ihn auf ihre Schultern und ziehen vorbei an der Ehrenformation hin zu den Leichenwagen: In den einen wird der Sarg gebettet, er fährt voraus. Im zweiten liegt der riesige Kranz der Familie aus Sonnenblumen.
Alle schauen nun Richtung Rödingsmarkt, als der Sargwagen mit der Motorrad-Eskorte der Polizei leise startet. Das „Lied vom guten Kameraden“ wird noch gespielt. Dann treten alle ab.