Die Lage ist angespannt: Wie soll es weitergehen? Wer zur Arbeitsagentur muss, hofft inständig auf einen neuen Job. Der ist schwer zu finden. Abendblatt-Redakteurin Regina Gasper hat sich auf Arbeitssuche begeben.

Ich soll persönlich vorbeikommen. So steht es in der Antwortmail auf meine Anfrage: "Ich werde entlassen - was tun?" Hier stehe ich nun, mit klopfendem Herzen: Ein paar Häuser vor der SPD-Parteizentrale erhebt sich an der Kurt-Schumacher-Allee der gigantische Ziegelzweckbau der Agentur für Arbeit. Mein letzter Besuch liegt 18 Jahre zurück und war derart grässlich, dass ich mir geschworen hatte, nie wieder ein Arbeitsamt, so hieß es zu der Zeit, zu betreten. "Nicht vermittelbar", hatte damals eine resolute Berlinerin diagnostiziert und zur sofortigen Umschulung für die "Computerbranche" geraten.

Vor der Hamburger Agentur beträgt die Höchstparkdauer eine Stunde, für einen Euro. Zahlreiche Pfeile weisen selbst Ortsverwirrte sicher zum Eingang. In der Empfangshalle sitzen drei Frauen an einem Service-Schalter. Mit meinem Gesuch, mich arbeitslos zu melden, werde ich in den ersten Stock geschickt. An einem weiteren Empfangstresen gibt eine Dame mit stark gemusterten Fingernägeln die Daten aus meinem Personalausweis in den Computer ein. "Bitte nehmen Sie in der Wartezone Platz." Zwei Frauen und vier Männer warten stumm. Blauer Teppichboden, die behördentypische Kassettendecke mit Neonlicht, ein paar strapazierfähige Grünpflanzen. Kein Nummernziehen, kein Automat. Während des Wartens soll ich ein mehrseitiges Daten- und Berufsprofil ausfüllen.

Nach nur 16 Minuten kommt mir eine Dame entgegen. "Frau Gasper, bitte." Frau S. bittet um meinen Ausweis, fängt sofort zu tippen an. "Haben Sie Ihre Rentenversicherungsnummer dabei? Und Ihre ID-Nummer vom Finanzamt? Die sind ganz wichtig." Frau S. gibt viele Zahlen und mein Bewerberprofil in den Computer. "Ihre Bankverbindung?" "Das möchte ich später ..." "Nein, das machen wir jetzt", insistiert Frau S. ein bisschen scharf. Doch dann setzt sie mit einer Erklärung nach: "Das ist, damit Sie auch sofort Ihr Arbeitslosengeld bekommen können, auf das Sie ja Anspruch haben. Wenn wir Ihnen nämlich einen Verrechnungsscheck schicken, kostet der jeden Monat Geld." Als sie in mein skeptisches Gesicht sieht, beruhigt sie mich: "Ich habe einen Eid geschworen, ich kann gar keinen Schindluder mit Ihren Daten treiben."

Ich habe die Zettel lückenhaft und falsch ausgefüllt. Geduldig trägt Frau S. die fehlenden Daten nach. "Damit wir Ihr Profil haben, falls ich mal nicht da bin." "Kann ich was fragen?", werfe ich ein. "Später", sagt sie, "wir machen erst die Daten." Es ist nicht Ihre Schuld. "Erst die Daten" ist eine Krankheit der Bürokratie. Es scheint ihr auf der Stelle leid zu tun. "Gleich. Wir besprechen gleich alles." Sie fragt mich nach meinen Fremdsprachenkenntnissen. "Sie sind ja ein Sprachgenie", sagt sie aufmunternd. Frau S. mag Sprachen und erzählt kurz von ihrem Kind. "Es ist goldrichtig, dass Sie heute gekommen sind", sagt sie zu mir. Ich fühle mich schrecklich: Sie ist viel zu nett für eine Behördenmitarbeiterin, und ich, die inkognito arbeitende Journalistin, blockiere ihre Arbeitskraft und Energie. "Sie haben sich heute bei uns als Arbeit suchend gemeldet, als Nächstes bekommen Sie ein fachliches Beratungsgespräch bei einem Vermittler, damit Sie möglichst übergangslos eine neue Arbeit finden. Sie kommen zu Frau P.", sagt sie. "Das ist eine ganz Liebe." Am liebsten möchte sie gleich einen Termin machen. "Ich kann nicht, ich muss ja noch arbeiten", sage ich. "Gut, dann notiere ich das hier, das ist überhaupt kein Problem. Wir wollen Ihnen ja helfen und keine Schwierigkeiten machen." Sie fügt an: "Wir sind ein Dienstleistungsunternehmen, Sie sollen sich wohlfühlen. Sie brauchen übrigens nicht alles mitzuschreiben!" Ich lege den Stift weg. Frau S. gibt mir noch mehr Papiere: "Die füllen Sie in aller Ruhe zu Hause aus. Und die Broschüren können Sie sich bei einer Tasse Kaffee durchlesen." Mir liegt noch etwas auf dem Herzen: "Was hab ich denn für Chancen, in den Medien und mit Mitte 40?" Frau S. lächelt aufmunternd. "Ich kann da nichts zu sagen, das macht dann die Beraterin. Aber Sie sind ja qualifiziert, eine Fachkraft. Wir wollen schon für Sie einen Job finden, der Ihnen liegt, Sie brauchen keine Bedenken zu haben." Ich soll wieder anrufen oder vorbeikommen, sobald ich die Papiere zusammenhätte. 35 Minuten sind vergangen. Frau S. guckt mir in die Augen: "Ich drücke die Daumen, dass sich Ihre Kündigung in Luft auflöst."

Arbeitsagentur K.-Schumacher-Allee Die Noten

Anbindung: 2

Behindertengerecht: 2

Kundenführung: 1

Wartezeit: 2

Parkplätze: 4

Kinderfreundlichkeit: 4

Ambiente: 2