Der Hamburger Student Dennis Michalke übernimmt für psychisch kranke und behinderte Klienten des Vereins “Op de Wisch“ Behördengänge - die bisweilen...
Der Hamburger Student Dennis Michalke übernimmt für psychisch kranke und behinderte Klienten des Vereins "Op de Wisch" Behördengänge - die bisweilen problematisch und frustrierend für ihn sind. Seine Erlebnisse schildert der 34-Jährige aus Eimsbüttel in einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt.
Hamburger Abendblatt:
Wie genau sieht Ihre Arbeit aus?
Dennis Michalke:
Unser Verein setzt sich dafür ein, dass unsere Klienten ein möglichst selbstständiges Leben führen können. Dazu gehört auch, dass wir sie auf Behördengänge begleiten. Dabei habe ich mit den unterschiedlichsten Ämtern zu tun: vom Versorgungs- über das Sozialamt bis hin zur Hamburger Arbeitsgemeinschaft.
Abendblatt:
Mit welchen Schwierigkeiten werden Sie in Ihrer Arbeit konfrontiert?
Michalke:
Besonders ärgerlich ist es, wenn unsere Empfehlungen von den Ämtern einfach ignoriert werden. Wir sind verpflichtet, jedes halbe Jahr einen Bericht über unsere Klienten zu verfassen, in dem wir Leistungen begründen, die sie bekommen und eben auch Empfehlungen ausschreiben. Viele Beamte lesen diese Berichte zwar, entscheiden aber nur nach Aktenlage. Typisch Amt eben. Die meisten Behördenmitarbeiter können das soziale Umfeld, den Gesundheitszustand oder die Entwicklung unserer Klienten deshalb oft nicht richtig einschätzen. Das frustriert.
Abendblatt:
Wie empfinden Sie die allgemeine Atmosphäre in den Ämtern?
Michalke:
Teilweise finde ich sie fast schon menschenunwürdig. Wenn ich beispielsweise gerade obdachlos geworden bin und dann stundenlang zu warten habe, bis ich zu hören bekomme, dass ich einen Antrag für einen Termin stellen muss, dann ist das einfach nur schrecklich. Ich würde mir wünschen, dass die Leute ein bisschen mehr an die Hand genommen werden würden und ihnen damit auch ein Stück weit die Angst genommen wird.
Abendblatt:
Haben Sie das Gefühl, dass die Vorgänge in den Ämtern unnötig kompliziert sind?
Michalke:
Gerade das Ausfüllen der Anträge ist oft sehr schwierig. Besonders für diejenigen, die nicht alle Sachlagen kennen und verstehen. Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass begründet werden muss, wenn man Leistungen vom Staat bekommen möchte, aber manchmal würde ich mir wünschen, dass die Beamten über ihre Schatten springen und auch mal eine Vorauszahlung bewilligen, auch wenn ein Antrag noch nicht richtig ausgefüllt ist. Außerdem funktioniert die Kommunikation zwischen Ämtern und Bürgern oft nur sehr schlecht. Viele Menschen wissen gar nicht, welche Leistungen ihnen zustehen, und die Beamten erklären es ihnen auch gar nicht.
Abendblatt:
Die Atmosphäre in Ämtern wirkt oft eher steril. Denken Sie, dass es einen positiven Effekt hätte, wenn die Institutionen etwas fröhlicher gestaltet wären?
Michalke:
Es gibt durchaus schon Ämter, bei denen dies der Fall ist. Ein großer Raum mit warmem Licht macht sehr viel aus. Das nimmt den Menschen die Angst vor den Ämtern. Schließlich müssen sie dort viele persönliche Dinge erzählen. was oft sehr unangenehm sein kann. Im klaren Gegensatz dazu stehen die typischen Behörden in Altbauten mit hohen, engen Gängen. Dort hat man das Gefühl, als würde man auf seine eigene Hinrichtung warten.
Abendblatt:
Wie treten Beamte Ihnen gegenüber auf?
Michalke:
Das ist unterschiedlich. Teilweise sind sie freundlich, teilweise auch nicht. Dabei macht ein nettes Lächeln schon sehr viel aus. Es gibt aber auch einige Beamte, die sind wirklich so unfreundlich, wie man es aus Parodien kennt. Sie sind schließlich nicht darauf angewiesen, dass ein Behördenbesucher wiederkommt. Ich denke, dass ist auch ein Grund dafür, warum so viele Menschen Leistungen, die ihnen zustehen, gar nicht in Anspruch nehmen. Für sie ist die Überwindung zu groß, mit unfreundlichen Beamten in sterilen Räumen zu sprechen.
Abendblatt:
Werden Ihre Klienten schlechter behandelt, wenn sie ohne Ihre Begleitung zu den Ämtern gehen?
Michalke:
Sie kommen auf jeden Fall schlechter dabei weg, da sie sich oft nicht trauen für sich selbst zu kämpfen.
Abendblatt:
Welches Erlebnis in einem Amt hat Sie besonders schockiert?
Michalke:
Ich habe vor einigen Jahren versucht, für eine Klientin Wohngeld zu beantragen. Leider waren an dem Tag viele Sachbearbeiter krank, sodass keiner genau wusste, wo man sich anstellen soll. Als ich dann an der Reihe war, sagte man mir in einem sehr unfreundlichen Ton, dass ich an der falschen Tür gewartet hätte. Und dann sollte ich auch noch Anträge abstempeln lassen und mich noch einmal mehrere Stunden anstellen.
Abendblatt:
Haben Sie auch schon positive Erfahrungen in den Behörden gemacht?
Michalke:
Eine Sachbearbeiterin, mit der ich zusammenarbeite, kümmert sich sehr persönlich um unsere Klienten. Sie trifft sich mit den behinderten Menschen und geht unsere Berichte Punkt für Punkt mit ihnen durch. Oft folgt sie nicht nur unseren Empfehlungen, sondern bewilligt sogar mehr Gelder, als wir uns trauen zu beantragen. Auch in anderen Ämtern gibt es immer wieder nette, freundliche und sehr zuvorkommende Beamte, die auch mal ein Auge zudrücken, wenn ich sie um einen Gefallen bitte. Es sind immer wieder diese kleinen Erfolgserlebnisse, die mir zeigen, dass meine Arbeit zu etwas nutze ist.