Es sollte ein ruhiges, friedliches Schanzenfest werden. Doch gewaltbereite Krawallmacher zersörten in der Nacht zum Sonntag diesen Traum.
Hamburg. Bis Mitternacht war alles ruhig geblieben und es keimt die Hoffnung, dass dieses Mal alles ganz anders sein würde. Ein Schanzenfest, friedlich, ruhig mit einer Portion Spaß: Kissenschlacht statt Straßenschlacht. Doch dann, kurz nach Mitternacht konnten es die Krawallmacher nicht lassen. Barrikaden wurden errichtet und angezündet. An der Stresemannstraße griffen Jugendlichen einen Polizeibeamten an, der sich in die nahe Polizeiwache flüchtete. Der Mob versuchte daraufhin, die Wache zu stürmen.
Dabei hatte die Polizei sich bei der Neuauflage der links-alternativen Veranstaltung merklich zurückgehalten. Auch den Organisatoren des Festes war es mit Unterstützung von Teilen der Szene und lustigen Aktionen wie einer Kissenschlacht vor dem Autonomentreff Rote Flora zunächst gelungen, Krawallmacher im Zaum zu halten. Doch mitten in der Nacht, als im Schanzenviertel die Hoffnungen auf ein unerwartet harmonisches Straßenfest stiegen, brach sich die Gewalt doch wieder ihren Weg.
Als plötzlich rund 200 Randalierer wie aus dem Nichts eine nahegelegene Wache mit Steinen und Böllern angriffen und sich dann auf das bis zu diesem Zeitpunkt weitgehend fröhlich-ausgelassene Straßenfest flüchteten, marschierte ein Großaufgebot von vielen hundert Polizisten mit Wasserwerfern auf.
Als die ersten Steine und Flaschen auf die Einsatzkräfte flogen, folgte das, was dem Schanzenviertel schon seit Jahren immer wieder zu trauriger Bekanntheit verhilft: stundenlange Krawalle, Attacken auf Beamte und Passanten, brennende Barrikaden sowie zerstörte Autos und Geschäfte. Für Hamburg war es an diesem Wochenende schon die zweite Krawallnacht. In der Nacht zum Samstag hatten Gegendemonstranten bei einer NPD-Kundgebung im Stadtteil St. Georg randaliert. Bei beiden Einsätzen zählte die Polizei etwa 130 Fest- und Ingewahrsamnahmen sowie 60 Verletzte, darunter mindestens 19 Zivilisten. Einsatzleiter Peter Born sprach von einem „gewalttätigen Mob“, Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) von einem „enormen Gewaltpotenzial“.
Viel spricht dafür, dass zumindest im Schanzenviertel dieses Mal vor allem unpolitische, auf Gewalterlebnisse versessene Randalierer die Bemühungen um eine Entspannung auf beiden Seiten durchkreuzten. Nach den schweren Ausschreitungen vom Juli hatte es scharfe Kritik an Innensenator Ahlhaus und der Einsatzstrategie der Polizei gegeben, die damals frühzeitig in voller Montur aufmarschiert war. Das hatten nicht nur die Veranstalter als unnötige Eskalation bezeichnet, auch die in Hamburg mit der CDU regierenden Grünen (GAL) waren verstimmt.
Zwar wies Ahlhaus am Sonntag alle Spekulationen um einen Strategiewechsel zurück. Doch es war unübersehbar, dass sich die Einsatzkräfte in der Nacht zuvor zurückhielten. Von den mehr als 2000 Beamten, die in Hamburg zusammengezogen worden waren, war bis zu der Attacke auf die Wache niemand uniformiert im Viertel zu sehen. Man habe sich trotzdem keineswegs anders verhalten als beim ersten Schanzenfest, betonte der Senator. Die Polizei habe die Aufgabe, Straftaten und Krawalle zu beenden. Deshalb habe man im Juli früher einschreiten müssen als dieses Mal. „Die Strategie der Polizei ist ganz einfach: Wenn es Krawalle gibt, wenn es Straftaten gibt (...), kommt die Polizei.“
In der Tat hatten dieses Mal auch die Organisatoren des Fests mit der Unterstützung von zumindest Teilen der links-autonomen Szene viel für ein ruhiges Straßenfest getan. Mitglieder der Szene hielten einzelne Krawallmacher am Abend vor der Roten Flora sogar davon ab, Mülltonnen anzuzünden und kleine Barrikaden zu bauen. Selbst Einsatzleiter Born sprach am Sonntag von einem ungewöhnlichen Verhalten, dass man in dieser Form selten beobachtet habe.
Und so schienen es dieses Mal vor allem unorganisierte und spontan agierende Krawallmacher gewesen zu sein, die sich durch den Angriff auf die etwas abseits vom Fest gelegene Polizeiwache und die folgende Randale in Szene setzen wollten. Unter den Schanzenfest-Besuchern waren viele Jugendliche und junge Erwachsene, die nicht zur links- autonomen Szene gehörten und auf Auseinandersetzungen warteten.
Viele telefonierten ihre Freunde herbei, als Hundertschaften in Kampfmontur und Wasserwerfer die Straßen rund um die Flora unter Kontrolle brachten und ein Polizeihubschrauber mit Suchscheinwerfer laut knatternd über der gespenstischen Szene kreiste. Immer wieder machten sie Fotos mit Handys und kommentierten amüsiert die Ereignisse. „Voll geil. Ich warte schon die ganze Zeit“, kommentierte ein junger Passant den Beginn der Krawalle. Unter den Randalierern seien viele gewesen, die typischerweise nicht bei linken Demos in Erscheinung träten, betonte auch Born. „Die finden das einfach geil, dass sie da Gewalt ausüben und sich mit der Polizei anlegen.“