Polizeisprecher Ralf Meyer: “Die Täter leben in ihrer eigenen Wahrheit. Sie leben ihre Gewaltbedürfnisse aus.“
Hamburg. Der Anruf kam mitten in der Nacht. Ein Polizeibeamter fragte den Physiotherapeuten Marcus R., ob ihm der Kia Sorento, ein Geländewagen, an der Suttnerstraße (Altona) gehöre. Als er das bestätigte, entgegnete der Beamte: „Der brennt gerade aus.“ Der Wagen von R. ist einer von dreien, die in der Nacht zu Freitag von Unbekannten angezündet wurden. Vermutlich handelt es sich bei den Tätern um linke Autonome, die wie vor zwei Monaten im Vorfeld des Schanzenfestes mit Anschlägen auf sich aufmerksam machen wollen.
Marcus R. hatte seinen Wagen am Abend zuvor einer seiner Mitarbeiterinnen ausgeliehen, damit sie im Dunkeln sicher nach Hause kommt. Am nächsten Morgen sollte sie Patienten, Multiple- Sklerose-Kranke und Menschen, die nach Schlaganfällen Therapie benötigen, in ihren Wohnungen behandeln. Sie konnte nicht fahren und kann es auch in den kommenden Tagen nicht. Bis die Versicherung den Schaden reguliert hat, fallen Hausbesuche aus.
Auch Marcus R. muss sich nun erst mal mit der Finanzierung eines neuen Wagens herumschlagen. „Was soll daran politisch sein, eine berufliche Existenz zu gefährden?“, sagt er. Fast zeitgleich brannte auch ein Porsche Carrera, etwa um 3.10 Uhr am Taxusweg (Othmarschen) aus. Am frühen Morgen stellte Carsten Sievers, Betriebsleiter des Feinkosthandels Frischeparadies an der Großen Elbstraße (Altona), fest, dass der Radkasten eines seiner Transporter abgefackelt war. Hier waren die Flammen nicht auf den Wagen übergeschlagen.' Der Staatsschutz ermittelt. Die Ermittler gehen von einem politischen Hintergrund aus. Motiv dürfte das Schanzenfest am 12. September sein. Bereits Anfang Juli waren sechs Autos im gesamten Stadtgebiet angezündet worden. Auch damals brannte ein Porsche am Taxusweg. Die Flammen griffen auf ein Haus über. Eine Familie wurde rechtzeitig gerettet. Die Anschläge wurden kurz vor dem ersten Schanzenfest dieses Jahres verübt.
Polizeisprecher Ralf Meyer spricht den Tätern politische Motivation ab. „Das waren schlichte Krawalltaten.“ Bei den vorherigen Taten habe es keine Bekennerschreiben gegeben. Und wenn es sie gibt, seien sie irrational. Meyer: „Diese Täter leben in ihrer eigenen Welt mit ihrer eigenen Wahrheit.“ Es ginge ihnen darum, Gewaltbedürfnisse zu befriedigen. „Das sind Leute, die Gelegenheiten suchen, Gewalt auszuleben“, sagt auch Prof. Dr. Christian Pfeiffer, Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen. Bei Menschen, die vermeintliche Luxusautos anstecken, handele es sich meist um Außenseiter, die von dritter Seite „anpolitisiert“ worden seien. „Solchen Leuten geht es darum, Unruhe zu schüren, Staat, Polizei und die Allgemeinheit zu provozieren.“ Frank Schöndube, Chef des Hamburger Bundes Deutscher Kriminalbeamter rechnet mit weiteren Taten in der kommenden Woche.
Für das Schanzenfest, zu dem die Polizei weitere Ausschreitungen fürchtet, wird erstmals eine gemeinsame Einsatzzentrale von Polizei, Staatsanwälten und Haftrichtern eingerichtet, um bei Gewalttätern schnell über Maßnahmenn zu entscheiden.