Die Polizei setzt ab sofort ihren Hubschrauber “Libelle“ zur Aufklärung ein. Er soll nachts Streife fliegen und Täter überführen.
Hamburg. Es riecht nach verbranntem Asphalt und Benzin. Der Auspuff des völlig verkohlten Audi A6 Kombi schleift knirschend über die Straße, als der Wagen auf den Abschlepper gehoben wird. Völlig fassungslos schauen Oliver und Kristina B. auf ihre komplett zerstörte Familien-Limousine. Auf einem zweiten Abschlepper liegt bereits ein ebenfalls ausgebrannter Porsche 911 Targa. "Das ist der Rest von meinem Jugendtraum", sagt Oliver B. "Baujahr 1993. Das letzte Modell, das noch einen luftgekühlten Motor hat."
Beide Wagen sind in der Nacht zu Dienstag am Sodenkamp in Ohlsdorf niedergebrannt. Die Flammen haben auf einen VW-Schulbus für behinderte Kinder übergegriffen. Auch dieser hat nur noch Schrottwert. Ein Anschlag von unbekannten Tätern. Gut 40 Minuten zuvor, gegen 4.11 Uhr, brannten drei weitere Wagen an der Seumestraße (Eilbek). Der oder die Täter hatten einen Hyundai angezündet. Zwei davor und dahinter geparkte Wagen fingen daraufhin ebenfalls an zu brennen. Trotz eines Großaufgebotes der Polizei gelang den Tätern die Flucht. In diesem Jahr sind in Hamburg nach Anschlägen bereits 31 Autos niedergebrannt - allein elf vor dem ersten Schanzenfest dieses Jahres vor gut zwei Monaten.
Den Tätern spielt der Vorteil in die Hand, dass sie längst über alle Berge sind, wenn Anwohner die Feuer bemerken. Die Brandstifter zünden lediglich einen kleinen Teil des Fahrzeugs an. Brennt der Wagen schließlich deutlich sichtbar, sind bereits mehrere Minuten vergangen. Es ist ohnehin schwierig für die Polizei, Sachbeschädigungen aufzuklären. Es gibt keinen Kontakt zwischen Tätern und Opfern, meist fehlen Zeugen. Und das Feuer vernichtet alle Spuren.
Drohen Hamburg nun ähnliche Zustände wie in Berlin? Dort zählte die Polizei in diesem Jahr bereits 102 Fälle von politisch motivierten Anschlägen auf Autos. Hamburgs Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) und Polizeipräsident Werner Jantosch halten sich mit Äußerungen noch zurück. Ralf Meyer, Leiter der Polizeipressestelle, glaubt nicht an derartiges Szenario: "In Berlin gibt es sehr viel mehr linke Autonome als in Hamburg." Zudem gab es in der Hauptstadt 109 weitere Anschläge, hinter denen kein politischer Hintergrund vermutet wird. Laut Polizei handelt es sich dabei um Trittbrettfahrer, die sich durch die vorigen Taten inspiriert fühlten, ihre Fantasien auszuleben. Lediglich bei sechs von 14 gefassten Tätern war ein politischer Hintergrund erwiesen.
Auch die Hamburger Polizei rechnet die Anschläge vom Dienstag und Sonntag, bei dem fünf Wagen in Lurup und Bahrenfeld niederbrannten, Nachahmungstätern zu. Sie begründet das damit, dass es sich bei den Opfern weder um Repräsentanten von Konzernen noch um Politiker handelt. "Diese Taten haben auch keine zeitliche oder örtliche Nähe zueinander", sagt Polizeisprecher Meyer. Ganz anders verhielte es sich mit den Anschlägen am vergangenen Freitag. Da brannten wie berichtet fast zeitgleich drei Autos in Othmarschen und dem nahe gelegenen Altona. Als Hintergrund vermutet die Polizei das Schanzenfest am kommenden Sonnabend. Allen Anschlägen ist allerdings gemeinsam, dass bislang kein Bekennerschreiben aufgetaucht ist. Keiner der Täter ist bislang gefasst worden.
Die Polizei will der Lage nun mit dem Einsatz des Polizeihubschraubers "Libelle" Herr werden. Mit einer Wärmebildkamera soll er nachts über der Stadt kreisen. "Wir wollen damit nicht nur fahnden, sondern auch im Vorfeld aufklären", sagt Meyer. Falls sich Verdächtige in der Dunkelheit verstecken, können sie mit der Spezial-Optik erkannt werden. Die Helikopter-Besatzung würde damit die Kollegen in den Streifenwagen zum Einsatzort lotsen. Die Alternative, nachts mehr Zivilbeamte einzusetzen, sei nicht umsetzbar. Die Polizei hält die Maßnahme nicht für praktikabel. "Wir können nicht flächendeckend unterwegs sein", sagt Meyer. Außerdem bereitet sich die Polizei mit einem der größten Kräfteaufgebote seit mehr als einem Jahr auf das Krawall-Wochenende vor.
Bis zum Schanzenfest rechnet die Polizei mit weiteren Taten. Danach sollte die Zahl der Anschläge abnehmen. Das zeigt die Erfahrung aus den vergangenen Jahren.