In dem Bekennerschreiben wird der Angriff auf eine Polizeistation als Racheakt für einen von der griechischen Polizei erschossenen Jugendlichen bezeichnet.

Hamburg. Nach dem Angriff auf ein Polizeikommissariat in Hamburg durch Vermummte in der Nacht zum Freitag ist bei der „Hamburger Morgenpost am Sonntag“ ein Bekennerschreiben eingegangen. Wie die Zeitung berichtet, wird darin die Attacke als Racheakt für den am 6. Dezember 2008 von griechischen Polizisten erschossenen Alexandros Grigoropoulos bezeichnet. Die Gruppe drohe in dem Schreiben mit weiteren Anschlägen. Die Absender nennen sich den Angaben nach „Koukoulofori“. Das griechische Wort bedeute so viel wie „die Kapuzenträger“ oder „die Vermummten“.

In der Nacht zum Freitag war die Polizeiwache 16 im Schanzenviertel angegriffen worden. Als Beamte die Wache verlassen wollten, wurden sie von Vermummten mit Steinen beworfen. Auch Scheiben im Erdgeschoss der Polizeiwache wurden eingeworfen. Zwei Streifenwagen wurden in Brand gesetzt. Im Stadtteil Hammerbrook gingen zwei Dienstfahrzeuge des Zolls in Flammen auf. Auf diese Angriffe hat die Polizeiführung inzwischen reagiert. Noch in der Nacht zum Sonnabend wurden mit einem Hubwagen in fünf Meter Höhe an der Aussenfassade mehrere Videokameras zur Überwachung installiert.

Das sagen Politiker und Polizei zu den Anschlägen

Auch in der Nacht zum Sonnabend wurden Polizeibeamte angegriffen. Bei einer geplanten Festnahme wegen Verdacht des Rauschgifthandels im Lokal „Ahoi“ an der Hafenstrasse sei es zu Tumulten mit den Gästen gekommen, berichtete ein sprecher der Polizei. Kurze Zeit später habe sich auf der Balduintreppe eine größere Menschengruppe gebildet. Aus der Gruppe heraus seien Flaschen und Steine gegen die anrückende Hundertschaft der Polizei geworfen worden. Vier Polizisten seien dabei angegriffen und verletzt worden, so der Polizeisprecher. Ein Polizei soll auf Grund seiner Verletzungen dienstunfähig sein. Die Polizei habe mit einem größeren Aufgebot die Ansammlung aufgelöst und mindestens vier Personen vorläufig in Gewahrsam genomme.

Auch am Sonnabend gab es noch keine heiße Spur zu den Angreifern auf die Polizeiwache. Mit Hinweis auf den zuständigen Staatsschutz betonte ein Sprecher der Hamburger Polizei, über den Stand der Ermittlungen gebe es derzeit keine Informationen. Er könne aber so viel sagen, dass die Täter weiter unbekannt seien.

Einem Bericht des NDR zufolge sehen die Ermittler offenbar eine neue, eigenständige Gruppierung als Täter. Die Beamten seien erstaunt darüber, dass die Vermummten ein hohes Risiko eingingen, gefasst zu werden, berichtete der Rundfunksender. „Das war kein Überfall. Das war ein echter Anschlag“, sagte Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) in einem Interview mit NDR Info. Ungewöhnlich nannte er vor allem die Tatsache, dass die Täter nicht davor zurückschreckten, Beamte zu töten. Denn die Angreifer wollten nach Polizeiangaben erst die Türen der Wache verriegeln, um dann Brandsätze durch die Fenster zu schleudern.

Wie NDR 90,3 berichtete, hatte eine 34-jährige Polizistin ganz allein verhindert, dass die Täter die Eingangstür der Polizeiwache mit einem Schloss verriegeln konnten. Als sie einem der Vermummten auf die Straße folgte, um ihn festzunehmen, sei sie mit faustgroßen Steinen beworfen worden.Unterdessen hat Ahlhaus angekündigt, sich als Vorsitzender der Innenministerkonferenz im kommenden Jahr verstärkt zu dem Thema Gewalt gegen Polizisten einzusetzen.

Schon am Freitag beschlossen die Innenminister bei ihrer Herbsttagung in Bremen ein verstärktes Vorgehen bei Gewalt gegen die Polizei. Die Bundesregierung solle sobald wie möglich einen Gesetzentwurf vorlegen, um der wachsenden Zahl von Übergriffen zu begegnen, teilten die Minister mit.

In Berlin, wo es in der Nacht zu Freitag ebenfalls mehrere Anschläge gegeben hatte, zündeten unbekannte Täter in der Nacht zu Sonnabend erneut zwei Autos an. Gegen eine Deutsche Bank-Filiale flogen Farbbeutel. Ein Mann wurde am Freitagabend festgenommen, nachdem er Fensterscheiben an einem Luxuswohnhaus in Berlin-Kreuzberg beschädigt hatte. In diesem Fall geht die Polizei allerdings nicht von einem politischen Motiv aus.

Nach einer ersten Einschätzung des Berliner Landeskriminalamts besteht zwischen den politisch motivierten Anschlägen von Berlin und Hamburg kein Zusammenhang. „Wir prüfen natürlich alle Hinweise und möglichen Zusammenhänge zwischen den Taten in Hamburg und Berlin. Bislang ist ein Zusammenhang aber nicht ableitbar,“ sagte der Leiter des Berliner Landeskriminalamtes, Peter-Michael Haeberer, der „Berliner Morgenpost“ (Sonntagausgabe). „Die Sachverhalte sind zu unterschiedlich. Einmal wird das BKA als Strafermittlungsbehörde angegriffen, bei einer anderen Sache handelt es sich um einen Zusammenhang mit einem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan“, wurde Haeberer weiter zitiert.

Innenpolitiker von Union und SPD hatten sich zuvor besorgt über die jüngsten Anschläge von mutmaßlichen Linksextremisten in Berlin und Hamburg geäußert. „Wir haben es mit einer neuen Qualität zu tun“, sagte der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ und fügte hinzu: „Die linksextremistische Gewalt ist in den letzten Jahren unterschätzt worden, weil sich alles auf den Rechtsextremismus konzentriert hat.“

Allerdings sei die Bekämpfung des Linksextremismus „ausgesprochen schwierig“, weil man es mit autonomen Chaoten zu tun habe, die nicht straff organisiert seien. Bosbach mahnte: „Wehret den Anfängen!“ Wenn die Täter merkten, dass sie politische Reaktionen auslösten, dann würden sie ihre Aktionen noch verstärken.

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, erklärte: „Die fehlende Aufklärung stachelt die Täter weiter an. Deshalb ist es wichtig, sie zu stellen. Man muss den Fahndungsdruck erhöhen.“ Er betonte: „Es gibt hier Grenzüberschreitungen. Das ist alles hochgefährlich. Der Einstieg zu schlimmeren Verbrechen ist erreicht.“