In einem Bekennerschreiben sprechen die “Kapuzenträger“ von weiteren Anschlägen. Die Absender nennen sich „Koukoulofori“. Das griechische Wort bedeutet so viel wie „die Kapuzenträger“ oder „die Vermummten“.

Hamburg. Nach den Anschlägen auf Polizeibehörden in Hamburg und staateliche Einrichtungen in Berlin ist am Wochenende ein Bekennerschreiben eingegangen. Die „Hamburger Morgenpost“ erhielt einem eigenem Bericht zufolge ein anderthalbseitiges Schreiben. Demnach soll die Attacke in der Hansestadt ein Racheakt für den am 6. Dezember 2008 von griechischen Polizisten erschossenen Demonstranten Alexandros Grigoropoulos gewesen sein. Die Polizei sieht bislang keinen Zusammenhang zwischen den Anschlägen in Hamburg und ähnlichen Taten in Berlin.

Die Gruppe „Koukoulofori“ drohe in dem Schreiben mit weiteren Anschlägen, berichtet die Zeitung. Das griechische Wort bedeute so viel wie „die Kapuzenträger“ oder „die Vermummten“. Das Landeskriminalamt prüft nach eigenen Angaben das Schreiben. Laut Bekennerschreiben wurde die Wache 16 angegriffen, weil diese für „Misshandlungen und rassistischen Terror“ bekannt sei. Sollte zudem die "Rote Flora" im Schanzenviertel geräumt werden, werde „ein munteres internationales Völkchen aus allen Ecken Europas für eine fulminante unvergessliche Erfahrung sorgen“, lautet eine weitere Drohung.

Zwischen den offenbar politisch motivierten Anschlägen in Berlin und Hamburg besteht nach einer ersten Einschätzung des Berliner Landeskriminalamtes kein Zusammenhang. „Wir prüfen natürlich alle Hinweise und möglichen Zusammenhänge zwischen den Taten in Hamburg und Berlin. Bislang ist ein Zusammenhang aber nicht ableitbar“, sagte LKA-Chef Peter-Michael Haeberer der „Berliner Morgenpost“. „Die Sachverhalte sind zu unterschiedlich. Einmal wird das BKA als Strafermittlungsbehörde angegriffen, bei einer anderen Sache handelt es sich um einen Zusammenhang mit einem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan.“ Zudem gebe es bislang kein Selbstbezichtigungsschreiben, das die Serie von Taten in Berlin und Hamburg klammern würde. „Wenn es der linken Szene gelungen wäre, eine solche konzertierte Aktion länderübergreifend zu organisieren, hätte es eine Erklärung gegeben“, meinte der Ermittler.

DAS SAGEN POLITIKER UND POLIZEI ZU DEN ANSCHLÄGEN

In der Nacht zum Freitag war in Hamburg die Polizeiwache 16 im Schanzenviertel angegriffen worden. Als Beamte die Wache verlassen wollten, wurden sie von Vermummten mit Steinen beworfen. Auch Scheiben im Erdgeschoss der Polizeiwache wurden eingeworfen. Zwei Streifenwagen wurden in Brand gesetzt. Im Stadtteil Hammerbrook gingen zwei Dienstfahrzeuge des Zolls in Flammen auf. Auf diese Angriffe hat die Polizeiführung inzwischen reagiert. Noch in der Nacht zum Sonnabend wurden mit einem Hubwagen in fünf Meter Höhe an der Aussenfassade mehrere Videokameras zur Überwachung installiert.

Auch in der Nacht zum Sonnabend wurden Polizeibeamte angegriffen. Bei einer geplanten Festnahme wegen Verdacht des Rauschgifthandels im Lokal „Ahoi“ an der Hafenstrasse sei es zu Tumulten mit den Gästen gekommen, berichtete ein sprecher der Polizei. Kurze Zeit später habe sich auf der Balduintreppe eine größere Menschengruppe gebildet. Aus der Gruppe heraus seien Flaschen und Steine gegen die anrückende Hundertschaft der Polizei geworfen worden. Vier Polizisten seien dabei angegriffen und verletzt worden, so der Polizeisprecher. Ein Polizei soll auf Grund seiner Verletzungen dienstunfähig sein. Die Polizei habe mit einem größeren Aufgebot die Ansammlung aufgelöst und mindestens vier Personen vorläufig in Gewahrsam genomme.

Auch am Sonnabend gab es noch keine heiße Spur zu den Angreifern auf die Polizeiwache. Mit Hinweis auf den zuständigen Staatsschutz betonte ein Sprecher der Hamburger Polizei, über den Stand der Ermittlungen gebe es derzeit keine Informationen. Er könne aber so viel sagen, dass die Täter weiter unbekannt seien. Einem Bericht des NDR zufolge sehen die Ermittler offenbar eine neue, eigenständige Gruppierung als Täter. Die Beamten seien erstaunt darüber, dass die Vermummten ein hohes Risiko eingingen, gefasst zu werden, berichtete der Rundfunksender.

„Das war kein Überfall. Das war ein echter Anschlag“, sagte Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) in einem Interview mit NDR Info. Ungewöhnlich nannte er vor allem die Tatsache, dass die Täter nicht davor zurückschreckten, Beamte zu töten. Denn die Angreifer wollten nach Polizeiangaben erst die Türen der Wache verriegeln, um dann Brandsätze durch die Fenster zu schleudern. Wie NDR 90,3 berichtete, hatte eine 34-jährige Polizistin ganz allein verhindert, dass die Täter die Eingangstür der Polizeiwache mit einem Schloss verriegeln konnten. Als sie einem der Vermummten auf die Straße folgte, um ihn festzunehmen, sei sie mit faustgroßen Steinen beworfen worden.

Unterdessen haben die Brand- und Farbanschläge in Hamburg und Berlin einen politischen Streit über die Bekämpfung des Linksextremismus ausgelöst. Während die neue Bundesfamilienministerin Kristina Köhler (CDU) am Wochenende ankündigte, auch gegen Linksextremisten vorgehen zu wollen, warnten Opposition und Gewerkschaften vor einer Vernachlässigung des Rechtsextremismus. In Hamburg tauchte ein mutmaßliches Bekennerschreiben auf. Familienministerin Köhler sagte der „Welt am Sonntag„: „Wir haben uns im Koalitionsvertrag geeinigt, künftig die Programme gegen Rechts- und Linksextremismus und auch islamischen Extremismus auszurichten.“ Das werde sie auch umsetzen. Die CDU-Politikerin hatte in der Vergangenheit als Bundestagsabgeordnete eine ihrer Ansicht nach einseitige Ausrichtung der Programme auf die Bekämpfung von Rechtsextremismus kritisiert.

Der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbund, Michael Sommer, warnte „angesichts der wachsenden Gefahr durch Neonazis und deren steigende Gewaltbereitschaft“ davor, Programme gegen Rechtsextreme zurückzufahren. Zudem plädierte er dafür, die Extremismusbekämpfung vom Familien- ins Innenministerium zu verlagern. Auch die Linke kritisierte Köhler. Fraktionsvorstandsmitglied Petra Pau erklärte, das Aufsplitten der ohnehin geringen Mittel für den Kampf gegen Extremisten sei „kurzsichtig und ideologisch“.

Der CDU-Innenpolitikers Wolfgang Bosbach sieht in den Anschlägen eine „neue Qualität“ linksextremistischer Gewalt. Diese sei in den vergangenen Jahren unterschätzt worden, weil sich alles auf den Rechtsextremismus konzentriert habe, sagte Bosbach, der Vorsitzender des Bundestags-Innenausschusses ist, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vom Samstag. Auch der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz nannte die jüngsten Vorfälle „hochgefährlich“. Er fügte hinzu: „Der Einstieg zu schlimmeren Verbrechen ist erreicht.“ In der Nacht zum Freitag waren Brandanschläge auf Polizei- und Zolleinrichtungen in Hamburg und Berlin verübt worden.