Innensenator Christoph Ahlhaus soll Bürgermeister Ole von Beust folgen. Aber die Grünen gehen auf Distanz und wollen nachdenken.

Hamburg. Der Architekt von Deutschlands erstem schwarz-grünen Regierungsbündnis auf Landesebene gibt auf. Hamburgs Regierungschef Beust erklärte am Sonntag im Rathaus der Hansestadt seinen Rücktritt zum 25. August. Es sei der „vernünftige Zeitpunkt“, unabhängig vom Ausgang des Volksentscheides über die Schulreform, sagte Beust. Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel sei unterrichtet. Nachfolger von Beusts soll Innensenator Christoph Ahlhaus werden. Die Grünen, der bisherige Koalitionspartner der CDU in Hamburg, reagierten mit Unverständnis auf die Entscheidung von Beusts und machten deutlich, dass sie eine Fortsetzung des schwarz-grünen Bündnisses genau beraten werden. Von Ahlhaus forderten sie ein Bekenntnis zum liberalen Kurs Ole on Beusts.

„Alles hat seine Zeit“ - das gelte auch für Politiker, sagte von Beust. „Selbstverständlich auch für mich.“ Deshalb habe er beschlossen, zur nächsten Bürgerschaftswahl 2012 nicht mehr anzutreten. Er sei überzeugt, dass jetzt „der vernünftige Zeitpunkt“ sei. In den vergangenen Monaten, als es darum gegangen sei, die Folgen der weltweiten Finanzkrise für Hamburg zu minimieren, „hätte ich einen Rückzug aus der Politik für verantwortungslos gehalten“.Zugleich kündigte von Beust an, dass auch Kultursenatorin Karin von Welck (parteilos) und der Chef der Senatskanzlei, Volkmar Schön, sich zurückziehen werden.

1. Die Rücktrittserklärung von Ole von Beust

2. Die Rücktrittserklärung von Kultursenatorin Karin von Welck

3. Porträt: Ole von Beust – Hanseat durch und durch

4. Porträt: Christoph Ahlhaus - der designierte Nachfolger

Nachfolger soll Innensenator Christoph Ahlhaus werden. Der 40-Jährige leitet die Innenbehörde seit zwei Jahren und steht dem einflussreichen CDU-Kreisverband Nord in der Hansestadt vor. Ahlhaus sagte bei dem gemeinsamen Auftritt im Hamburger Rathaus, dass man mit den Grünen als Koalitionspartner verlässlich und vertrauensvoll zusammenarbeite. Schwarz-Grün habe der Stadt "außerordentlich gut getan". Er sei überzeugt, dass es gelingen könne, diese "für beide Seiten fruchtbare Zusammenarbeit" fortzusetzen. Ahlhaus äußerte zudem sein Freude darüber, dass der CDU-Landesvorstand ihn einstimmig zum Nachfolger von Beusts nominiert hat.

Kultursenatorin Karin von Welck (parteilos) erklärte , der Rücktritt des Bürgermeisters sei für sie "eine Zäsur und ... der richtige Zeitpunkt, aus der Politik auszuscheiden". Innensenator Christoph Ahlhaus, den sei besonders schätze, wünsche sei für seine Aufgabe alles Gute und viel Erfolg.

Der Vorsitzende der GAL-Bürgerschaftsfraktion, Jens Kerstan, sprach von einem Rücktritt zum "schlechtest denkbaren Zeitpunkt". Die GAL werde sich anhören, welche Projekte die neue CDU-Führung mit ihnen weiter verfolgen wolle und dann entscheiden, wie es weiter gehen solle. Für Überlegungen zu einer möglichen Zusammenarbeit mit der SPD sei der Zeitpunkt aber nicht gekommen. "Christoph Ahlhaus war bisher Präses der Innenbehörde - ein Bereich, wo es bisher große Differenzen zwischen ihm und der GAL gab. Aber auch mit ihm haben wir vernünftige Kompromisse finden können", sagte Kerstan über den designierten Beust-Nachfolger.

Die GAL-Landesvorsitzende Katharina Fegebank bezeichnete den Zeitpunkt des Rücktritts als "ungünstig" und sagte ungewöhnlich deutlich, sie "habe dafür wenig Verständnis". Ihre Partei werde den Rücktritt "gründlich bewerten und parteiintern diskutieren, wie wir mit der neuen Situation umgehen". An den designierten Nachfolge von Beust gewandt, sagte Fegebank: "Wir erwarten von Christoph Ahlhaus ein Bekenntnis zum Koalitonsvertrag, zum liberalen Kurs des Hamburger Senates und eine Fortsetzung des verlässlichen Arbeitsverhältnisses.“

Hamburgs SPD-Chef Olaf Scholz bezeichnete den Rücktritt des Bürgermeisters als ungewöhnlich. "Die Wähler und die Grünen müssen düpiert sein. Es kann jetzt nicht einfach zur Tagesordnung übergegangen werden", sagte Scholz. Von Beust habe viele Verdienste für die Stadt, aber er hätte schon früher deutlich machen müssen, dass er zur Hälfte der Legislaturperiode sich zurückziehen werde. Indirekt sprach Scholz sich für Neuwahlen aus. "Das Schlimmste wäre jetzt eine Entscheidung im Hinterzimmer." Das Heft des Handelns liege allerdings jetzt bei den Grünen, so der SPD-Chef. Es sei bemerkenswert, dass die Grünen von der Personalentscheidung der Union bis vor kurzem nicht informiert worden sei. "Man hat mit Herrn von Beust gerechnet und bekommt jetzt Herrn Ahlhaus." Ahlhaus pflege markige Sprüche, aber seine Ergebnisse als Innensenator seien überschaubar, sagte Scholz.

Die Vorsitzende der Bürgerschaftsfraktion Fraktion "Die Linke", Dora Heyenn, bezeichnete den Rücktritt des Bürgermeisters als ein Scheitern von Schwarz-Grün. Es liege jetzt an der GAL, ob sie das Bündnis mit der Union weiterführen wolle. Sie könne sich aber nicht vorstellen, dass die Grünen mit dem bisherigen Innensenator Christoph Ahlhaus gut zusammenarbeite werde. "Ich prognostiziere, dass es bis Ende des Jahres zu Neuwahlen kommen wird." Die Bundesvorsitzende der Linkspartei, Gesine Lötzsch, forderte ebenfalls Neuwahlen in Hamburg. „Schwarz-Grün ist am Ende", sagte Lötzsch dem „Hamburger Abendblatt“ (Montag-Ausgabe). "Neuwahlen wären die sauberste Lösung.“ Zugleich betonte Lötzsch: „Die eigentliche Verliererin dieses Abends ist Angela Merkel.“

Mit Bedauern reagierten die Regierungschefs von Mecklenburg-Vorpommern und Bremen, Erwin Sellering und Jens Böhrnsen (beide SPD) auf den Rückzug des Hamburger Bürgermeisters. „Trotz der Spekulationen der vergangenen Tage bin ich über den Rücktritt überrascht", sagte Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD), dem Hamburger Abendblatt. "Gemeinsam haben wir die Belange der Hafenstädte in Berlin vertreten. Für die Bremer war er ein freundschaftlicher Partner.“

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering würdigte im „Hamburger Abendblatt Ole von Beust als "sehr geschätzten" Kollegen. "Man konnte mit ihm gut über Länder- und Parteigrenzen hinweg zusammenarbeiten.“ Die SPD sei mit Olaf Scholz an der Spitze wieder sehr gut aufgestellt und habe bei den nächsten Wahlen „alle Chancen“, so Sellering.

Der Bundesvorsitzende der Bundes-Grünen, Cem Özdemir, bezeichnete von Beust als verlässlichen Partner. Ein möglicher Nachfolger werde sich daran messen lassen müssen, und an dem liberalen Kurs von Beusts, sagte Özdemir. "Wenn der Kapitän vom Schiff geht, dann versenkt man das Schiff nicht. Aber wir wollen den Nachfolger kennenlernen. Wir haben eine Menge Fragen", sagte Özdemir. Hamburg müsse eine liberale Weltstadt bleiben. Am Ende gebe es einen Parteitag der Grünen, der entscheiden müsse. Ein Erfolg des Volksentscheid gegen die Schulreform an diesem Sonntag sei allerdings kein Ende der Koalition, sagte der Grünen-Chef.

Der Generalsekretär der Bundes-FDP, Christian Lindner, wertete den Rücktritt Ole von Bests als Signal gegen Schwarz-Grün. Der „einzige prominente Kopf“ der schwarz-grünen Koalition in Hamburg sei von Bord gegangen, sagte Lindner dem Hamburger Abendblatt (Montag). „Er sieht für sich und das schwarz-grüne Experiment anscheinend keine Perspektive. Die Gemeinsamkeiten sind wohl verbraucht.“ Für Neuwahlen wollte Lindner nicht aussprechen. „Das ist Sache der Hamburger und keine Frage der Bundespolitik“, sagte er.

Der Vorsitzende der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Michael Neumann, bezeichnete den Rücktritt von Beusts als konsequent. "Die Begleitumstände, sein Zögern und Zaudern, aber auch die Demontage durch die Herren Ahlhaus und Schira waren mehr als unschön", sagte Neumann. Es liege nun an der GAL zu entscheiden, "ob es zu weiteren zwei Jahren Siechtum in Hamburg kommen soll".

Der Hamburger CDU-Chef Frank Schira sagte, er könne Beusts Schritt sehr gut verstehen. Innensenator Ahlhaus sei ein hervorragender Kandidat. "Er wird auch im Gespräch mit unserem Koalitionspartner pragmatisch reagieren und das sicherlich sehr sehr gut machen." Zu Beust sagte er weiter: "Es ist überhaupt nicht richtig, von Fahnenflucht zu sprechen, sondern wir machen einen personellen Neuanfang."

Der Verband der Hamburger Industrie (IVH) bedauerte den Rücktritt von Beusts. „Ole von Beust hat Hamburg vor allem mit seinem Leitbild der 'Wachsenden Stadt' nachhaltig geprägt. Der IVH verliert einen geschätzten Ansprechpartner in der Hamburger Politik“, heißt es in einer am Sonntag verbreiteten Mitteilung des IVH-Vorsitzenden Hans-Theodor Kutsch. „Die Senatsparteien sind nun gefordert, schnell Handlungsfähigkeit zu beweisen und einen überzeugenden personellen Neubeginn zu präsentieren.“ Die Industrie erwarte „vor allem wirtschafts- und industriepolitisch ein konzeptionelles Aufbruchsignal.“

Für den DGB-Vorsitzenden Uwe Grund ist Ole von Beusts Rücktritt ein Beleg dafür, dass es in Hamburg keine strukturelle konservative Mehrheit gibt. "Zwischen den Erwartungen einer aufgeklärten modernen Großstadt, die Antworten auch auf die sozialen und ökologischen Probleme verlangt, und dem verengten wirtschafts-konservativen Horizont der alteingessenen CDU konnte von Beust keinen stabilen Stand finden."

Mit von Beust geht der sechste CDU-Landesregierungschef innerhalb eines Jahres. Im Herbst 2009 trat Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus zurück. Danach wechselte Baden- Württembergs Regierungschef Günther Oettinger in die EU-Kommission , Roland Koch erklärte in Hessen seinen Rücktritt , Christian Wulff (Niedersachsen) wurde Bundespräsident und Jürgen Rüttgers (Nordrhein-Westfalen) abgewählt . Ole von Beust, der ursprünglich Carl-Friedrich Arp Freiherr von Beust hieß, wurde am 13. April 1955 in Hamburg geboren. Mit 18 Jahren ließ er sich beim Standesamt als "Ole" eintragen - seine Großmutter hatte ihn so genannt. 1971 trat Beust der Jungen Union (JU) und der CDU bei, nach seinem Abitur 1973 arbeitete er als Assistent bei der Bürgerschaftsfraktion. Schon während seines Jurastudiums in Hamburg wurde er JU-Landesvorsitzender und 1978 mit 23 Jahren der bis dato jüngste Bürgerschaftsabgeordnete.

Nach seinem Studium arbeitete Beust als Rechtsanwalt. 1992 wurde er in den CDU-Landesvorstand gewählt, 1993 zum Chef der Bürgerschaftsfraktion. 1994 übernahm er den Parteivorsitz in Wandsbek, dem mitgliederstärksten CDU-Kreisverband. Schon in den 90er Jahren sprach er über ein mögliches schwarz-grünes Bündnis.

Bei der Bürgerschaftswahl 1997 war er Spitzenkandidat. Zwar erzielte die CDU mit 30,7 Prozent ein repektables Ergebnis, doch stellte die stärkere SPD mit Ortwin Runde den Ersten Bürgermeister. Doch 2001 schlug dann Beusts Stunde: Die CDU erzielte bei der Bürgerschaftswahl zwar nur 26,2 Prozent der Stimmen, bildete aber zusammen mit der FDP und der rechtspopulistischen Partei rechtsstaatliche Offensive (PRO) um Ronald Schill die Regierung. Am 31. Oktober 2001 wählte die Bürgerschaft Beust zum neuen Ersten Bürgermeister. Es folgten chaotische Monate; die PRO sorgte immer wieder für Negativschlagzeilen. So wurde gegen Beusts Stellvertreter Schill zum zweiten Mal wegen Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung verhandelt (Freispruch), und der Senator machte mit markigen Forderungen Schlagzeilen. Er schlug etwa vor, Zuwanderer zwangsweise untersuchen zu lassen, um Seuchen zu vermeiden.

Im August 2003 dann der Eklat . Schill drohte dem Bürgermeister nach dessen Aussage mit Enthüllungen zu einer angeblichen homosexuellen Beziehung, wenn er den umstrittenen PRO-Innenstaatsrat Walter Wellinghausen entlasse. Von Beust machte kurzen Prozess und entließ Schill. Die Koalition regierte zunächst ohne ihn weiter, scheiterte aber Ende 2003.

Bei den Neuwahlen im Januar 2004 erzielte die CDU sensationelle Zugewinne von 21 Prozentpunkten und kam mit 47,2 Prozent auf die absolute Mehrheit. Der Wahlkampf war damals ganz auf Beust zugeschnitten ("Ole wählen") - unter anderem mit seiner Reaktion auf Schills "Enthüllungen" hatte er sich die Sympathien der Hamburger gesichert. In seiner Regierungserklärung verkündete er das Projekt "Metropole Hamburg - Wachsende Stadt" , das unter anderem den Ausbau der HafenCity vorsah. 2008 wurde Beust wiedergewählt; die CDU brauchte zum Regieren allerdings die GAL. So entstand in Hamburg die erste schwarz-grüne Koalition auf Landesebene. Sie soll nun weiterabeiten - auch ohne ihren Mitbegründer von Beust.