Wenn der in Polen nach dem Papst zweitbekannteste Deutsche Steffen Möller (40) an die deutsch-polnischen Beziehungen denkt, dann kommen dem...

Wenn der in Polen nach dem Papst zweitbekannteste Deutsche Steffen Möller (40) an die deutsch-polnischen Beziehungen denkt, dann kommen dem Kabarettisten und Fernsehstar keine Leitartikel oder Expertendiskussionen in den Sinn. Er habe den Eurocity Berlin-Warschau vor Augen, der dreimal täglich in knapp sechs Stunden die beiden Hauptstädte miteinander verbinde, schreibt Möller in seinem Bestseller "Viva Polonia - als deutscher Gastarbeiter in Polen". Aber der Zug der deutsch-polnischen Beziehungen gerät immer wieder ins Stocken oder wird durch Hindernisse aufgehalten. Der jüngste Streit dreht sich um die Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach, die für den Stiftungsrat des in Berlin geplanten Vertriebenenzentrums nominiert ist. Polens Ministerpräsident Donald Tusk lehnt die Personalie ab.

Der am 1. September 1939 mit dem Überfall auf Polen von Deutschland begonnene Zweite Weltkrieg und die nachfolgende Barbarei der SS-Schergen und der Wehrmacht haben Wunden hinterlassen, die bis heute nicht verheilt sind. Nach Ansicht von Wladyslaw Bartoszewski, Beauftragter Warschaus für die Beziehungen zu Deutschland und Israel, resultiert das delikate und empfindliche deutsch-polnische Verhältnis aus dieser historischen Erfahrung. Für die Polen sei die Geschichte noch sehr präsent in ihrem Alltag, "die Menschen denken daran".

Hatte der damalige Bundeskanzler Willy Brandt am 7. Dezember 1970 mit seinem Kniefall in Warschau schon ein deutliches Zeichen der Versöhnung und Aufarbeitung gesetzt, bemüht sich die deutsche Politik spätestens seit dem Fall der Mauer vor 20 Jahren, das Verhältnis zu Polen zu entkrampfen. Mit ihrer "Danziger Erklärung" verurteilten am 29. Oktober 2003 die damaligen Staatspräsidenten Johannes Rau und Aleksander Kwasniewski in der Debatte über die Vertreibungen gegenseitige Schuldzuweisungen und wiesen Entschädigungsansprüche zurück.

Beide Länder sind Nachbarn und haben Gemeinsamkeiten wie im Norden das Meer, im Süden die Berge und im Osten die Hauptstadt. Der Westen ist reicher, der Osten ärmer, die Menschen trinken gerne Bier und leben in 16 Bundesländern oder ebenso vielen Woiwodschaften. Jugendaustausch, Schulbuchkonferenzen und Regierungskonsultationen aber können nicht verhindern, dass Vorurteile über polnische Klempner, Klischees über deutsche Autos, die ohne Fahrzeughalter auf wundersame Weise nach Polen gelangen, und auch Angst vor der vermeintlichen Übermacht Deutschlands das Verhältnis immer wieder beeinträchtigen. Besonders 2005 bis 2007 unter der national-konservativen Regentschaft der Brüder Lech Kaczynski (Präsident) und Jaroslaw Kaczynski (Ministerpräsident) waren die Kontakte zwischen Warschau und Berlin angespannt. Mittlerweile ist Letzterer abgewählt, sein Nachfolger Donald Tusk seit November 2007 im Amt. Tusk und Angela Merkel pflegen einen freundschaftlich-pragmatischen Umgang. Doch der ist immer wieder in Gefahr: Wegen des Streits um Steinbach hatte Tusk überlegt, den Hamburg-Besuch abzusagen. Wladyslaw Bartoszewski sagt, er habe den Premier "überzeugt, doch zu kommen". Deutschland und Polen gehören laut Bartoszewski zur europäischen Familie. "Und Probleme müssen in der Familie besprochen werden."