Hagen/Gevelsberg. Gevelsberger hat seine Firma vor 20 Jahren neu erfunden. Seitdem wächst sie. Axel Vollmann hält Grünen-Minister Habeck „für eine Pfeife“.

Die Autoindustrie steckt in einer ernsthaften Krise, und damit auch Südwestfalens Zuliefererindustrie. Während auch deutsche Mittelständler zunehmend im Ausland investieren, geht ein Gevelsberger Unternehmer den umgekehrten Weg. Völlig gegen den Trend holt Axel Vollmann, der Inhaber und Chef der Vollmann Group mit rund 1750 Beschäftigten, gerade einen Produktionsstandort aus dem Ausland zurück nach Deutschland.

Südwestfälischer Automotive-Kongress in Hagen

„Wir haben hier sensationell motivierte Mitarbeiter“, begründet der Familienunternehmer diesen ungewöhnlichen Schritt. Vollmann, Vizepräsident der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer, sieht in der Krise der wohl wichtigsten deutschen Industriebranche eine Chance auf Veränderung. Mehr als eine Floskel?

Eine Rückverlagerung nach Deutschland in Zeiten, in denen Tausende Arbeitsplätze bei großen Autoherstellern wie Volkswagen und Zulieferern wie ZF und Co. abgebaut werden sollen, ist jedenfalls kaum typisch für deutsche Industrieunternehmen. Wie das geht?

Der Unternehmer wird am kommenden Donnerstag in Hagen beim Südwestfälischen Automotive-Kongress darüber sprechen, was am Standort Deutschland vonseiten der Politik passieren müsse, aber auch, warum die Unternehmer wie er selbst gefordert seien. Sein Credo: „Der Unternehmer muss sich bewegen. Wenn wir den Kopf in den Sand stecken, sind wir verloren.“

Den Kongress in Hagen haben die südwestfälischen Industrie- und Handelskammern Arnsberg, Hagen und Siegen gemeinsam mit der Automotive Transformationsplattform Südwestfalen (ATLAS) aus gutem Grund initiiert.

Kaum eine Region ist wirtschaftlich so abhängig vom Auto wie Südwestfalen

Hanno Kempermann, Chef von IW Consult, dem Beratungsunternehmen des Instituts für Wirtschaft Köln, verdeutlicht die enorme Bedeutung des Autos für Südwestfalen. Kaum eine andere Region in Deutschland sei wirtschaftlich so abhängig von der Automobilwirtschaft. „Mehr als zehn Prozent hängen hier von Automotive ab, deutschlandweit sind es lediglich 3,6 Prozent. Die hohe Abhängigkeit betrifft besonders die Kreise Olpe und Soest “, sagt Kempermann.

Es geht darum, dass die südwestfälische Zuliefererindustrie mit Tausenden gut bezahlten Arbeitsplätzen die Köpfe zusammen, statt in den Sand steckt und Wege aus der Automobilkrise und durch die Transformation der Branche findet.

Etwa dadurch, neue Geschäftsfelder zu entwickeln, sich selbst möglicherweise sogar komplett neu zu erfinden, wie es ein Ölfilterhersteller aus Nordrhein-Westfalen getan hat, der aus Filter-Fleece-Stoffen nun Windeln produziert.

Parlamentarischer Staatssekretär aus Bundeswirtschaftsministerium sagt ab

Eigentlich sollte der Parlamentarische Staatsekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Michael Kellner (Die Grünen), in Hagen mitdiskutieren. Kurzfristig habe der Spitzenpolitiker wegen der bevorstehenden Bundestagswahl aber absagen müssen. Es wäre wohl besonders spannend geworden, weil die Kritik an seinem Parteivertrauten, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, wohl noch nie lauter durchklang als zurzeit, nicht nur von politischen Gegnern Marke Markus Söder, sondern auch aus der Wirtschaft. „Habeck ist eine Pfeife“, findet Vollmann, der sich zwar unverblümt an der Politik reibt, sich von ihr aber offenbar nicht aufhalten lassen will.

Vollmann Group Gevelsberg
Die Vollmann Group produziert mit rund 1750 Beschäftigten Karosserieteile in Deutschland, Ungarn und Tschechien und ist direkter Zulieferer für die Autoindustrie. © Vollmann Group | Vollmann Group

Wie eine Transformation ungeachtet politischer Rahmenbedingungen gelingen kann, weiß der Gevelsberger aus eigener Erfahrung. Ursprünglich habe das Familienunternehmen Geld in der Leuchten-Industrie verdient, habe Metallfassungen für Glühlampen produziert. Als klar geworden sei, dass die LED-Technologie Einzug halten und das Geschäftsfeld endlich sein würde, habe Vollmann sein Metall verarbeitendes Unternehmen neu erfunden. Schließlich war nicht Elektronik die Kernkompetenz, sondern Metallumformung. Aus einem Betrieb mit rund 30 Millionen Euro Umsatz im Geschäftsjahr 2005/2006 wuchs man bis heute zu einem Automobilzulieferer mit rund 400 Millionen Euro Umsatz und Standorten in Deutschland, zwei in Ungarn und drei in Tschechien, der Karosseriebauteile aus Metall und Kunststoff produziert.

Zeiten niedriger Löhne im EU-Ausland vorbei?

Einen tschechischen Produktionsstandort bei Brünn verlagert die Vollmann Group gerade ins ostwestfälische Borgentreich nahe Warburg. Dort hat der Unternehmer eine insolvente Firma gekauft und gibt 50 von ehemals 150 Beschäftigten eine neue Perspektive. Noch seien die Arbeitskosten in Tschechien zwar etwa 50 Prozent niedriger als in Deutschland, „aber dieser Vorteil ist im europäischen Ausland in absehbarer Zeit weg.“ In Deutschland werde zwar nach Tarif gezahlt, aber aus alten Zeiten habe man den aus der Leuchtenindustrie beibehalten, der „20 bis 25 Prozent unter dem der Metall- und Elektrobranche liegt“.

Zufrieden seien seine Leute dennoch, versichert der Firmenchef, der auch in der Krise der großen Autohersteller wie Mercedes, BMW und VW, denen die satten Gewinne aus China weggebrochen seien, etwas Gutes sieht: „Die Quersubventionierung für deutsche Standorte hört auf, und damit muss auch der Müßiggang aufhören.“

Vollmann untypisch für die Lage der Unternehmen

Der Gevelsberger scheint auch unter Unternehmern als untypisch zu gelten. „Axel Vollmann ist ein Solitär“, sagt Ulrich Flatken, Geschäftsführer der Jörg Vogelsang GmbH und Vorsitzender des Industrieverbands Blechumformung (IBU). Bei weitem nicht alle Unternehmer seien so positiv gestimmt wie Vollmann. Kaltwalzer und Blechumformer hätten massive Probleme mit Umsätzen und Erträgen. „Wir sehen einen Abbau von Arbeitsplätzen wie seit vielen Jahren nicht mehr“, sagt Flatken, der mit Vollmann, IW Consult-Chef Kempermann und Professor Andreas Nevoigt von der Fachhochschule Südwestfalen über Wege aus der Krise und mögliche neue Geschäftsmodelle diskutieren wird.

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