Münster. Angst vor Verbreitung der Maul- und Klauenseuche bis nach Südwestfalen. Warum sie berechtigt ist. Gute Nachricht vom Minister Özdemir.
Eine Seuche nach der anderen - die Landwirtschaftsbranche hat alle Hände voll mit Viren zu tun, die Tierbestände gefährden, für die Bauern finanzielle Folgen haben und sich am Ende auf Lebensmittelpreise für Verbraucher auswirken könnten. Dass die in Brandenburg vergangene Woche festgestellte hochansteckende Maul- und Klauenseuche auch Bauern in Südwestfalen in Alarmstimmung versetzt, ist aus Sicht der Virenexperten des Friedrich-Löffler-Instituts verständlich.
Löffler-Institut warnt: MKS-Virus hoch ansteckend
Die Experten für Tierseuchen arbeiten auf der Insel Riems im Ostseebodden bei Greifswald. Das Friedrich-Löffler-Institut (FLI) wurde 1910 zur Erforschung des MKS-Virus gegründet. „Die Sorge der Landwirte bundesweit ist berechtigt, da MKS eine hochansteckende, leicht übertragbare Tierseuche ist, die weitreichende wirtschaftliche Folgen nach sich zieht. So haben einige Länder bereits den Import von Schweinefleisch aus (ganz) Deutschland gestoppt und die Niederlande importiert keine Kälber mehr“, erklärte eine Sprecherin des Friedrich-Löffler-Instituts auf Anfrage dieser Zeitung. Einer der Großabnehmer für Schweinefleisch aus deutschen Landen, der einen Import-Stopp verhängt hat, ist Südkorea.
Entsprechend schauen auch Landwirte in Westfalen gebannt und bangend nach Ostdeutschland. „Wir hoffen, dass es bei den drei Büffeln bleibt, aber wir wissen nicht, ob sich die Seuche schon ausgebreitet hat“, sagte Westfalens Bauernpräsident Hubertus Beringmeier am Montagabend in Münster.
Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir mit guter Nachricht
Das Bundeslandwirtschaftsministerium teilte am Mittwoch mit, dass die Schutzzonen rund um den Brandeburger Hof nach aktuellem Stand vorerst nicht erweitert werden müssten und Produkte von Höfen außerhalb der Zone innerhalb der Europäischen Union weiter gehandelt werden dürften. „Bei den Nachrichten der vergangenen Woche ist die Entscheidung aus Brüssel ein Lichtblick für die Landwirtinnen und Landwirte. Die Kommission hat den von Brandenburg gesperrten Bereich nicht vergrößert. Fleisch und auch Milchprodukte, die außerhalb der Sperrzone erzeugt wurden, können damit weiter in der EU gehandelt werden. Die aktuelle Situation ist für die Höfe sehr belastend – viele Landwirte bangen um ihre Tiere. Ziel muss weiterhin sein, eine Ausbreitung des Virus zu verhindern, um die Tiere zu schützen und Schäden für unsere Land- und Lebensmittelwirtschaft zu minimieren“, erklärte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir.
„Wir wissen nicht, ob sich die Seuche schon ausgebreitet hat.“
Die Gefahr ist anscheinend durchaus realistisch. In Brandenburg und Berlin gibt es bereits strikte Maßnahmen: Ein Verbot von Tiertransporten für mehrere Tage. Das Programm der großen Branchen-Leistungsschau „Grüne Woche“ startet am Donnerstag in Berlin startet ohne jegliches Klauentier. Kein Rind, kein Schaf, keine Ziege darf die Messehallen betreten.
Die Branche ist offenkundig extrem aufgeschreckt, nachdem mehr als drei Jahrzehnte kein Fall von Maul- und Klauenseuche mehr in Deutschland aufgetreten war. 1988 war der letzte bekannte Fall hierzulande. Woher das aktuelle Virus kam ist Stand Dienstag noch unbekannt. Noch gravierender: Ob es sich bereits verbreitet hat, weiß eben auch noch niemand.
„Der Klimawandel befördert die Vermehrung der Wirte dieser Krankheiten. Wir müssen uns darauf einstellen.“
MKS ist nicht das einzige Virus, das Landwirte in Westfalen derzeit beschäftigt. Im Gegenteil: Fünf Virenprobleme seien akut und sorgen für schwierige Zeiten auf den Höfen in Westfalen. Die Experten des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes sehen einen Zusammenhang mit dem Klimawandel und zunehmender Globalisierung. „Der Klimawandel befördert die Vermehrung der Wirte dieser Krankheiten. Wir müssen uns darauf einstellen, denn wir sind ja kaum in der Lage, die Klimaerwärmung aufzuhalten geschweige denn umzukehren“, sagt der Siegerländer Henner Braach, Vizepräsident des Bauernverbands WLV. Auch die Globalisierung sorge für mehr weltreisende Viren.
Wie Landwirte leiden, wenn ihre Tiere leiden
Erst vor ein paar Monaten habe die Blauzungenkrankheit viele Landwirte in Atem gehalten. Sie betreffe überwiegend Rinder, Schafe und Ziegen. Der wirtschaftliche Schaden sei das eine, sagt Henner Braach. Weniger Kälber, viele Fehlgeburten verursache die Krankheit. Das andere: „Als Landwirt die eigenen Tiere leiden zu sehen, ist nicht so leicht.“
In Nordrhein-Westfalen kämpfen Landwirte vor allem im Kreis Borken an der Grenze zu den Niederlanden immer wieder mit dem BHV1, einem Herpesvirus. Noch bis einschließlich März ist ein Gebiet in Heek und Teilen von Ahaus aktuell zum Sperrgebiet erklärt worden.
Auch die Vogelgrippe (HPAI) steht weiter auf der Tagesordnung, wenn es um sogenannte Biosicherheit auf den Höfen geht - wenngleich HPAI „endemisch“ sei, also jeweils eher begrenzt vorkomme, wie die WLV-Experten erklären.
Schweinepest seit fünf Jahren ein Problem
Die Afrikanische Schweinepest (ASP), die sich lange vor allem auf Ostdeutschland konzentrierte, hat Auswirkungen auf den gesamten deutschen Markt und damit auch auf die Schweinebauern in Westfalen. Und dies seit rund fünf Jahren. Knapp 1000 Infektionen seien laut WLV allein im vergangenen Jahr in Deutschland festgestellt worden, ganz überwiegend bei Wildschweinen. Für ausländische Märkte wie China Grund genug, die Grenzen für Schweinefleisch aus Deutschland abzuriegeln. Dorthin wurden in der Vergangenheit vor allem Schweineohren und Pfötchen exportiert, die in China als Delikatesse gelten, hierzulande aber kaum nachgefragt werden. Somit fehlen in den Hofkassen wichtige Einnahmen.
Bestes Fleisch landet auf dem Müll statt auf dem Teller
Ein aus Sicht des WLV-Präsidenten Beringmeier riesiges Problem sei der Umgang mit ASP in Deutschland und Europa. Wurde ASP bei einem Tier in der Nähe eines Hofes festgestellt, könne der Bauer seine Tiere nicht mehr vermarkten. „Die Tiere gehen dann für null Euro zum Schlachthof. Dabei ist es das bestgetestete Fleisch überhaupt“, klagt Beringmeier, dessen Familie selbst Schweinzucht in Ostwestfalen betreibt.
Bislang sind Fälle von ASP laut Bundeslandwirtschaftsministerium in sechs Bundesländern aufgetreten, neben Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen auch in Baden-Württemberg sowie Hessen und Rheinland-Pfalz. Es sei nur eine Frage der Zeit, wann auch ein Fall in Westfalen-Lippe auftrete, glaubt der WLV-Präsident. Um dann nicht wertvolles und unbelastetes Schweinfleisch entsorgen zu müssen, sondern es verkaufen zu können, bräuchte es lediglich eine Sicherheitsprobe am Schlachthof. Dazu sei die Änderung einer entsprechenden EU-Richtlinie notwendig. „Hier könnte die Politik in Brüssel und Berlin wirklich helfen“, sagt Hubertus Beringmeier beim Havichhorster Abend in Münster, bei dem traditionell um Verständnis für die Belange der Landwirtschaft geworben wird und Forderungen an die Politik übermittelt werden sollen. Trotz kurz bevorstehender Bundestagswahl steht gerade der Umgang mit den fünf Seuchen, die Biosicherheit auf heimischen Höfen, mindestens ebenso im Fokus wie die Frage, welche Farbenlehre im kommenden Kabinett gelten wird.
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