Hagen. Gewerkschaft NGG droht in NRW mit Streiks in der Milch- sowie der Obst- und Gemüseindustrie. Heute und Freitag sind Tarifverhandlungen.
Werden Lebensmittel wie Milch, Senf und Marmelade in den kommenden Wochen knapp? Der Lebensmittelindustrie in Nordrhein-Westfalen droht ein „handfester Tarifkonflikt“. Den kündigte Mohamed Boudih, Landeschef der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), am Dienstag an. Boudih und die Mitglieder der Tarifverhandlungskommission sind mächtig sauer, weil Marmeladenhersteller wie Zentis oder Senfproduzenten wie Thomy und Löwensenf in NRW die rund 7300 Beschäftigten in der Obst- und Gemüseindustrie möglicherweise mit einer Nullrunde abspeisen wollen. In der ersten Verhandlungsrunde in Krefeld am 10. April legten die Arbeitgeber jedenfalls erst einmal gar kein Angebot vor.
10 Prozent Lohnplus in Baden-Württemberg
In Baden-Württemberg wurde in der Branche dagegen am 18. April ein aus Sicht der Gewerkschaft sehr guter Abschluss erzielt: unter dem Strich 10 Prozent mehr Entgelt in zwei Schritten - 7,5 Prozent ab 1. Juli 2024 und 2,5 Prozent zum Jahresstart 2025 - sowie 1000 Euro Sonderzahlung sind im Südwesten das Ergebnis, nachdem es dort ebenfalls Warnstreiks gegeben hatte.
Die NGG und die Beschäftigten in Nordrhein-Westfalen fordern 9,5 Prozent mehr Lohn und 150 Euro mehr pro Monat als Ausbildungsvergütung. Auf die Nullnummer der NRW-Arbeitgeber reagierten die Beschäftigten in NRW bereits in der vergangenen Woche mit Warnstreiks. Zu leeren Regalen ohne Lieblingsprodukte führte das erst einmal nicht.
Am Mittwoch, 22. Mai, steht Runde zwei bei Obst- und Gemüse in NRW an. Wird dann von Arbeitgeberseite wieder nichts aufgetischt, werden dies die Beschäftigten kaum schlucken. „Klar ist, wenn es kein Ergebnis gibt, müssen wir zu härteren Mitteln greifen. Die Streiks werden dann ausgeweitet“, kündigt Isabell Mura, stellvertretende NGG-Chefin in NRW, an.
Der Organisationsgrad sei hoch, sowohl bei Obst- und Gemüse als auch in der Milchindustrie, sagt Mura. Auch unbefristete Streiks seien möglich, darüber entscheiden letztlich Tarifkommission und Beschäftigte in einer Urabstimmung. Dann könnten die Streik-Auswirkungen im für Verbraucher schlechtesten Fall doch im Supermarktregal sichtbar werden. So weit ist es allerdings noch nicht.
Plus acht Prozent in der Obst- und Gemüseindustrie im vergangenen Jahr
Im vergangenen Jahr hatte es in der Obst- und Gemüseindustrie, zu der beispielsweise auch kleinere Unternehmen wie Rüma Feinkost in Hagen gehören, einen aus Sicht von Mura sehr guten Abschluss gegeben. 8 Prozent mehr Lohn sowie 1600 Euro Inflationsprämie bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. „Die Menschen haben aber weiter mit einem Rückgang der Kaufkraft zu kämpfen“, begründet Mura die Forderung nach einer erneuten Erhöhung.
Freitag Verhandlung der NRW-Milchindustrie mit NGG in Dortmund
Auch in der Molkereiindustrie wird aktuell verhandelt - begleitet von Warnstreiks in der vergangenen Woche und am Dienstag. Hier setzen sich Arbeitgeber und Gewerkschaften am kommenden Freitag in einem Hotel in Dortmund an den Tisch zur dritten Runde. Immerhin liegt hier ein Angebot der Arbeitgeber vor: FrieslandCampina mit Werken in Düsseldorf und Lippstadt sowie die Moers Frischeprodukte GmbH und die Münsterländer Privatmolkerei Naarmann bieten bislang 3,9 Prozent mehr Lohn und Gehalt an. Zu wenig, sagt NGG-Chef Boudih.
Für die 4450 Molkerei-Beschäftigten in NRW sind auch hier 9,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt gefordert, außerdem 200 Euro mehr pro Monat für Azubis. „Sollten die Arbeitgeber sich nicht bewegen, dann bewegt sich auch in den Firmen bald nichts mehr. Es droht eine Warnstreikwelle“, warnt Boudih auch hier vor einer Blockadehaltung. „Bislang haben die Arbeitgeber nur eine Botschaft am Tariftisch platziert: Sie wollen den Lohn unten halten und auf Zeit spielen“, kritisiert Boudih.
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In Nordrhein-Westfalen sind nur noch die Privatmolkerei Naarmann aus Neuenkirchen im Münsterland, die Moers Frischeprodukte GmbH und die genossenschaftlich organisierte Molkerei FrieslandCampina tarifgebunden. Nach eigenen Angaben sind bei Friesland rund 16.000 Milchbauern aus den Niederlanden, Belgien und Deutschland beteiligt. Ende vergangenen Jahres hatte FrieslandCampina ein drastisches Sparprogramm namens „Expedition 2030“ angekündigt. Damit verbunden ist die Hoffnung auf jährliche Kostensenkungen von bis zu 500 Millionen Euro ab 2026, höhere Gewinne und die Gewissheit eines Jobabbaus: 1800 der rund 22.000 Arbeitsplätze weltweit sollen entfallen, 1200 davon noch in diesem Jahr. FrieslandCampina spricht von einem sehr schwierigen Jahr 2023 und ungewissen Aussichten 2024.