Essen/Hamburg. Nach zwölf Monaten Verhandlungen gibt es in Hamburg eine erste Tarifeinigung im Einzelhandel. Verdi-Frau Eickholt zu den Folgen für NRW.
Nach dem Durchbruch bei den Tarifverhandlungen für den Einzelhandel in Hamburg keimt auch in Nordrhein-Westfalen die Hoffnung auf ein Ende des seit zwölf Monaten schwelenden Konflikts um Löhne und Gehälter. Die Warnstreiks am Freitag, 10. Mai, sollen aber wie geplant stattfinden.
Die Nachricht kam in der Nacht zum Himmelfahrtstag: In Hamburg haben sich Arbeitgeber und Gewerkschaft Verdi auf einen neuen Tarifvertrag im Einzelhandel geeinigt. Danach sollen die Beschäftigten zehn Prozent mehr Gehalt in zwei Schritten erhalten. Im Mai 2025 sollen noch einmal 40 Euro pauschal und 1,8 Prozent hinzukommen. Überdies ist für Juni die Auszahlung einer Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 1000 Euro geplant. Ab Januar 2025 kommt eine jährliche tarifliche Altersvorsorge von 120 Euro zu den bisher gezahlten 300 Euro hinzu.
„Das war lange überfällig. Die Kolleginnen und Kollegen haben ein Jahr hart gekämpft“, sagt Silke Zimmer, für den Handel zuständiges Verdi-Bundesvorstandsmitglied. Auch der Tarifgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland, Steven Haarke, zeigt sich über die erste Tarifeinigung erleichtert. „Damit ist man an die äußerste finanzielle Schmerzgrenze für die Arbeitgeber gegangen“, erklärt er und hofft nun auf eine längere Friedenspflicht. Denn der Hamburger Tarifvertrag soll historisch lang - 36 Monate - laufen.
Ob die anderen Bundesländer das neue Tarifwerk übernehmen werden, ist freilich offen. Peter Achten, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands NRW, gibt sich erleichtert. „Wir sind froh, dass nunmehr ein Durchbruch erzielt werden konnte“, sagte er am Donnerstag unserer Redaktion. „Diese Tarifrunde im historisch schwierigen Umfeld hat beiden Seiten viel abverlangt. Die lange Laufzeit schafft nun Planungssicherheit.“
Verdi: „Wir haben die Tarifflucht abgewendet“
Auch Henrike Eickholt, Landesfachbereichsleiterin Handel bei Verdi NRW, zeigt sich zuversichtlich. „Ich finde es großartig, dass wir in Hamburg nach zwölf Monaten den Durchbruch geschafft haben. Für die Beschäftigten im Einzelhandel gibt es nun endlich wieder Rechtssicherheit“, sagte sie am Donnerstag im Gespräch mit unserer Redaktion. Es sei ein Erfolg, dass es Verdi gelungen sei, die Arbeitgeber „von einem Tarifdiktat abgebracht“ zu haben. „Es gab eine klare Strömung bei einigen Unternehmen, in einen tariflosen Zustand zu wechseln. Das wäre fatal. Die Tarifflucht haben wir jetzt abwehren können“, erklärte Eickholt. Die Arbeitgeber hätten sich aus deshalb bewegt, „weil es viele offene Stellen gibt und es auch um die Zukunft des Einzelhandels geht. Die gibt es nur mit gerechten Löhnen und Gehältern“, ist die Gewerkschafterin überzeugt.
Trotz Brückentag hat die Verdi-Frau für Freitag, 10. Mai, die Große Tarifkommission mit 40 ehrenamtlichen Vertreterinnen und Vertretern aus ganz NRW zusammengerufen. „Ich gehe davon aus, dass wir auf die Arbeitgeber zugehen und die Wiederaufnahme der Tarifverhandlungen vorschlagen werden.“ Man werde zügig das weitere Vorgehen beraten.
Nichtsdestotrotz sollen die Warnstreiks im nordrhein-westfälischen Handel am Freitag weitergehen. Verdi plant nach eigenen Angaben Aktionen in Duisburg, Dortmund, Düsseldorf, Köln und in Ostwestfalen.
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