Berlin. Ein Hauskauf ist teuer. Nicht jeder hat die Mittel für eine Immobilie. Experten erklären, was bei der Finanzierung möglich ist.

Der Traum vom Eigenheim ist vor allem an finanzielle Möglichkeiten geknüpft. Um sich den Wunsch von den eigenen vier Wänden zu erfüllen, ist meist ein Kredit nötig – und für diesen wiederum ein gewisser Eigenanteil. Doch in einigen Fällen kann man eine Immobilie mit einer Vollfinanzierung erwerben – ohne einen einzigen Cent Eigenkapital aufzuwenden. Hier lesen Sie, wie und unter welchen Umständen das möglich ist.

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Welche Arten der Vollfinanzierung gibt es?

Grundsätzlich muss man zwischen zwei Arten der Vollfinanzierung unterscheiden: Bei einer 100-Prozent-Finanzierung umfasst der Kredit den gesamten Kaufpreis der Immobilie. Der Käufer muss aber selbst die Kaufnebenkosten aufbringen, die in der Regel etwa bei zehn Prozent des Kaufpreises liegen. Entsprechend sind diese bei einer 110-Prozent-Finanzierung ebenfalls im Kredit enthalten.

Wer vergibt Vollfinanzierungen?

Nicht jede Bank bietet beide Varianten der Vollfinanzierung an. So erklärt Stefan Speicher, Pressesprecher der Bausparkasse Schwäbisch Hall, dass Vollfinanzierungen zwar grundsätzlich möglich seien, die Nebenkosten aber immer aus Eigenmitteln bezahlt werden müssten. Eine 110-Prozent-Finanzierung wird also nicht angeboten.

Was sind die Vorteile von Vollfinanzierungen?

Die Vorteile liegen auf der Hand: Mit einer Vollfinanzierung lässt sich eine Immobilie erwerben, ohne dass im ersten Schritt das eigene Portemonnaie belastet wird. So kann sich in der Theorie jeder eine Immobilie leisten. Doch auch die Nachteile einer Vollfinanzierung sollten bedacht werden.

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Was sind die Nachteile einer Vollfinanzierung?

Speicher weist darauf hin, dass bei Finanzierungen, die mehr als 80 Prozent des Beleihungswertes betragen, Risikoaufschläge und damit deutlich höhere Zinsen anfallen. Auch bei einer notwendigen Anschlussfinanzierung nach Ablauf der Zinsbindung bestehe ein erhöhtes Zinsänderungsrisiko.

Thomas Hentschel vom nordrhein-westfälischen Verbraucherschutz erklärt, woran das liegt: „In der Regel sollten Kunden für eine Immobilienfinanzierung ein Eigenkapital von 20 Prozent zuzüglich der Kaufnebenkosten einsetzen. Bei geringerem Eigenkapitaleinsatz steigt das Risiko für das Kreditinstitut. In der Regel bedeutet das auch einen höheren Zinssatz.“ Bei einer 110-Prozent-Finanzierung steigt das Risiko für die Banken laut Hentschel noch weiter, denn der Wert der Immobilie, der für die Bank eine Sicherheit darstellt, deckt nicht die Kaufnebenkosten ab.

House on money stack
Wer ein Eigenheim erwerben will, brauch Geld und Rücklagen. © iStock | malerapaso

Wer kann eine Vollfinanzierung bekommen?

Ob eine Vollfinanzierung gewährt wird, hängt von der Bank ab. Diese muss die Bonität des Kunden prüfen. Faktoren hierfür sind laut Hentschel das Einkommen, die Ausgaben und das Arbeitsverhältnis. „Auch der Wert der Immobilie ist wichtig, da sie, sollte der Kunde zahlungsunfähig werden, eine Sicherheit für die Bank darstellt“, so Hentschel. Entsprechend stehen die Chancen für Festangestellte mit hohem Einkommen und geringen Ausgaben besser.

Was raten Expertinnen und Experten?

Viele Expertinnen und Experten haben Vorbehalte gegenüber Vollfinanzierungen. Sibylle Barent, Leiterin Steuer- und Finanzpolitik bei Haus & Grund Deutschland, rät für eine private Nutzung explizit von einer Vollfinanzierung ab: „Infrage kommt so etwas eher für Kreditnehmer, die auf diese Weise eine Zweitimmobilie beispielsweise zur Vermietung und späteren Selbstnutzung erwerben und dann die abbezahlte Erstimmobilie als Sicherheit einsetzen.“

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Wer dennoch versuchen will, eine Bank von einer Vollfinanzierung zu überzeugen, sollte vorher gründlich rechnen und sich auch über die eigenen Mittel Gedanken machen. „Jeder Euro, den man mehr hat, kann die Konditionen verbessern“, so Barent. Verbraucherschützer Hentschel empfiehlt Kunden, ihre Ausgaben selbst zu schätzen: „Die unterstellten Erfahrungswerte der Kreditinstitute sind in der Regel knapp bemessen und geben die persönlichen Verhältnisse nicht wieder. Dabei sollten auch steigende Unterhaltskosten beim Wechsel in eine größere Immobilie bedacht werden.“

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Denn schließlich sollte man langfristig in der Lage sein, den Kredit auch abzubezahlen. Bei einer 110-Prozent-Finanzierung empfiehlt Hentschel „eine Tilgung von zwei bis vier Prozent, um das Darlehen schneller zu reduzieren“. Übernehmen sollten sich Interessierte aber nicht: „Die Verbraucherzentrale empfiehlt, dass die monatlichen Ausgaben für Wohnen inklusive Zins, Tilgung und Unterhalt der Immobilie nicht über 40 bis 45 Prozent des monatlichen Nettoeinkommens liegen.“

Die Vollfinanzierung ist für die meisten Menschen also keine wirklich sinnvolle oder überhaupt erreichbare Möglichkeit. Aufgrund der aktuell hohen Zinsen rät Barent daher dazu, erst selbst Eigenkapital anzusparen, anstatt gleich zu hohen Zinsen vollzufinanzieren.

Ist jetzt überhaupt der richtige Zeitpunkt zum Hauskauf?

Die Immobilienpreise sind zuletzt zurückgegangen. Auch die Bauzinsen sind derzeit niedriger als noch 2023. Aktuell ist der Schritt zum Eigenheim also verhältnismäßig günstig. Wer noch mehr sparen will, kann sein Glück auch bei einer Zwangsversteigerung versuchen. Teils gibt es hier echte Schnäppchen, auch Makler- und Notargebühren fallen nicht an. Es empfiehlt sich aber eine gute Vorbereitung, um keine Schrottimmobilie zu erwerben. Bei wem das Geld jedoch wirklich knapp ist, für den stehen die Chancen auf die eigenen vier Wände weiterhin schlecht.