Berlin. Schwächelt die Wirtschaft, kann das auch Mitarbeiter treffen. Wie man sich bei einer Kündigung verhält und wie KI heute schon hilft.
Der Weg zu einigen Zehntausend Euro mehr in der eigenen Tasche kann bei Cleverklagen über ein paar Mausklicks führen. So zumindest hat das Berliner Legal-Tech den Erstkontakt mit potenziellen Kunden organisiert. Über die Internetseite des Unternehmens können gekündigte Arbeitnehmer in wenigen Schritten mögliche Abfindungen berechnen. Wie erfolgversprechend dafür nötige juristische Schritte sein können, klärt die junge Firma zuvor mit ein paar schnellen Fragen. Dann steht dort in blauen Ziffern auch schon die Zahl, um die es gehen könnte.
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Abfindungen für gekündigte Arbeitnehmer aushandeln ist das Geschäft von Cleverklagen. Co-Geschäftsführer Fabian Beulke (40) sitzt an einem großen Konferenztisch in einem Berliner Altbau und lacht. Das liegt wohl auch am vergleichsweise arbeitnehmerfreundlichen Arbeitsrecht. Denn in der Frage, ob eine Kündigung wirksam ist oder nicht, hat der Gesetzgeber mit dem Kündigungsschutzgesetz ziemlich enge Leitplanken gesetzt. Cleverklagen sieht deswegen in vielen Kündigungen gute Chancen, Abfindungen für die Beschäftigten zu erstreiten.
Volkswagen zahlt gerade bis zu 450.000 Euro: Was wirklich drin ist bei Abfindungen
200.000 Euro haben er und die Partneranwälte von Cleverklagen schon mal für einen Mandanten herausgeholt, erzählt Beulke. Das sei aber die Ausnahme. Üblich seien Abfindungen in Höhe von einem halben Monatsgehalt pro Jahr Betriebszugehörigkeit. Durchschnittlich erreiche Cleverklagen eigenen Angaben zufolge Abfindungszahlungen in Höhe von 8000 Euro. „Mehr ist drin, je wahrscheinlicher es ist, dass die vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung vor Gericht eben nicht hält“, so der Rechtsanwalt. Und auch bei größer angelegten Sparprogrammen von Konzernen. Volkswagen zum Beispiel bietet Beschäftigten aus der Produktion derzeit bis zu 450.000 Euro an, wenn sie freiwillig gehen.
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Wer eine Kündigung erhält, sollte zunächst in jedem Fall nicht in Panik geraten, sagen Experten. Arbeitnehmer haben in der Regel zwei Möglichkeiten. Die erste ist: selbst einen Rechtsanwalt beauftragen, der sich der Sache annimmt. Im besten Fall ist das jemand, der sich mit Arbeitsrecht auskennt, sagt der Rechtsanwalt Sebastian Hautli aus Freiburg. „Hat der Arbeitnehmer eine Rechtsschutzversicherung, die Arbeitsrecht abdeckt, bezahlt diese das Honorar des Anwalts. Falls nicht, muss der Arbeitnehmer das Honorar selbst tragen“, erklärt er. Achtung: Anders als bei anderen Verfahren im Zivilrecht bezahlt in der ersten Instanz jede Partei ihre Anwaltskosten selbst – egal, wer schlussendlich das Verfahren gewinnt oder verliert.
Kündigungsschutzklage: Welche wichtige Frist man keinesfalls versäumen sollte
Hautli zufolge ist die zweite Möglichkeit, nach einer Kündigung selbst zum zuständigen Arbeitsgericht zu gehen und dort die Rechtsantragsstelle aufzusuchen. „Dort kann man kostenlos eine Kündigungsschutzklage erheben. Anwaltspflicht besteht vor dem Arbeitsgericht in der ersten Instanz nicht“, erklärt der Jurist. Für beide Wege gilt: Allzu viel Zeit lassen sollte man sich nicht. Innerhalb einer dreiwöchigen Frist nach Erhalt der Kündigung vom Arbeitgeber muss die Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht eingegangen sein. „Wird diese Frist versäumt, ohne dass man zum Beispiel wegen Krankheit an der Einhaltung gehindert war, kann man gerichtlich nichts mehr gegen die Kündigung tun“, warnt Hautli.
Erfolgsaussichten auf Abfindungen seien allerdings schwer einzuschätzen, sagt Fabian Beulke von Cleverklagen. Entscheidend ist dafür auch der Kündigungsgrund. Bei tatsächlich schwerem Fehlverhalten gehe der Gekündigte oft leer aus. Meistens habe man als Arbeitnehmer aber gute Karten. „Manchmal bauen auch die Arbeitgeber richtig Mist, wollen Mitarbeiter mit fadenscheinigen Begründungen loswerden. Da lohnt es sich dann, genauer hinzuschauen“, erzählt er weiter. Häufig komme es nach einer eingereichten Kündigungsschutzklage dann recht schnell zu einem Gütetermin. Am Ende steht dann oft ein Vergleichsergebnis – mit einer Abfindung für den gekündigten Arbeitnehmer.
Keine Rechtsschutzversicherung: Das ist nicht immer ein Problem
Cleverklagen, derzeit noch ausschließlich auf Arbeitsrecht spezialisiert, wächst dabei recht konstant. Seit der Gründung vor gut vier Jahren habe man gut 4000 Fälle betreut. Eine erhöhte Nachfrage angesichts der derzeit schleppend laufenden deutschen Wirtschaft spüre seine Firma derzeit aber nicht, sagt Fabian Beulke. Betroffene sollen es bei dem Start-up aber einfach haben. Dem Erstkontakt über ein paar Klicks auf der Internetseite folgt ein kostenloses, 15-minütiges Beratungsgespräch mit einem Anwalt, der die Erfolgsaussichten auslotet.
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Hat der Gekündigte keine Rechtsschutzversicherung, arbeitet Cleverklagen auf Provisionsbasis. Das heißt, alle Kosten werden übernommen und Betroffene müssen finanziell kein Risiko eingehen. Bei erfolgreich verhandelter Abfindung erhalten die Berliner aber einen Teil des Geldes. Durchschnittlich seien das 34 Prozent der Summe, so Beulke. Das Unternehmen arbeitet mit einer Handvoll Partneranwälten zusammen, die ausnahmslos Spezialisten in Sachen Arbeitsrecht sind. „Unsere Anwälte machen jeden Tag nichts anderes, als Kündigungsschutzklagen zu schreiben und Aufhebungsverträge zu verhandeln“, versichert der Mitgründer.
Künstliche Intelligenz: Legal-Tech-Gründer wagt erstaunliche Prognose
Schon heute hilft bei Cleverklagen auch Künstliche Intelligenz (KI) mit. Eine entsprechende Open-Source-Anwendung füttert das Unternehmen seit einiger Zeit mit allerhand Wissenswertem zum Themenfeld Arbeitsrecht. Das hilft zunächst mal den eigenen Mitarbeitern und Anwälten. Intern sortiert die KI so Rechtsfragen vor, macht Antwortvorschläge an die Kunden und liest Informationen aus. Bald schon kann der KI-Helfer wohl noch mehr.
„Ich denke, dass KI letzten Endes den gesamten Rechtsanwaltsberuf übernehmen wird“, sagt Fabian Beulke. Schon in einigen Jahren werde die KI besser sein als Anwälte. Menschliche Juristen würden schließlich mitunter Fehler machen. KI hingegen werde in der Lage sein, Verträge zu schreiben, die kaum noch Angriffspunkte böten. Gleichzeitig könne dann wohl auch der künstliche Helfer mit Menschen sprechen, Informationen sammeln und Dokumente auslesen. Hinzu komme, dass eine KI stets das gesamte juristische Wissen und sämtliche Gerichtsentscheidungen präsent habe. Der Unternehmer glaubt, dass die Suche nach dem richtigen Argument so eine Frage von Sekunden werden könne – wohl auch in Sachen Kündigung.