Berlin. Betrüger nutzen Schlupflöcher bei Zwangsversteigerungen, lassen Gebäude verfallen. Der Minister will gegensteuern – mit einer Reform.
Wie Eigentümer und Staat betrogen werden, sollen vier Männer in Berlin bewiesen haben. Die Beschuldigten, gegen die nun die Staatsanwaltschaft ermittelt, kassierten offenbar Kaufpreise, die 450 Prozent über dem tatsächlichen Marktwert lagen. Denn sie boten eine Immobilie an, die heruntergekommen war. Die Männer nahmen so 1,5 Millionen Euro ein. Jetzt sind sie angeklagt, der Tatvorwurf: bandenmäßiger Betrug.
Es ist das, was viele als „Schrottimmobilie“ bezeichnen. Die Tricks der Betrüger gehen noch weiter: Oftmals ersteigern Kriminelle diese abgewirtschafteten Häuser und Wohnungen bei Zwangsversteigerungen, teilweise zu überzogenen Preisen. Doch das Geld zahlen sie nie – und hatten auch nie die Absicht zu zahlen.
Das Problem: Das bisherige Gesetz über die Zwangsversteigerung (ZVG) verpflichtet die neuen Besitzer nur zur Zahlung einer sogenannten Sicherheitsleistung, das ist nur ein Bruchteil des Preises, meist zehn Prozent. Und trotzdem dürfen die Besitzer die Wohnungen bereits vermieten – oftmals kassieren sie horrende Summen, solange bis das Gebäude erneut versteigert werden muss, weil der Kaufpreis nie bezahlt wurde. Bis ein neuer Termin steht, kann es Monate dauern. Die Bundesregierung spricht von „erheblichen Gewinnen“, die ein betrügerischer Käufer in der Zeit erzielt. Und: Es gibt Fälle, da ersteigert erneut ein krimineller Bieter die „Schrottimmobilie“ – ein Kreislauf mieser Machenschaften.
Schrottimmobilien: Buschmann will „dieser üblen Masche einen Riegel vorschieben“
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) nennt dieses Vorgehen ein „böses Spiel“, spricht von der „Schrotthausmafia“. Der Betrug trifft gerade Menschen, die sich rechtlich kaum wehren können, etwa Arbeitsmigranten aus Rumänien und Bulgarien. „Skrupellose Geschäftsleute ersteigern Problemhäuser, quartieren unter teils erbärmlichen Bedingungen Menschen mit Migrationsbezug dort ein und quetschen damit die Immobilien aus wie eine Zitrone – ohne je den geschuldeten Preis zu bezahlen“, sagt Buschmann unserer Redaktion. „Wir wollen dieser üblen Masche einen Riegel vorschieben.“
Dabei nutzen die Täter eine Schwachstelle im Zwangsversteigerungsgesetz. Buschmann will diese Lücke nun mit einer Reform schließen, ein Entwurf seines Ministeriums für das neue „Gesetz zur Bekämpfung missbräuchlicher Ersteigerungen von Schrottimmobilien“ liegt unserer Redaktion vor. Die Verwaltungsämter von Gemeinden sollen die Chance bekommen, dem Käufer die ersteigerte Immobilie vorübergehend zu entziehen.
Hebel für diese Maßnahme soll ein Antrag auf gerichtliche Verwaltung sein, den die Gemeinde im Verfahren einer Zwangsversteigerung stellen kann – laut dem neuen Gesetz unabhängig davon, ob die Gemeinde an dem Verfahren als Gläubigerin beteiligt ist, also die Stadt oder Kommune selbst nicht Geld durch die Versteigerung erhält. Voraussetzung ist allerdings: Das Haus oder die Wohnung muss als „Problemimmobilie“ eingestuft sein. Ab wann genau das gilt, will das Justizministerium im Gesetz näher bestimmen. Der Käufer der Immobilie soll in solchen Fällen erst das Gebäude verwalten oder vermieten können, sobald er sein Gebot voll bezahlt hat.
Das Ziel der Reform: Missbrauch bei Zwangsversteigerungen soll sich für die Täter nicht mehr lohnen. „Nach Anordnung der gerichtlichen Verwaltung sind dann beispielsweise etwaige Mieteinnahmen an den gerichtlich bestellten Verwalter zu zahlen“, heißt es in dem Gesetzentwurf.
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Justizminister Buschmann sagt: „Ich setze mich sehr für dieses Gesetz ein – weil ich aus meiner Heimat Gelsenkirchen weiß, wie sehr Kommunen unter der Schrotthausmafia leiden.“ Die Lebensqualität ganzer Kieze und Nachbarschaften leide unter den Methoden einzelner krimineller Käufer. Häufig komme es im Umfeld zu „Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“.
Eigentümer lassen die Wohnungen verfallen – in Betrugsfällen aus Kalkül
Immer wieder gibt es Berichte über Nachbarschaften, in denen sich Anwohner über die Zustände in heruntergewirtschafteten Wohnhäusern beschweren. Wohnungen werden nicht saniert, sind teilweise mit Schimmel oder Insekten befallen, draußen auf dem Hof sammelt sich der Müll. Eigentümer lassen die Wohnungen verfallen – in Betrugsfällen aus Kalkül. Und sie setzen oft darauf, dass sie bei Menschen auf wenig Widerstand stoßen, die hier Gastarbeiter sind und die Sprache nicht sprechen. Sie nutzen soziale Missstände aus.
Buschmann will nach eigenen Angaben in der kommenden Woche das Gesetzesvorhaben im Regierungskabinett vorstellen und beschließen. Danach muss der Entwurf durch den Bundestag beraten werden. Seit vielen Jahren gehört der Immobilienmarkt zu einer Branche, in der Korruption und Betrug blühen. In Deutschland gilt keine Bargeld-Obergrenze für Käufe. So nutzen Kriminelle eine Investition in Häuser, um Geld zu waschen, das etwa aus dem Drogenhandel kommt.
Noch immer beschreiben Ermittler Deutschland als „Paradies für Geldwäsche“. In den vergangenen Jahren hat die Regierung versucht, gegen Betrug am Markt vorzugehen, und etwa die Meldepflichten für Notare verschärft. Auch Banken und Kreditinstitute sind stärker unter Druck, Richtlinien zur Geldwäsche zu befolgen.
Zugleich aber hinkt Deutschland im Kampf gegen Mafia-Gruppen hinterher. Oftmals profitieren Kriminelle von überlasteten Behörden oder unklaren Zuständigkeiten im Föderalismus. Und von eben diesen Gesetzeslücken, die Buschmann nun zumindest an einer Stelle schließen will. Als Berlin vor einigen Jahren stolz 77 Immobilien einer arabischen Großfamilien beschlagnahmte, deren Geld für den Kauf aus kriminellen Geschäften kommen soll, wurde schnell deutlich: Einen Teil der Häuser hatten die Täter bei Zwangsversteigerungen ergattert.