Wittgenstein/Niederlaasphe. Ein von der NS-Führung aufgestacheltes letztes Aufgebot aus Wehrmacht,Waffen-SS, Volkssturm und Hitlerjugend kämpft bis zum bitteren Ende.

Es ist nur ein Federstrich, eine Unterschrift. Aber sie beendet das Sterben in Europa. Generaloberst Alfred Jodl unterzeichnete am 7. Mai 1945 in Reims im Hauptquartier von General Dwight D. Eisenhower, Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte in Europa, die bedingungslose Kapitulation des Deutschen Reichs.

75 Jahre sind seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges vergangen. Der hat auch Spuren in Wittgenstein hinterlassen – Spuren der Schicksale von Gefallenen auf Kriegsschauplätzen weit ab, des Lebens und Leidens der Zivilbevölkerung, der Zwangsarbeiter und der verschleppten, misshandelten und ermordeten Verfolgten der Nazizeit. Den alliierten Luftangriffen folgten elf verheerende Tage voller Kämpfe in Wittgenstein. In einem sinnlosen, verlorenen Krieg mussten in dieser Zeit noch einmal zahlreiche Menschen ihr Leben lassen - nicht nur Soldaten.

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Ein von der NS-Führung aufgestacheltes letztes Aufgebot aus Wehrmacht,Waffen-SS, Volkssturm und Hitlerjugend kämpft „diszipliniert und hartnäckig, unermüdlich unterstützt von Helfern aus der Zivilbevölkerung”, schreibt der Historiker Dr. Ulrich Opfermann 2008 in der Berleburger Stadtgeschichte. Die Kämpfe dauern vom 28. März bis 8. April 1945. Vier Wochen später ist alles vorbei.

Der Krieg in Laasphe

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Bereits mehrere Wochen vor der Kapitulation, genau am Morgen des 28. März 1945, rücken Panzerverbände der 7. US-Armee von Gießen auf Marburg zu und nehmen die Stadt ein, deren kampflose Übergabe zuvor vom kommandierenden Offizier des 519. Regiments verfügt worden ist. Um 17 Uhr des folgenden Tages besetzen amerikanische Truppen Biedenkopf. Der Fernsprech- und Telegrafendienst wird komplett eingestellt. In der Biedenkopfer Stadtgasse sägen die Besatzungssoldaten das Fernsprechhäuschen ab und schleppen es als Kriegsbeute weg.

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Der damalige Bürgermeister der hessischen Nachbargemeinde, Heinrich Klein, übergibt auf dem Marktplatz dem kommandoführenden amerikanischen Offizier die Stadt Biedenkopf mit der Bitte, Leben und Eigentum der Bürger zu schonen. Als die amerikanischen Soldaten mit ihren Panzern von Wallau kommend den Anmarsch auf Niederlaasphe fortsetzen wollen, wird ihnen am dortigen Weiher die Durchfahrt versperrt; vom Volkssturm gefällte Bäume liegen quer auf der Straße R62. Davon lassen sich die Amerikaner jedoch nicht lange aufhalten. Sie umfahren die Sperre und ziehen am Bahnhof Amalienhütte vorbei, über das schmale „Laus Brückelchen“ zurück auf die Hauptstraße.

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In der Zwischenzeit haben Bewohner vom „Rain“ ihre Häuser verlassen und ziehen mit Handwagen oder bepackt mit Taschen und Säcken in den „Grund“, sie wollen sich im Wald verstecken.

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Andere Niederlaaspher hängen weiße Fahnen aus den Fenstern und suchen Unterschlupf im „Seifen“, in der „Haardt“ oder gehen in den Luftschutzstollen. Aus dem „Oberdorf“ marschiert eine Gruppe durch den „Grund“ Richtung Hermannsberg.

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Als sich die Lage im Tal am späten Nachmittag beruhigt hat, machen sich alle wieder auf den Weg nach Hause. Vorneweg geht ein Junge mit Stock und weißer Fahne, dahinter Frauen und Männer mit Tornistern und einfachen Jutesäcken, in denen sich auch schon mal ein ganzer Schinken befindet – eben erst angeschnitten. Der Ort ist unbeschadet geblieben, kein Haus brennt. Alle Haustüren stehen jedoch offen – die Amerikaner haben den meisten Häusern einen Besuch abgestattet.

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Ein Teil der US-Panzerkolonne fährt nur durch das Lahndorf, dreht dann Richtung Puderbach und Didoll ab. In Laasphe hingegen donnern die Geschütze. Die Task Force „Salisbury“ bestehend aus einer Kompanie von Pionieren und mehreren leichten Panzern, ist dort in Kämpfe verwickelt. Dabei werden nach amerikanischen Angaben zwei 8/8-Flakgeschütze zerstört und 130 Deutsche gefangen genommen. Bis zum Abend sind auch die Gefechte um Laasphe abgeflaut. Aber das ist erst der Anfang der Kämpfe.

Das Sterben nach dem Krieg

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Im Sommer 1945 ziehen sich die Amerikaner aus Westfalen zurück, überlassen damit Wittgenstein den Engländern. Niederlaasphe liegt nun an der englisch-amerikanischen Zonengrenze. Amerikanische Soldaten kontrollieren oberhalb von Wallau den Verkehr auf der heutigen Bundesstraße 62. Dies wird einer jungen Frau aus Niederlaasphe zum Verhängnis. Gertrud Schmidt geb. Krebs, aufgewachsen in der Familie von Wilhelm Schäfer (Baus), macht sich am Morgen des 9. Juli 1945 mit dem Fahrrad auf den Weg nach Wallau, um einzukaufen oder etwas einzutauschen. Unbehelligt passiert sie den amerikanischen Kontrollposten.

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Auf dem Rückweg aber wird sie von dem Grenzer zum Anhalten aufgefordert. Vielleicht versteht sie ihn nicht, vielleicht fürchtet sie um das bisschen erbetteltes Mehl auf ihrem Gepäckträger. Sie bleibt nicht stehen und wird ohne weitere Warnung erschossen. Eine Frau, 23 Jahre jung, Mutter eines Säuglings – stirbt zwei Monate nach Kriegsende.