Erndtebrück. .

Gerhard Wörster war acht Jahre alt, als amerikanische Bomber Erndtebrück in Schutt und Asche legten. An diesen 10. März 1945 erinnert sich der Erndtebrücker heute noch sehr gut. Durch unsere Serie über das Kriegsende in Wittgenstein angeregt, hat Wörster seine Erlebnisse handschriftlich aufgezeichnet.

„Dieser 10. März 1945 war ein Samstag, ein bis um die Mittagszeit nebeliger Tag. Wegen des für Flugbetrieb ungünstigen Wetters dachte niemand an einen Luftangriff. Aber alle, die dies dachten, hatten sich mächtig getäuscht.

Um die Mittagszeit vernahmen wir, wie fast täglich in dieser Zeit, ein Dröhnen und Grollen am Himmel. Ich schaute aus unserem Küchenfenster in Richtung ‘Adolf-Hitler-Platz’, so hieß damals der heutigen Marktplatz und sagte zu meiner Mutter, die gerade am Küchentisch sitzend, einen Brief an meinen Bruder Ewald, der sich in Afrika in englischer Gefangenschaft befand, schrieb: ‘Die fliegen heute bestimmt wegen des dichten Nebels ein anderes Ziel an.’ Weit gefehlt.

Ich hatte den Satz kaum zu Ende gesprochen, da fing das Krachen und Bersten schon an. Ich sah, wie sich die Hausfront der Metzgerei Wied in einer Rauch- und Staubwolke zur Straße neigte. Ein Bombentreffer mitten auf die Grimbachstraße vor dem Hause Wied hatte das Wohnhaus stark zerstört.

Sofort liefen alle unsere Hausbewohner in den Keller. Kaum dort angekommen, erschütterten zwei gewaltige Explosionen unser Haus. Wir hatten das Gefühl, dass das Haus in den Grundfesten schwankte. Die beiden Explosionen waren zwei Bombeneinschläge, die auf dem etwa 160 Meter entfernten alten Friedhof – wo heute das Evangelische Jugendheim steht – niedergegangen waren.

Flucht in den Grimbachwald

Als sich die Lage etwas beruhigt hatte, flüchteten wir zusammen mit anderen Straßenanwohnern in den nahen Grimbachwald, wo sich mehrere Familien Unterstände eingerichtet hatten, die auch manchmal nachts wegen drohender Bombenangriffe aufgesucht wurden.

Jetzt erfuhren wir von anderen Einwohnern des Dorfes, dass die Katzenbach und die Hachenbergstraße und deren Umgebung schwer getroffen wurden.

Einige Zeit später hatte sich die Nebeldecke über Erndtebrück aufgelöst. Jetzt vernahmen wir wieder sehr starke Flugmotorengeräusche am Himmel. Dies war die ‘Zweite Welle’. Ein Großteil derer, die in den Wald geflüchtet waren, versammelten sich am Waldesrand, um zu sehen, was nun geschah.

Die Beobachter trauten alle ihren Augen nicht, als der zweite Großverband, nun bei klarer Sicht (Vom Standpunkt Grimbachstraße aus gesehen) die Bombenlast auf Erndtebrück ablud.

Wir konnten ‘Reihenwürfe’ um die katholische Kirche und im Herrenseifen niedergehen sehen. Zu diesen Zeitpunkt waren meine Schwester und mein Vater noch nicht zu Hause. Wir hatten keine Ahnung, wo sie sich aufhielten und ob sie beim Angriff verletzt wurden.

Die Schwester ist verschüttet

Am späten Nachmittag erfuhren wir dann, dass meine Schwester im Sparkassengebäude in der Bahnhofstraße (heute Haus Dr. Weskott) im Treppenhaus eingeklemmt war. Das Haus erhielt ebenfalls einen Volltreffer. Mein Vater, der zum Zeitpunkt der Bombardierung gerade mit dem planmäßigen Zug 13.40 Uhr aus Richtung Berleburg kam, hatte in Bahnhofsnähe hinter einer Mauer Schutz gesucht. Er war von umherfliegenden Pflastersteinen am rechten Arm schwer verletzt worden.

Als nun diese zweite Angriffswelle vorüber war, liefen wir Kinder natürlich sofort an die Stellen, wo die Bomben Unheil angerichtet hatten. Diese schrecklichen Eindrücke kann man nicht vergessen.“