Siegen-Wittgenstein. Bis zu 5 erwachsene Inklusionshelfer pro Klassenraum sind dem Kreis Siegen-Wittgenstein zu viel. Die Verwaltung schlägt eine andere Lösung vor.
Ob zu viel Inklusionshilfe die Inklusion an Regelschulen behindern könnte, ist am Dienstag, 12. März, Thema im Jugendhilfeausschuss des Kreises Siegen-Wittgenstein. Die Verwaltung favorisiert eine Pool-Lösung, bei der ein Integrationshelfer beziehungsweise eine Integrationshelferin für mehrere Kinder oder Jugendliche zuständig ist, während Kritikerinnen und Kritiker je eine Begleitperson pro Schülerin oder Schüler vorziehen. Das eine muss dabei das andere gar nicht ausschließen, wie Kreis-Sozialdezernent Thomas Wüst im Gespräch mit der Redaktion deutlich macht: „Es bleibt immer eine Einzelfallentscheidung.“
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Kinder mit geistigen, körperlichen oder seelischen Behinderungen haben einen gesetzlichen Anspruch auf Unterstützung, um am Unterricht einer Regelschule teilnehmen zu können. Werden ihnen dafür Integrationshelferinnen oder -helfer zur Seite gestellt, die sie durch den Schultag begleiten, kann das zu der Situation führen, dass sich in manchen Klassen vier, fünf oder sogar noch mehr erwachsene Begleitpersonen aufhalten. Mal abgesehen davon, dass nicht alle Klassenräume kapazitätsmäßig darauf ausgelegt sind, gibt es noch einen anderen bedenkenswerten Aspekt. „Ein Kind, neben dem den ganzen Tag ein Erwachsener sitzt, nimmt das nicht unbedingt als Inklusion wahr“, merkt Thomas Wüst an. Eine solche Konstellation könne außerdem die Chancen des Kindes oder des Jugendlichen einschränken, eigene Erfahrungen in der Gruppe der Gleichaltrigen zu machen und sich frei zu entfalten – und der Gedanke von Inklusion ist es ja nun einmal, Menschen möglichst frei an Gemeinschaft und Gesellschaft teilhaben zu lassen.
Schwierig ist die Sache, weil es immer um Individuen geht und sich deren Bedürfnisse folglich nicht pauschal über einen Kamm scheren lassen. Pauschalisierungsvorwürfe haben aber Anteil daran, dass die Diskussion in Siegen-Wittgenstein wieder Fahrt aufgenommen hat.
Siegen: Inklusionshelfer – Kreis-Jugendamt plädiert für 15 Wochenstunden
Vor den Sommerferien 2023 hatte das Kreis-Jugendamt an die Träger von Schulassistenz-Maßnahmen ein Schreiben verschickt, in dem für die Schulbegleitungen maximal 15 Wochenstunden als Zielgröße genannt wurden. Die Grünen hatten daraufhin Anfang September im Jugendhilfeausschuss beantragt, diese „pauschale Begrenzung“ zurückzunehmen und von einer „Dienstanweisung“ gesprochen. Um eine solche habe es sich aber gar nicht gehandelt, argumentierte die Verwaltung in der damaligen Sitzung; das sei auch gar nicht zulässig, da Betroffene einen Rechtsanspruch auf die Begleitung hätten.
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Die 15 Stunden seien als „Richtwert oder Maßstab“ genannt worden, bekräftigt Thomas Wüst im Gespräch mit dieser Zeitung. Ohne jede Frage gebe es Kinder, „die den ganzen Tag Unterstützung brauchen. Aber das ist nicht unbedingt die Regel.“ Wichtig sei es, „Gruppenprozesse zu betrachten“. Wenn ein Kind Teil einer Gruppe von Kindern sein soll, liegt es auf der Hand, dass Erwachsene mit ihrer Anwesenheit Einfluss auf diese Gruppe haben. Das Problem: In manchen Fällen kann das hilfreich sein. In manchen kann es aber auch stören, weil Heranwachsen gemeinhin eben auch maßgeblich Erfahrungen im Kreise Gleichaltriger ohne erwachsene Begleiter beinhaltet.
Siegen-Wittgenstein: Arbeitsgruppe „Schulassistenz“ liefert kein Konzept
Der Dezernent plädiert nicht nur für den isolierten Blick auf die Stundenzahlen, sondern für eine „qualitative Bewertung“, die allerdings – das betont er mehrfach – auf Grundlage der Bedürfnisse des jeweiligen Kindes oder Jugendlichen erfolgen müsse. Eine Pool-Lösung ändere dabei nichts an der Tatsache, dass Eltern trotzdem zusätzlich eigene Begleitpersonen für ihre Kinder beantragen könnten, wenn sie dies als erforderlich erachten würden. Vor allem die Pool-Erfahrungen an der Freien Christlichen Schule in Siegen seien aber positiv (auch wenn es dabei ein anderes Problem gibt). Die Verwaltung kündigt in der Vorlage für den Jugendhilfeausschuss am Dienstag an, nun auch auf eine öffentliche Regelschule zuzugehen, um „in konstruktiver Zusammenarbeit“ ein solches Modell zu entwickeln. Dafür hätten bereits Schulen Interesse signalisiert, sagt Thomas Wüst.
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Eine Arbeitsgruppe „Schulassistenz“, nach der Sitzung des Jugendhilfeausschusses im September ins Leben gerufen und besetzt mit Vertreterinnen und Vertretern freier Träger, des Kreis-Sozialamts, des Kreis-Jugendamts, des Jugendamts der Stadt Siegen sowie einzelner Schulen, hat übrigens „kein realisierbares Konzept entwickelt“, wie es in einer Vorlage heißt, die dem JHA am kommenden Dienstag zur Kenntnisnahme vorliegt. Gegründet wurde die AG, um „Eingliederungshilfen in Form von Schulassistenzen strukturell und qualitativ weiterzuentwickeln“. Bei den fünf Treffen habe sich aber gezeigt, dass die „Einschätzungen – insbesondere der öffentlichen und der freien Träger – hinsichtlich der Realisierbarkeit einer infrastrukturellen Lösung zum Teil weit auseinander“ gehen, wie dem Papier zu entnehmen ist. Die 15-Stunden-Maßgabe, darauf weist die Verwaltung noch hin, war nicht Gegenstand dieser Arbeitsgruppe.
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