Siegen. Während sich die Berliner Ampel zofft und zofft, schaffen die SVB Fakten in Sachen Wärmepumpen. Ziel: Siegen dekarbonisieren – mit Augenmaß.

Drei „Wenden“ benötigt die Dekarbonisierung ein Landes, um keine fossile Energie mehr zu verbrauchen: Verkehr, Wärme, Energie. Das bedeutet Veränderung, aber nicht zwingend Verschlechterung und die Siegener Versorgungsbetriebe (SVB) als regionale Stadtwerke begreifen sich als einen maßgeblichen Motor beim Ziel der regionalen Klimaneutralität. SVB-Geschäftsführer Thomas Mehrer spricht von einer „Renaissance der Stadtwerke“: „Wir sind diejenigen, die in der Lage sind, den notwendigen Umbau der Energieversorgung zu leisten.“ Und das mit dem Anspruch, Privat- und Geschäftskunden langfristig Versorgungssicherheit zu geben, verlässliche und stabile Rahmenbedingungen für Wirtschaft und Bevölkerung.

Vor einem Jahr: Gasmangellage auch in Siegen erwartet – „neue Normalität“ ist teuer

Vor etwa einem Jahr habe er noch ein paar graue Haare mehr bekommen, schlaflose Nächte gehabt, bekennt Thomas Mehrer: „Ich hatte wirklich eine Gasmangellage erwartet, dass wir Kunden abschalten müssen.“ Bekanntlich kam es anders und bei aller Kritik: Die Maßnahmen der Bundesregierung hätten gewirkt. Uniper wurde gestützt, der Gasmarkt brach nicht zusammen, die Menschen sparten auch im Siegerland erhebliche Mengen Energie – der Erdgasverbrauch ging bei den SVB um 17 Prozent zurück, gleichzeitig stieg die Zahl der Gasverträge um 5 Prozent. Deutschland kaufte große Mengen Gas und füllte die Speicher, kompensierte die gekappten Lieferungen aus Russland, der Winter war mild, die absurd hohen Preise pendelten sich ein, auch wenn die „neue Normalität“ teurer ist als die vor Putins Überfall auf die Ukraine.

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Auch die Entlastungsmaßnahmen für die Bevölkerung seien beachtlich, lobt Mehrer: Ein Durchschnittshaushalt spart dank niedrigerer Umsatzsteuer, Dezemberhilfe und Energiepreisbremsen rund 1500 Euro im Jahr. Die SVB hätten diese Maßnahmen in vollem Umfang an ihre Kunden weitergegeben – und nicht nur das bedeutete erheblichen Mehraufwand. Neue IT-Lösungen mussten her, der massenhafte Ansturm von verunsicherten Menschen im Kundenzentrum bewältigt werden. „Zwei Vollzeitkräfte sind täglich nur mit den Preisbremsen beschäftigt“, sagt SVB-Vertriebsleiter Marc Giesler. Kapazitätsgrenzen seien immer wieder erreicht worden.

Heute: Die Siegener Bevölkerung spart nicht mehr – „warne vor nächstem Winter!“

„Ich warne vor dem nächsten Winter“, sagt Thomas Mehrer – der Notfall blieb zwar aus, die Speicher sind voll, aber die Lage sei dennoch unsicher. LNG-Schiffe fahren dorthin, wo der beste Preis gezahlt wird, das sei anders als im Pipeline-Geschäft, erklärt der Geschäftsführer. Wenn auch in Asien, vor allem China, die Corona-Pandemie überwunden werde, die Wirtschaft wieder anziehe, könnte das den Gasmarkt erneut durcheinanderwirbeln. Gleichzeitig sei die Sorge ein Stück weit gewichen, Gas ist gerade nicht mehr so brisant, „viele sind in alte Muster zurückgefallen“: Dabei sei Sparen mit Blick auf den nächsten Winter das Gebot der Stunde.

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Deutschland will klimaneutral und damit unabhängiger werden von fossiler Energie, von anderen Staaten. Die SVB verstehen sich dabei als treibende Kraft – mit Augenmaß, wie Thomas Mehrer versichert.

Verkehr: Zwölf öffentliche Ladepunkte betreiben die SVB, für 2023 geht es Richtung 20. Im Jahr 2022 wurden mehr als 90.000 Kilowattstunden Strom abgerechnet – in zwei Jahren mehr als vervierfacht. „E-Mobilität nimmt deutlich Fahrt auf“, sagt Mehrer.

Siegen: Wärmewende mit Augenmaß – industrielle Abwärme mit enorm Potenzial

Wärme: Bis Herbst soll der Maßnahmenkatalog vorliegen, was alles möglich ist in Sachen Dekarbonisierung – also Wärme durch Gas (in Siegen 80 Prozent der Raumwärme) zu ersetzen durch erneuerbare oder industrielle Abwärme. Da gebe es riesiges Potenzial. Die Kommunale Wärmeleitplanung soll bis Ende 2026 vorliegen, aber wie so oft gibt es in Berlin erstmal Gezerre. Darauf mochten die SVB nicht warten und hatten als eines der ersten deutschen Stadtwerke zusammen mit Stadt und Gas-Wärme-Institut Essen (GWI) angefangen, Optionen und Potenziale zu ermitteln, Szenarien zu entwickeln, Kompass und Leitplanken, wie das klappen kann. „Stück für Stück und mit Augenmaß“, betont der Geschäftsführer – über Nacht nachzuholen, was jahrzehntelang verschlafen wurde, könne kaum gelingen.

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Aber gerade mit und für eine der leistungsfähigsten Industrien Deutschlands habe man bereits mit vielen Unternehmen vielversprechende Projekte initiiert. Zumal das Erdgasnetz auch künftig eine wichtige Rolle spiele: Zum Großteil sei es wasserstofffähig, könne „intelligent umgewidmet“ werden. Gerade in energieintensiven Branchen werde es auch künftig ohne Gas nicht funktionieren, beispielsweise einen Glühofen zu betreiben – dann halt nur nicht mit Erdgas oder LNG, sondern H2.

Energiewende in Siegen gelingt nur, wenn die Menschen mitmachen – „Anreize schaffen“

Letztlich werde das Gelingen aber auch von der Veränderungsbereitschaft der Menschen abhängen: „Wie schnell sie auch persönlich bereit sind, ihre Heizung umzustellen.“ Ohne Anreizsysteme werde das nicht funktionieren. Die SVB bereiten gerade ein Pacht-Modell für Wärmepumpen vor, man gehe trotz des langanhaltenden Regierungsstreits (in dem Dienstag, 13. Juni, eine Einigung erzielt wurde) davon aus, dass der Heizungstausch kommt. Für die Eigentümer, die das nicht direkt finanzieren können, kündigt Vertriebsleiter Marc Giesler an. „Lebenshaltung ist überall teurer geworden“, sagt Thomas Mehrer. „Wir investieren, die Kunden zahlen das monatlich mit einem Rundum-Sorglos-Paket ab“, inklusive Einbau und Wartung.

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Energie: Wie berichtet wollen die SVB in größerem Umfang in die Stromproduktion einsteigen, zusätzlich zu den Solarmodulen auf Parkhaus (Produktion 2022: 78 Megawattstunden Strom) und Trinkwasserhochbehältern, um Regionalstromtarife anbieten zu können. Trotz Verzögerung beim Baustart soll die erste Photovoltaik-Freiflächenanlage des Siegerlands (0,8 Megawatt Leistung) in Gosenbach im Herbst ans Netz gehen und genug Strom für 250 bis 300 Haushalte liefern. Eine doppelt so große Anlage in näherer Umgebung ist in Vorbereitung. „Unsere Energiewende-Strategie ist auf die ganze Region fokussiert“, betont Thomas Mehrer. Auch auf Kalamitätsflächen seien künftig Solarmodule denkbar – wie Windräder, wo die SVB bereits bei der Bürger-Energiegenossenschaft eine maßgebliche Rolle spielt, um aus Siegerländer Wind Strom und Gewinn für Siegerländer Menschen zu generieren. Das alles benötigt weitere, umfangreiche Investitionen in die Infrastruktur, damit Verteil- und Ortsnetze die erforderlichen Kapazitäten bekommen.