Siegen. Strom aus der Sonne über Siegen, für Siegener Haushalte: Erste große Photovoltaik-Anlage wird bald gebaut, die nächste, größere, ist in Planung.
Wenn im Sommer die erste Photovoltaik-Freiflächenanlage auf einem Hang in Gosenbach ans Netz geht, dürfte die nächste Anlage der Siegener Versorgungsbetriebe (SVB) wahrscheinlich schon längst in Planung sein. Mehr als doppelt so groß wie die in Gosenbach könnte sie werden, sagt Geschäftsführer Thomas Mehrer im Gespräch mit dieser Zeitung. Darüber hinaus startet das kommunale Versorgungsunternehmen weitere Projekte, um die Energiewende vor Ort voranzutreiben.
1. Schritt: Photovoltaik (PV) – Solarstrom aus Siegen für Siegen
Voraussichtlich im März beginnen die Bautätigkeiten in Gosenbach; zum 1. Juli soll die Anlage aus knapp 1400 einzelnen Modulen in Betrieb gehen. Bauleitplanung und Genehmigungsverfahren konnten zügig durchgeführt werden, lobt Thomas Mehrer – wichtig für die Stadt Siegen, wenn das Tempo in Sachen Ausbau Erneuerbarer Energien anziehen soll. Kaum lag der Bauantrag Ende Oktober vor, wurde der Auftrag zur schlüsselfertigen Errichtung an die Siegener Firma DCH Energy mit Sitz in Eiserfeld und Produktionsstandorten in China vergeben. Das Unternehmen sei leistungsfähig, verfüge über Erfahrung und eigene Modulproduktion, um eine solche Anlage auch zeitnah errichten zu können, so der SVB-Geschäftsführer – die Module werden per Zug aus Fernost ins Siegerland transportiert. Für weitere Projekte sei bereits eine strategische Partnerschaft vereinbart worden. „Die Verfügbarkeit von Personal, Bau- und Installationsmaterial ist aktuell eins der größten Probleme der Wirtschaft“, sagt Mehrer – dank des Vorlaufs sollte das für das Projekt in Siegen aber nicht gelten.
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Die 750-Kilowatt-Anlage in Gosenbach produziert genug Strom, um den Jahresverbrauch von 200 Haushalten zu decken. Dazu wird ein Untergestell im Boden verankert, ähnlich wie man das vom Einbetonieren etwa von Carport-Stützpfosten kennt, darauf werden die Module und der technische Anschluss montiert, die Verkabelung zum Netzanschluss. Das Projekt kostet einen höheren sechsstelligen Euro-Betrag.
2. Schritt: Mehr Photovoltaik – die SVB verhandeln bereits über nächste Anlage
Bis Monatsende soll der Pachtvertrag für die nächste PV-Fläche stehen – außerhalb des Kreisgebiets. Mit 2 Megawatt werde sie rund 500 Haushalte versorgen können. In Siegen seien die SVB zudem noch mit einigen Grundstückseigentümern im Gespräch, sagt Thomas Mehrer. Solche Anlagen erforderten eine Einzelfallbetrachtung und müsse ganz individuell bewertet werden, etwa hinsichtlich der Ausrichtung der jeweiligen Fläche. Allzu viele ausreichend große Grundstücke gebe es im Stadtgebiet nicht, einige Halden kämen vielleicht in Betracht. „Viel bleibt hier nicht mehr.“ Anders sähe das aus, wenn die Landesregierung offensiv das Thema PV auf Kalamitätsflächen im Wald angehen würde, so Mehrer: Davon gibt es viele; Solaranlagen dort hätten zudem für die Waldbesitzer den Vorzug regelmäßiger Pachteinnahmen.
3. Zum Gas kommt für die Siegener Versorgungsbetriebe nun mehr Strom-Geschäft
Gas ist bislang das Hauptgeschäft, die SVB haben zudem rund 13.000 Stromkunden, übernehmen aber hier ausschließlich den Vertrieb und kaufen Energie ein – sie sind nicht Eigentümer und Betreiber des Stromnetzes. Der künftig aus Sonnenenergie gewonnene Strom könnte entweder an der Börse verkauft werden – oder aber die SVB beliefern Kunden direkt aus der Anlage. Das könnte beispielsweise für Industrie- oder Gewerbekunden interessant sein, um Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Dazu würde dann wahrscheinlich auch ein Angebot für eine Komplettlieferung gehören – die PV-Anlage produziert nur tagsüber, je nach Kunde müsste die Versorgung auch nachts gewährleistet sein.
4. Potenziale nutzen: Parkplätze in Siegen könnten sich bei Solarenergie lohnen
Darüber hinaus wollen sich die SVB in nächster Zeit „intensiver Parkplatzsituationen anschauen“, kündigt Thomas Mehrer an. Bei einigen davon könnte es sich lohnen, „Carportlösungen“ mit PV-Anlagen zu errichten – also großflächige Dachkonstruktionen auf den Parkplätzen errichten, auf denen dann Solarmodule installiert werden. Dazu gehören in der Regel auch Anschlüsse für die E-Ladesäulen darunter. Damit sich solche Anlagen lohnen, dürften die Flächen nicht zu klein sein, erläutert Thomas Mehrer – es brauche zudem auch eine geeignete Ausrichtung zur Sonne. Das spricht aus Sicht der SVB gegen PV-Anlagen an Lärmschutzwänden. Das war politisch angeregt worden, etwa entlang der HTS, sei aber sehr aufwendig im Bau und der Wirkungsgrad aufgrund der senkrechten Position schlechter. PV-Module können dann optimal arbeiten, wenn sie gegen die Sonne angewinkelt werden. Was hingegen gut vorstellbar sei: Eine Kooperation mit den größeren Wohnungsbaugesellschaften, um auf den Dachflächen PV zu installieren, wenn die statisch geeignet sind. „Das muss lange halten“, sagt Thomas Mehrer.
5. Wind und Wärme: Wenn Energiewende vor Ort geschieht, klappt’s besser
Mit geeigneten öffentlichen Frei- und privatwirtschaftlichen Dachflächen ist das Solar-Potenzial im Siegener Stadtgebiet nach Einschätzung des SVB-Geschäftsführers erschöpft. „Der maßgebliche Beitrag zur Energiewende vor Ort wird wohl von der Windkraft kommen müssen“, so Thomas Mehrer. Dazu brauche es in der Region, nicht nur in Siegen-Wittgenstein, schlagkräftige lokale Netzwerke. Denn durch die Ausweitung der Potenzialflächen sei eine Art Goldgräberstimmung ausgebrochen: Überall im Land gebe es Investoren und Konsortien, die sich „wie Heuschrecken“ Flächen vorsorglich sichern. „Nur ein Bruchteil davon wird auch entwickelt, aber sie sind erstmal belegt“, so Mehrers derzeitige Beobachtung.
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„Ich glaube, dass wir hier Projekte erfolgreich umsetzen können – regional, mit lokalen Partnern, mit Stadtwerken wie den SVB, die den Strom lokal anbieten, statt die eigene Gewinnmaximierung in den Vordergrund zu stellen“, sagt er. Letzteres habe am Energiemarkt in den vergangenen 20 Jahren im Vordergrund gestanden, „deswegen stehen in Deutschland bei der Energiewende auch da, wo wir stehen.“ Dezentrale, lokale, nachhaltige Energieversorgung steht auch bei der „kommunalen Wärmeleitplanung“ im Blickpunkt, die SVB starten in Kürze dazu ein Projekt. Dabei geht es um eine umfassende Strategie, die Energieversorgung zu dekarbonisieren, also weg von fossilen hin zu erneuerbaren Energieträgern zu kommen. Dazu ist zunächst eine Zustandsanalyse vorgesehen, dann werden alternative Potenziale erarbeitet – Wind, Photovoltaik, Abwärme.