Siegen-Wittgenstein. 20,5 Quadratkilometer für Windräder, eine Fläche, so groß wie halb Neunkirchen: Die Energiewende dürfte vorwiegend auf dem Land stattfinden.
Der Windkraft-Ausbau im Kreis dürfte nach Einschätzung Arno Wieds in den nächsten Jahren deutlich an Tempo zulegen – auch im Siegerland. Das berichtete der Dezernent für Umwelt und Bauen im Kreis-Umweltausschuss angesichts aktueller Gesetzesänderungen zum Ausbau Erneuerbarer Energien. Er rechne mit schätzungsweise 60 bis 100 weiteren Windrädern, so Wied – fürs Siegener Stadtgebiet etwa gibt es demnach bereits vier Vorbescheide für Windräder im Bereich Kreuzeiche.
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Die in Fachkreisen als „Paukenschlag“ und „Durchbruch“ bezeichneten Änderungen zielten auf 80 Prozent Energie aus Erneuerbaren bis 2030 ab, berichtete der Dezernent. Windenergieanlagen liegen nun „im überragenden öffentlichen Interesse“ und „dienen der öffentlichen Sicherheit“, wie es im Gesetzestext heißt. Sie erhalten demnach in der Schutzgüter-Abwägung Vorrang – was Genehmigungsverfahren deutlich beschleunigen soll.
Siegen-Wittgenstein könnte sich selbst mit Energie versorgen – aber nicht die Industrie
Das habe auch für Siegen-Wittgenstein „außerordentlich große Bedeutung“, ordnete Arno Wied ein: Für die Bundesländer gebe es nun, abhängig von Faktoren wie Siedlungsstruktur oder Windverhältnissen, verbindliche Flächenziele, um diesen Ausbau zu erreichen. Für NRW seien das 1,1 Prozent der Landesfläche (gut 34.000 Quadratkilometer), bis Ende 2032 dann 1,8 Prozent. Heruntergebrochen aufs Kreisgebiet entspreche das 20,5 km2 – eine Fläche so groß wie halb Neunkirchen.
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In Wittgenstein werde der Ausbau vermutlich schneller voranschreiten, weil die Eigentumsverhältnisse viel großzügiger sind als im kleinteilig-genossenschaftlich strukturierten Siegerland. „Aber auch da wird’s Entwicklungen geben“, so Wied. Grundsätzlich würde man es in Siegen-Wittgenstein wohl schaffen, die Bevölkerung, derzeit gut 270.000 Menschen, mit Energie zu versorgen, „aber wir haben eine teils sehr energieintensive Industrie. Nur mit Wind und Solar bekommen wir das nicht hin.“
Sauer-/Siegerland wird „mit die Hauptlast“ der Energiewende in NRW tragen
Innerhalb der Länder kann der Ausbau nicht gleichmäßig verteilt werden. „Der ländliche Raum wird einen höheren Beitrag leisten“, so Wied. In NRW sollen die Flächen für Windkraft über die Regionalpläne ausgewiesen werden, man warte auf Details. Bereits bekannt sei, dass die Bezirksregierungen künftig für Genehmigungsverfahren zuständig ist, statt bisher die Kreise. In relativ kurzer Zeit genug Personal dafür aufzubauen sei für ihn aktuell schwer vorstellbar.
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„Außerordentlich bedauerlich“ sei, dass in dieser Frage nur über Flächen geredet werde und nicht über Energiemengen, sagte Hermann-Josef Droege (CDU). Werde eine ältere Anlage mit 50 Metern Höhe ersetzt durch eine neue, 150 Meter hohe, bedeute das eine ganz andere Effizienz. Ein ganzheitlicher Umgang mit der Energiewende sei nötig, der neben Wind- auch Wasserkraft oder Photovoltaik berücksichtige. Angesichts der Auswirkungen für den ländlichen Raum – neben Sauer-/Siegerland Ostwestfalen und Eifel –, der die Hauptlast des Windkraft-Ausbaus zu tragen und Nachteile für die Landschaft hinzunehmen habe, brauche es „regionalen Lastenausgleich“.
Wo in Siegen-Wittgenstein bald neue Windräder stehen könnten
In seiner Partei stießen die Pläne auf widersprüchliches Echo, gab Bernd Schneider (Grüne) zu: Arten- und Naturschützer seien „nicht so begeistert“, die Mehrheit der Klimaschützer begrüße die Pläne im Grundsatz aber. Vier neue Windräder in Bad Berleburg in Sichtweite seines Hauses hätten für sein persönliches Empfinden aber keine „bedrängende Wirkung“.
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Man ahne, dass beim Windkraft-Ausbau einiges komme, kündigte Wied an. Es gebe zwar viele unvollständigen, teils auch widerrufene oder nicht spruchreife Informationen, aber auch positive Vorbescheide. Die hätten zwar noch sehr begrenzt Wirkung, nur wenige Belange seien konkret abgeprüft, zeigten aber, dass sich Investoren bereits intensiv mit der Errichtung von Windkraftanlagen an einem Standort auseinandergesetzt hätten. Dazu gehören vier Windkraft-Standorte im Siegener Süden, im Bereich Kreuzeiche an der Grenze zu Neunkirchen und Rheinland-Pfalz; sieben in Hilchenbach, acht in Bad Berleburg, einer in Gilsbach und zwei in Werthenbach.