Siegen. Als Reaktion auf Klima- und Energiekrise soll der Ausbau von Photovoltaik-Anlagen in Siegen intensiviert werden – auch und gerade auf Parkplätzen

Klima- und Energiekrise schaffen Fakten; insbesondere letztere, bedingt durch den Ukraine-Krieg und eine mögliche Minderung der russischen Gasversorgung, machen Druck. Jetzt soll es auf Entscheidungsebene schnell gehen: Die Politik ist geschlossen für einen deutlichen Ausbau von Photovoltaik-Freiflächenanlagen im Stadtgebiet. Bau- und Umweltausschuss votierten einstimmig für die Pläne der Verwaltung, entsprechende Potenzialflächen zu aktivieren (wir berichteten). Kleinere Uneinigkeiten sollen bis zur Ratssitzung übernächste Woche geklärt werden.

Diese politischen Differenzen gibt es noch beim Photovoltaik-Ausbau in Siegen

Da wären zum einen die Gewerbeflächen rund um den Bahnhof Eiserfeld, für die die Stadt sich vor einiger Zeit ein Vorkaufsrecht gesichert hatte mit dem Ziel, sie städtebaulich aufzuwerten. Photovoltaik laufe dem bei aller Sympathie zuwider, argumentiert Joachim Boller (Grüne). Sollten die Grundstücke gewerblich genutzt werden, entstehe andernorts Druck, weil auch die Siegener Reserven für Gewerbegebiete knapp sind. „Wir sollten potenziellen Investoren klar sagen, was wir wollen.“ Die beiden Flächen aus der Planung herauszunehmen, bedeute zudem auch eine Arbeitsersparnis, pflichtet sein Fraktionskollege Ansgar Cziba bei.

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Es sei nicht sinnvoll, in einer so frühen Phase einzelne Flächen kategorisch auszuschließen, meint dagegen Thomas Christian (SPD). In der Tat sei aber eine so zentrale Fläche „nicht unbedingt das, was wir uns vorstellen“, so Thomas Daschke, Arbeitsgruppenleiter Stadtentwicklung. Die Fläche sei aber auf Grundlage des EEG-Bewertungskatalogs geeignet – was keineswegs bedeute, dass auf jeder geeigneten Fläche auch PV-Anlagen errichtet würden.

Stadtbaurat: Siegener Unternehmen haben großes Interesse an Energie-Autarkie

Zum anderen legen SPD und Grüne Wert darauf, auch Parkplätze verstärkt in den Blick zu nehmen, die sich für die Errichtung aufgeständerter PV-Anlagen eignen. Klimaschutzmanager Lars Ole Daub weist zwar darauf hin, dass es sich dabei nicht um Freiflächen-Anlagen handelt und sie daher einer anderen Systematik als der hier gewählten EEG-Förderkulisse entsprechen. Bei städtischen Parkflächen oder solchen in Gewerbegebieten gebe es aber enorme Potenziale, bekräftigt Ingmar Schiltz (SPD): Auch unabhängig vom hier gewählten Ansatz möge man Kontakt mit den Eigentümern aufnehmen und die Bereitschaft zur Errichtung von PV-Anlagen abfragen, damit dieses Potenzial nicht verlorengehe.

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Man stelle bereits fest, dass immer mehr Unternehmen von sich aus ein starkes Interesse an mehr Energie-Unabhängigkeit habe, berichtet Stadtbaurat Henrik Schumann. Was große Parkplätze in der Stadt angehe, drohten womöglich Zielkonflikte mit Baumpflanzungen: Die seien nötig, dass sich im Innenstadtbereich sommers die Hitze nicht staut. Wenn Anfragen kommen, prüfe man die natürlich, auch jenseits der Förderkulisse, betont Marlene Krippendorf, Abteilungsleiterin Stadtentwicklung: „Wir sagen nicht per se: ‘Keine Chance’.“

Siegen vorbereitet: In aktueller Situation können sich die Bedingungen schnell ändern

Den richtigen Zeitpunkt zu wählen sei aktuell schwierig: Stadtbaurat Henrik Schumann verweist darauf, dass sich die Rahmenbedingungen derzeit schnell ändern können – „dann müssen wir eben nochmal ran“. Eine gute Grundlage, um Grundstückseigentümer für Photovoltaik (PV) zu sensibilisieren, habe man allemal. „Es ist wichtig, den ersten Schritt zu machen“, pflichtet Thomas Christian für die SPD bei. Als Stadt habe man eine klare Vorbildfunktion, sagt Frank Reifenrath (CDU), um positive Signale zu setzen, wo möglich selbst zu agieren – „der richtige Zeitpunkt ist jetzt“. In der Energiekrise gelte es jede Möglichkeit aufzugreifen, ihr entgegenzuwirken.

Konkrete Flächen

Warum die Schlackenhalde Niederschelden nur bedingt für Photovoltaik-Anlagen geeignet sei, fragt Jürgen Schulz (Grüne). Weil das Gelände „sehr strukturiert“ ist, sagt Thomas Daschke.

Ob auch auf dem Erfahrungsfeld Schön und Gut PV-Anlagen denkbaren wären, will Ansgar Cziba (Grüne) wissen. Zur weiteren Freiflächenentwicklung dort steht noch ein Workshop mit der Hoppmann-Stiftung als Eigentümerin an, antwortet Stadtbaurat Schumann.

Schallschutzmauern oder andere Steilwände sind nicht für PV geeignet, stellt Klimaschutzmanager Daub klar – wirtschaftlich lasse sich das nicht sinnvoll darstellen, solch langgezogene, unzugängliche Flächen mit langen Leitungen seien für Investoren kaum interessant.

Walter Schneider (FDP) drängt zu noch größerer Eile: „Es kann nicht sein, dass wir uns fünf bis zehn Jahre unterhalten“, mahnt er, wenn jemand in PV investieren wolle, könne es nicht um Schönheit gehen. Dann zähle Effizienz: „Wir sind in der Pflicht, schneller zu handeln und über unseren Schatten zu springen, damit wir nicht in ein paar Jahren in der Kälte stehen.“ Das Land befinde sich im Krisenmodus, „wir wissen nicht, wie es im Winter weitergeht“, da könne man nicht diskutieren, wie eine Anlage in die Landschaft passt. „Das muss passen.“

Die Stadt Siegen will den Segelflugplatz Eisernhardt nicht mit Photovoltaik zupflastern

Bei der Potenzialflächenanalyse handelt es sich um ein Rahmen-Werk; eine Folie, die für die Betrachtung von konkreten Vorhaben herangezogen wird. „Dabei können auch einzelne Flächen wieder herausfallen“, erläutert Thomas Daschke. In jedem Fall gelte es, Interessen abzuwägen, auch hinsichtlich Freizeit- und Erholung. Beim Segelflugplatz Eisernhardt etwa: „Wir wollen den nicht zubauen“, betont Daschke. Falls es Möglichkeiten gebe, den Platz weiter uneingeschränkt zu nutzen, sei es vorstellbar, einen Teilbereich mit PV-Anlagen zu bebauen. Die EEG-Flächenkulisse sehe zudem einen 200-Meter-Abstand zur Autobahn vor, merkt Lars Ole Daub an.

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Eine Prioritätenliste, wie von Rüdiger Heupel (GfS) vorgeschlagen – „die Verwaltung kann nicht an allen Stellen gleichzeitig arbeiten“ – sei nicht nötig, meint Marlene Krippendorf: Man steige ja nicht direkt in Bebauungsplan-Verfahren ein, sondern wolle Eigentümer sensibilisieren. „Wir sind gespannt, was da auf uns zukommt.“